EM-Blog

Glaube, Liebe, Hoffnung (4): Rumänen entzaubern Franzosen

3 Ecken, 1 Elfer: Der Eröffnungsabend bei der EURO 2016 hatte es schon einmal in sich.

EM-Fernsehabend, der erste von vielen. Diesmal der Auftakt mit dem ZDF, wo Oliver Welke im Vergleich zu sonst noch ein bisschen gehemmt wirkt. Bei der überflüssigen Eröffnung-Show vor dem Spiel wieder die üblichen Fragen. Warum muss so etwas eigentlich derart schlecht sein? Warum eine einzige Orgie an Klischees und Geschmacklosigkeit?

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Ich gucke das Spiel im „Chagall“ am Senefelder Platz, das trotz seines Namens nur russische Speisen serviert, und insgesamt drei große Bildschirme parat hält, auf exzellenten, daher aber lauten Plätzen mit Arne, Filmregisseur und -produzent aus Köln. Die miserable Show inspiriert ihn dazu, mir von seinem neuen Film zu erzählen: Ein Dokumentarfilm über deutsche Schlagergeschichte. Letzte Woche hat er Jürgen Drews einen kompletten Tag in dessen Leben begleitet. Nach einem Auftritt in Oberhausen ging es im Eiltempo zum Flieger in Düsseldorf, um rechtzeitig für seinen Auftritt in der Berliner Waldbühne zu sein. Dort trat er vor 20.000 Zuschauern bei der „Schlagernacht des Jahres 2016“ auf. Als das vorbei war, hatte Drews noch einen dritten Auftritt. Heute nun dreht Arne anstatt sich das Spiel von Albanien gegen die Schweiz anzusehen, an der Ostsee mit Roland Kaiser.

Vorher hat er mir noch seine persönlichen EM-Tips verraten: Europameister werde „England oder doch Deutschland“. Zur größten Enttäuschung werde Italien werden. „Die werden in der Vorrunde ausscheiden.“ Auf meine Frage, welcher Außenseiter zur Turnierüberraschung werden – meiner Ansicht nach könnte das Österrech sein – gibt er eine lustige Antwort: „Für mich ist ja England schon ein Außenseiter.“ Danach nennt er immerhin noch Belgien.

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Im Fernsehen ist inzwischen Antje Pieper zu sehen, mit der ich mal in München zusammen studiert habe. Sie interviewt Daniel Cohn-Bendit, und der sagt ähnlich gute Sachen, wie zuvor schon in seinen Interviews auf Arte und in der TAZ. Dann folgte ein kurzes Gesplauder mit Theo – „der lebt noch?“ Koll, genannt „unser Mann in Paris“, bevor es auf dem Bildschirm endlich richtig losging.

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Die Franzosen spielten in sehr dunkelblauen Trickots, die so eng aussahen, wie Radfahrer-Anzüge. Die Rumänen waren so unangenehm und diszipliniert wie man es erwarten konnte. Schon in der vierten Minute hatte Rumänien eine hundertprozentige Führungschance.
Frankreichs Spiel war vor allem das Warten auf die Lücke, und fast das komplette Spiel wirkte die „Équipe Trícolore“ unfähig richtig Druck aufzubauen und vor allem, ihn zu halten. Ein fahriges Spiel mit vielen Ballverlusten. „Das ist ihr System.“ meinte zwar Bela Rethy, der hörbar seine Karteikarten ablas, konnte aber auch keine andere Erklärung anbieten, als die Nervosität des Gastgebers: „Die Franzosen tasten sich gerade in das Turnier.“
In der 13. Minute gab es dann einen unerwarteten Schuss von Griezmann, der an den Pfosten knallte, in der 35. Minute bretterte nochmal ein Ball knapp am Tor vorbei, aber nicht weil ein Franzose danebenschoß, sondern weil ein rumänischer Abwehrspieler eine Zehntelsekunde schneller war. „Hätte Eckball geben müssen“ sagt Bela Rethy. Stimmt.

Direkt nach der Pause dann die zweite hundertprozentige Chance der Rumänen. Die Franzosen wurden eher schlechter, als besser. Warum schaffen die es nicht wenigstens zwischendurch mal vernünftige Angriffe nach vorn zu bringen? Das war der Moment wo dann die Frage auftauchte: „Wo ist eigentlich Benzema?“ den hätte Didier Deschamps schon mitnehmen dürfen, zumal viele seiner Spieler offenkundig mehr Zeit beim Friseur verbringen, als auf dem Trainingsplatz. Pogba zum Beispiel. Dann gingen die Franzosen doch in Führung, etwas unverdient, die Rumänen glichen bald aus, und das Spiel gluckerte weiter zwar recht ansehnlich, aber ohne zwingende Momente einem Unentschieden entgegen. Doch in der 88.Minute schafften sie doch noch den Siegtreffer, der zwar unverdient war, aber offensichtlich vom Weltgeist gewünscht, um im Gastgeberland die Stimmung nicht zu verderben.

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Die Quasselrunde im Anschluss zeigte dann noch, dass Sebastian Kehl sich unbedingt andere Schuhe zulegen muss – und die Strümpfe, die gehen auch gar nicht. Oliver Kahn hat dagegen offensichtlich einen Rhetorik-Kurs genommen, so kontrolliert und unauthentisch betonte er das Gesagte mit den Armen: mal rechts, mal links, dann beide zusammen. Authentische Akzente setzte er dann wieder sprachlich: Ein Torwart müsse halt den gegnerischen Stürmer auch mal „weghauen“ – eine angenehme Formulierung im uneigentlichen Fußballergerede.

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Und gerade eben gewinnen die Schweizer 1-0 gegen „die Skipetaren, die Männer vom Balkan“, also Albanien. Aber das tun sie auf eine derart unfähige Art und Weise – mit einem Mann mehr über 60 Minuten und nur dank des überragenden Torwarts – dass man weiß: Diese „Nati“ wird keine Überraschungsmannschaft, da ist spätestens im Achtefinale Schluß.

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