HÄRTER ALS DER REST

Natürlich darf man heute zugeben, dass man Heavy Metal liebt. Am besten nennt man schnell noch eine angesagte Band wie Baroness oder behauptet, Slayers „Reign In Blood“ damals1 rauf-und runtergehört zu haben. Wer es noch einfacher haben will, zieht sich auf den klassischen Hardrock zurück, weil sich auf Led Zeppelin ja alle einigen können und selbst R.E.M. mal Aerosmith gecovert haben. Da geht die Diskussion dann allerdings schon los: Wo hört eigentlich Hardrock auf, wo fängt Heavy Metal an -und wer gehört dazu? Erstaunlicherweise gab es bei unserer mehr als 60-köpfigen Jury einen unausgesprochenen Konsens, den man kaum erklären kann. Keiner kam mit Nirvana an, aber etliche nannten Soundgarden (die übrigens mal die Vorgruppe von Guns N’Roses waren, auch wenn sie sich daran nicht gern erinnern) oder Nine Inch Nails. Im softeren Bereich durften Bon Jovi nicht fehlen, die in den 80er-Jahren zweifellos Hardrock machten – auch wenn die Grenzen zum Mainstream da schon fließend waren. Damals war die Eingruppierung dank der einheitlichen Optik noch einfacher: lange Haare, Lederhosen, alles klar. Gern auch Make-up und bunte Accessoires oder -auf der anderen Seite des Spektrums -Nieten und unbedingt: die Kutte.

Als Erfinder des Heavy Metal gelten heute gemeinhin Black Sabbath, die schon 1969 in Birmingham begannen, ihre Zuhörer mit harten Riffs, treibenden Drums und Ozzys markerschütterndem Gesang das Fürchten zu lehren. Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre griff die New Wave Of British Heavy Metal, für Eingeweihte kurz NWOBHM, das Erbe auf und übersetzte es fürs Massenpublikum -mit bis heute durchschlagendem Erfolg. Iron Maiden, Saxon oder Judas Priest haben nicht nur Generationen beeinflusst, sie halten immer noch durch.

Der Duden definiert Hardrock schlicht und praktisch als „laute Rockmusik mit einfachen Harmonien und Rhythmen“, Heavy Metal als „aggressivere Variante des Hardrocks“. Auf jeden Fall ist Metal nicht nur ein Genre, sondern ein Glaubensbekenntnis, eine Lebenseinstellung. Kein anderer Musikstil hat so viele Zeitschriften hervorgebracht, so viele Festivals mit enormen Besucherzahlen. Metal ist Mainstream und Nische zugleich. Zwar wandern zum Wacken-Festival in jedem Sommer Zehntausende, aber die große Zeit ist doch vorbei -zumindest, was die Breitenwirkung angeht. Im Jahr 1988 hießen die weltweiten Megaseller „Appetite For Destruction“(Guns N’Roses),“Hysteria“(Def Leppard) und „New Jersey“ (Bon Jovi). Es gab damals keine Partys ohne „Run To The Hills“ oder „T.N.T.“(zumindest nicht in meiner Umgebung), und die sensationellen ersten Jahre des 1981 gestarteten Musiksenders MTV waren auch die Zeit der großen Frisuren -jahrelang verging kein Tag ohne lustige Videos von kühn toupierten Metalbands, die in einer Welt zu leben schienen, die nichts mit unserem Alltag gemein hatte (anders zum Beispiel die Grunge-Typen später).

Genau deshalb liebten wir Mötley Crüe, Twisted Sister und Kiss: Weil sie uns ein Leben ausmalten, das viel wilder, bunter und spannender war als unseres. Sie sahen nicht aus, als hätten sie je eine spießige Schule betreten, sie gurgelten morgens bestimmt nicht mit Mundwasser, und nachts ach, wir konnten es uns kaum vorstellen. Es hat bestimmt einen Grund, dass Hardrock und Metal besonders auf dem Land so beliebt sind -wo das Klima konservativer und das Fernweh größer sind. Mir zumindest gab diese Musik damals das Gefühl, wenigstens kurzzeitig dem Mief und der Langeweile entfliehen zu können. Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, lesen Sie Chuck Klostermans brillante Chronik „Fargo Rock City“, in der er eine prototypische Metal-Jugend beschreibt und wie die Liebe zu dieser Musik für jeden Teenager lebensverändernd ist. Plötzlich nicht mehr allein, vereint im Uncoolsein, gemeinsam glücklich abgegrenzt vom gemeinen Popmusikhörer. Und man konnte die Eltern ärgern, was letztendlich das Allerwichtigste ist, denn, seien wir mal ehrlich: Kaum einer entdeckt erst als Erwachsener den Metal. Aber wer sich als Heranwachsender mit dieser Musik identifiziert, wird sie auch noch verteidigen, wenn er längst eher Neil Young oder Coldplay hört.

Es war nicht nur der Glamrock, der sich fröhlich dem Eskapismus hingab, auch die Fantasywelten im klassischen Metal haben wenig mit der Wirklichkeit zu tun, sondern sind von Drachen, Elfen und Zwergen bevölkert. Selbst Krieg und Feuer, Tod und Teufel scheinen hier nicht allzu real zu sein -norwegische Spinner, die tatsächlich Kirchen anzünden, ausgenommen. Ein paar Widersprüchlichkeiten bleiben: Zwar geht es in 66 Prozent der Lieder um Freiheit, Unangepasstheit und Widerstand gegen das Spießertum, doch stellt man schnell fest, dass Metal-Fans im wahren Leben oft erstaunlich konformistisch sind. Lange Mähnen und Kutten mögen heute nicht mehr Pflicht sein, aber die einzig gültige Farbe ist immer noch Schwarz, und wer beim Wacken nicht die typische Band-T-Shirt-Uniform trägt, fällt natürlich ein wenig auf. Auch ein gewisser Chauvinismus hat sich gehalten, Frauen kommen eher als Beiwerk, Begleiterin oder Lustobjekt vor. Videos mit Frauen, die leichtbekleidet Autos waschen (Whitesnake) oder Kirschkuchen servieren (Warrant), sind heute nicht mehr die Norm – aber leider gibt es immer noch kaum große Bands mit Frauen, von Nightwish oder Arch Enemy mal abgesehen.

Was hat sich sonst in den vergangenen 20 Jahren im Metal getan? Nicht so viel. Der Nu Metal um Korn und Limp Bizkit ist so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war. Und mal ehrlich: Wer liebt denn aus vollem Herzen die Technokraten von Linkin Park? Wer hält Volbeat für den Mittelpunkt der Welt? Am Ende freuen sich alle doch wieder am meisten über ein neues Black-Sabbath-Album, das wie ein altes klingt. Und die Bands, die bei Festivals am frenetischsten gefeiert werden, heißen Metallica oder Iron Maiden. Da trifft sich dann für ein Wochenende die eingeschworene Gemeinde mit den Massen. Wenn Sie allerdings in Berlin und anderenorts ahnungslose Hipster in AC/DC-oder Motörhead-Shirts von Urban Outfitters rumlaufen sehen, fragen Sie mal, ob die deren Sänger überhaupt kennen. Das wird sicher lustig. Oder halten Sie sich einfach an Ronnie James Dios alte Devise: „Don’t Talk To Strangers“!

ZUR LISTE DER 100 BESTEN HARDROCK-UND METAL-ALBEN ALLER ZEITEN

MIT TEXTEN VON ANDREAS BORCHOLTE, BIRGIT FUSS, JOACHIM HEN TSCHEL, ALEXANDER MÜLLER, RALF NIEMCZYK, GUNTHER REINHARDT, FRANK SCHÄFER, JÖRN SCHLÜTER, FRANK THIESSIES UND SEBASTIAN ZABEL

1. Appetite For Destruction

Guns N’Roses

Geffen/Universal, 1987

Heute will es keiner gewesen sein, aber damals gab es nicht wenige Leute, die Guns N’Roses für eine durchschnittliche Hardrockband hielten, deren Debüt auch nicht viel besser sei als das von Faster Pussycat. Im „Metal Hammer“ bekam „Appetite For Destruction“ 1987 drei von sieben Punkten, man empfahl, lieber „Electric“ von The Cult zu kaufen. Inzwischen weiß jeder, dass es – neben „Born In The USA“ und „The Joshua Tree“ – das Rockalbum des Jahrzehnts war: eine dieser Platten, auf die sich notfalls alle einigen können. Und das liegt nicht an den Frisuren oder Tätowierungen oder am eher albernen Slogan von der „most dangerous band in the world“. Nein, es liegt natürlich an den unvergesslichen Songs: Vom Anfangsschrei in „Welcome To The Jungle“ über die Rauschgeschichten von „Nightrain“ und „Mr. Brownstone“ bis zur Hymne „Paradise City“ und dem Stöhnen von „Rocket Queen“ ist „Appetite“ eine einzige Abfolge von Hits. Kein anderes Album beschreibt so stimmig ein Leben zwischen Rockclubs und Striplokalen, inmitten von Dealern und leichten Mädchen, in einer Wolke aus Haarspray und Whiskeydunst. Und Liebeslieder hatten sie auch noch -vor allem „Sweet Child O’Mine“, mit dessen Riff sich Slash schlagartig unsterblich machte.

Der unerhörte Erfolg von Guns N’Roses ist auch eine klassische Märchengeschichte von fünf Jungs, die es mit rauem und doch unwiderstehlich eingängigem Hardrock von der Gosse ins Penthouse schafften. Nichts Neues eigentlich: Aerosmith und Alice Cooper standen Pate, und an der Ostküste legten Twisted Sister bereits seit Ende der 70er-Jahre Make-up auf, aber in Los Angeles fand der sogenannte Glam-Metal dann sein natürliches Zuhause. Auf dem Sunset Strip wüteten Mötley Crüe, W.A.S.P., Ratt und Poison, doch keine Band konnte das wilde Leben so überzeugend in Songs umsetzen wie GN’R. Das Personal stimmte einfach. W. Axl Rose, ein Landei aus Indiana, war so ehrgeizig wie neurotisch -und sein keifender Gesang jederzeit wiedererkennbar. Slash, ein sanfter Wuschel, spielte in der Tradition von Keith und Joe Perry schön schmutzig, Eigenbrötler Izzy Stradlin‘ verstand ebenso viel von großen Melodien. Zwei Blondinen rundeten das bunte Gesamtbild ab: Bassist Duff McKagan war schlauer, als er aussah, aber ein Drogenwrack wie Schlagzeuger Steven Adler. Hätten sich Guns N’Roses nicht gefunden, man hätte sie erfinden müssen. Sie widmeten „Appetite“ den „teachers, preachers, cops and elders who never believed“. Mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung, im September 1988, stand es schließlich auf Platz eins der US-Charts, und plötzlich hatten alle immer an Guns N’Roses geglaubt. Nur die Band selbst begann schon zu zweifeln. Vier Jahre später implodierte sie. BIRGIT FUSS

2. Reign In Blood Slayer Def Jam, 1986

Eines der wahnwitzigsten und einflussreichsten Alben des Heavy Metal erschien beim HipHop-Label Def Jam, hat eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 200 bpm und ist bloß 29:03 Minuten lang. Es passt auf eine Kassettenseite -man konnte es sich anhören, die Kassette umdrehen und wieder anhören. Was man 1986 auch tat. Denn Slayer waren eine alles wegblasende Naturgewalt: Kerry King und Jeff Hanneman an den Gitarren, mattenschwingende Hardboiled-Poeten des Abgründigen, die das Album mit dem für den erwartbaren Faschoverdacht sorgenden „Angel Of Death“ eröffneten, Sänger und Bleifuß-Bassist Tom Araya und der weltbeste (wenn auch wankelmütige) Metal-Drummer Dave Lombardo popularisierten Thrash-Metal wie niemand sonst. SEBASTIAN ZABEL

3. Master Of Puppets Metallica Elektra/Asylum, 1986

Thrash-Metal mit melodischer Raffinesse ist möglich. Metallicas Vorgänger „Ride The Lightning“ lieferte den Beweis. Aber erst hier gelang das Experiment vollständig. Im Schmelztiegel lag eine perfekte Legierung aus berückend harmonischem Schönklang und brachial auftrumpfendem, dennoch filigranem Riff-Bolzertum. Das ist bereits instrumental so spannungsreich, komplex und dennoch eingängig, dass eine Stimme kaum nötig gewesen wäre, und das überirdisch schöne „Orion“ kommt dann auch tatsächlich sehr gut ohne aus. Aber wie James Hetfield bei „Battery“, dem Titelstück oder bei „Welcome Home (Sanitarium)“ die Hooklines grandios zerknurrt mit seinem Massenmörderorgan, das hat die gesamte Genrewelt umgehauen und nachhaltig beeinflusst. FRANK SCHÄFER

4. IV Led Zeppelin Atlantic, 1971

Eine Platte voller fieser, bluesig knurrender Riffmonster -von „Black Dog“ über „Misty Mountain Hop“ bis „When The Levee Breaks“. Dass trotzdem 37 Millionen Menschen dieses Album besitzen, liegt wohl daran, dass das auch die Platte mit „Stairway To Heaven“ ist. Und der eine oder andere versucht wahrscheinlich immer noch, beim Rückwärtsabspielen satanistische Botschaften zu entschlüsseln. Nach dem eher durchwachsenen „III“ erwies sich das vierte, eigentlich namenlose Led-Zeppelin-Album, das auch Platz für Folk hat („The Battle Of Evermore“,“Going To California“), schon bei der Veröffentlichung im November 1971 als Chartserfolg. Aber auch als Platte, mit der Plant, Page, Jones und Bonham den Hardrocksound der 70er-Jahre definieren. GUNTHER REINHARDT

5. The Number Of The Beast Iron Maiden EMI, 1982

Immer wieder betonen alle, wie viel der Metal den Punks verdankt. Wie sie als Hebammen dabeistanden, als das Genre Ende der Siebziger auf britischem Grund neu geboren wurde, was ja auch stimmt. Lustig nur, dass Iron Maiden – die beste Band der Metal-New-Wave – erst zu voller Größe kam, als sie alles Punkige aus ihrer Kunst entfernt hatte. „The Number Of The Beast“, die dritte Platte, die erste mit dem Teufelstenor Bruce Dickinson, breitet große Mythen über die Trümmer Londons, die biblische Offenbarung, die Tragödie der amerikanischen Ureinwohner, die Fahrstuhl-zum-Schafott-Elegie. Und erzählt all die Geschichten mit solcher Verve, Treffsicherheit und dramaturgischer Finesse, wie es nur die größten Epigonen der ersten Generation schaffen. JOACHIM HENTSCHEL

6. Highway To Hell AC/DC Albert, 1979

Wenn bei einer Party eigentlich nichts mehr ging, ging immer noch „Highway To Hell“. Wer Anfang der 80er-Jahre Teenager war, hat zu Songs wie „Highway To Hell“ „Girls Got Rhythm“ und „Touch Too Much“ abrocken und Luftgitarre spielen geübt -zumindest immer solange, bis ein Mädchen wollte, dass man auch mal was Langsames auflegt. AC/DC, die erstmals nicht von Vanda/Young produziert wurden, liefern auf „Highway To Hell“ eine Wahnsinnsfete voller Sex, Drugs und Rock’n’Roll, dreckig, verratzt, schäbig, sexy, ironisch – und das Vermächtnis des Bon Scott, der ein Jahr nach den Aufnahmen sterben sollte. Mit dem „Mork vom Ork“-Gruß „Na-Nu Na-Nu“ verabschiedet er sich, als das Album mit „Night Prowler“ zu Ende geht, von dieser Welt. GUNTHER REINHARDT

7. Paranoid Black Sabbath Vertigo, 1970

Die Ambition, das musikalische Äquivalent zu Gruselfilmen zu erschaffen, hatten Black Sabbath bereits mit ihrem Debüt. Ihr zweites Album erschuf den Heavy Metal. Der barsche Blues der Anfangstage gerät zum Rudiment („Fairies Wear Boots“), es regiert der diabolische Tritonus. Unverblümt brutal gibt sich der Protestsong „War Pigs“. Das zwingende „Paranoid“ überführt Led Zeppelins „Communication Breakdown“ zur dunklen Seite der Macht. Und das repetitiv hypnotische „Iron Man“ spinnt eine sinistere Zeitreisen-Parabel. Neben diesen drei Klassikern verblassen die übrigen Songs keineswegs. „Electric Funeral“ und „Hand Of Doom“ bleiben programmatisch schaurig, das psychedelischverstörende „Planet Caravan“ setzt auf sublimeren Horror. FRANK THIESSIES

8. Back In Black AC/DC Albert, 1980

Sänger Bon Scott stirbt im Rausch, und AC/DC stehen im Februar 1980 vor der Kardinalfrage: Auflösen oder Weitermachen? Die Antwort: das wohl heftigste Requiem der Rockgeschichte, eingeläutet von abgründigen Höllenglocken. Nicht nur in „Hells Bells“ arbeitet sich Neuzugang Brian Johnson an Scotts Vermächtnis ab. Sein imposantes Kreischorgan scheint die furiose Rhythmusarbeit der Band nochmals zu befeuern. „Uns kann keiner was“ heißt das Credo des aggressiven „Shoot To Thrill“. Dreckige Riffs statt Düsternis. Unverhohlene Sexfantasien in „Given The Dog A Bone“ oder „You Shook Me All Night Long“. Produzent Mutt Lange gibt den derben Blues-Phrasierungen die nötige Aggressivität. Ein kompromisslos ballerndes Meisterwerk. RALF NIEMCZYK

9. Holy Diver Dio Warner, 1983

Ronnie James Dio verließ Rainbow 1979, weil es ihm nicht passte, wie Ritchie Blackmore den Sound der Band vom Pagan-Metal zu „kommerzielleren“ Themen öffnete. Er ersetzte dann erst einmal den gefeuerten Ozzy Osbourne bei Black Sabbath. 1983 erschien mit „Holy Diver“ das erste von drei Alben unter dem Namen Dio -und gleichzeitig das beste des 2010 verstorbenen US-Sängers. Ungestört konnte er hier Tolkien-und Mittelalter-Motiven frönen, bis hin zum Schundroman-Artwork mit Maskottchen Murray. So etwas war damals in (siehe Iron Maiden), ebenso wie melodischer, mit Keyboards angereicherter Hardrock. Der dräuende Titelsong, das epische „Don’t Talk To Strangers“ und der Stadion-Stampfer „Rainbow In The Dark“ wurden zu Dios erfolgreichsten Songs. ANDREAS BORCHOLTE

10. Metallica Metallica Elektra, 1991

Unter Hardrock-Superproduzent Bob Rock pointierten Metallica ihr musikalisches Vermögen – Hetfields ultrascharf geschnittene Riffs und wütender Growl-Gesang, Ulrichs beschleunigtes Schlagzeugspiel. Hier fehlen die Thrash-Metal-Opern und Speed-Breitseiten, doch das Ergebnis ist nichts weniger als eine Heavy-Metal-Ikone -ähnlich wie später Nirvanas „Nevermind“ für den Grunge übersetzten Metallica ein ganzes Genre fürs Massenpublikum. Trotz einiger eher unauffälliger Lieder musste man vor so viel Brillanz den Hut ziehen: „Enter Sandman“ hat ein unsterbliches Riff, „Sad But True“ stampft mächtig wie ein Zyklop, „Nothing Else Matters“ machen Metallicas E-Moll-Balladen-Standard zum Großereignis. Bald darauf füllten sie Stadien. JÖRN SCHLÜTER

11. Ace Of Spades Motörhead Bronze, 1980

Der Titelsong wurde zur ultimativen Halunkenhymne aller Rocker und Zocker. Auch der Rest des dreckigen Dutzends zieht als überdrehter Boogie und Blues im Westerngewand schneller als sein Schatten. Für eine Band, die nach ihrem Selbstverständnis Rock’n’Roll, nicht Heavy Metal spielt, machen Motörhead ihren Job raubeiniger und rasanter als alle anderen. Ein Album voller Amphetamin.

12. Live And Dangerous Thin Lizzy Vertigo, 1978

Laut Produzent Tony Visconti wurde im Studio enorm nachgearbeitet, insofern kein wirkliches Livealbum, aber egal: Klassiker wie „Emerald“, „Jailbreak“ und „Southbound“ gibt es hier in ausgehärteten, aufgerauten, getriebenen, eben in den letztgültigen Versionen. Allein die Ansagen sind zum Auswendiglernen, die Soli von Scott Gorham und Brian Robertson sowieso.

13. Operation Mindcrime Queensrche EMI, 1988

Mit diesem ambitionierten Konzeptalbum über einen Aktivisten, der durch eine Gehirnwäsche zum Attentäter wird, führten Queensrche ihre musikalische Cleverness auf den Höhepunkt. Die souverän entworfene Musik vermischt Metal mit Prog-Elementen und der für Meistersänger Geoff Tate typischen Popsensibilität. Höhepunkt ist das dramatische „Suite Sister Mary“.

14. Van Halen Van Halen Warner, 1978

Die 1:43 Minuten von „Eruption“ sind auch im Jahr 2014 noch ein unerhörtes Stück Musik. Und nicht nur für Amateurgitarristen war die Welt nicht mehr dieselbe, nachdem einem Eddie van Halen 1978 dieses Gitarrensolo vor die Füße geknallt hatte. Und dann gibt es da noch Songs wie „Runnin‘ With The Devil“ oder „Ain’t Talkin‘ ‚Bout Love“, die den Heavy-Sound der 80er-Jahre (mit-)erfunden haben.

15. Machine Head Deep Purple Purple, 1972

„Highway Star“ eröffnet das Album furios. Als erstes Speed-Metal-Stück wird es geführt -in der Version von Metal Church vielleicht! Noch essenzieller für die Erfindung des Genres ist der andere Überklassiker mit dem bekanntesten Riff der Rockgeschichte, „Smoke On The Water“. Dessen ursprüngliche Magie ist heute kaum noch gerecht zu beurteilen. Eins der Alben, die neue musikalische Koordinaten fixierten.

16. Vulgar Display Of Power Pantera Atco, 1992

Eins der einflussreichsten Metal-Alben der 90er-Jahre. Hier passt alles zusammen, der Titel, die Cover-Onomatopoesie und eben dieser ebenso vulgärbrachiale wie kontrollierte musikalische Ausbruch, der die schon bei „Cowboys From Hell“ gestiftete Liaison zwischen Thrash und Groove konsequent weiterführt. Noch härter, mit mehr Gebrüll. Trotzdem Nr. 44 der US-Charts.

17. Rising Rainbow Oyster, 1976

Das zweite Rainbow-Album ist das beste: „Rising“ hat einen magisch dunklen Sound und eine Reihe großartiger Momente, die Dios dräuenden Fantasy-Mystizismus und Blackmores klassisch informierten Riffrock auf den Punkt brachten. Natürlich ist „Stargazer“ das beste Lied, ein episches Hardrock-Meisterwerk über einen bösen Zauberer, flimmernde Wüstenhitze und delirierende Sklaven. Unsterblich.

18. II Led Zeppelin Atlantic, 1969

In weniger als einem Jahr verzierten Led Zeppelin die Essenz ihres Debüts noch stärker mit Hardrock-Vignetten. So wird das Gitarrenriff wie in „Whole Lotta Love“ oder „Heartbreaker“ verstärkt zum Song-Epizentrum und die Lyrik deutlich expliziter („The Lemon Song“). Akustische Folk-Derivate („Ramble On“) sollten ebenso wie das ausgedehnte Drum-Solo („Moby Dick“) fortan zum Sujet-Kanon gehören.

19. Burn My Eyes Machine Head Roadrunner, 1994

Eins der Alben, die den Thrash mit voller Wucht in die 90er-Jahre hinüberretteten. Eine wichtige Gelenkstelle zwischen Slayer und Pantera. Nur die Amis haben es eine Weile nicht bemerkt, wohl auch weil das US-Radio die Band boykottierte. Grund waren Rob Flynns, nun ja, kontroverse Lyrics: Die Belagerung von Waco, die Rassenunruhen von L. A., rabiate Kirchenkritik -viel Stoff zum Anecken.

20. No Sleep ‚Til Hammersmith Motörhead Bronze, 1981

Die klassische Motörhead-Besetzung bei einem Konzert im Hardrocktempel Hammersmith Odeon. Der ganze ungehobelte Dreck ist in diesen Aufnahmen, die Band prügelt mit einer grandiosen Energie und hat einen fabelhaften Trio-Sound. Die Songs -ein Rollgriff durch die Diskografie -erweisen sich beim Wiederhören zum Großteil als unverwüstliche Klassiker des Genres.

21. Destroyer Kiss Casablanca, 1976

Alice-Cooper-Produzent Bob Ezrin verpasste der bisher grobkörnigen Comicwelt von Kiss Tiefenschärfe. Unter seiner Ägide arrangierten sie sich gar mit Kinder-Chor, Orchester und klassischer Harmonielehre. Neben ewigen Partystandards wie „Detroit Rock City“ oder „Shout It Out Loud“, reicht die pompöse Palette vom dämonischen Grollen „God Of Thunder“ bis zum sanften Balladen-Schnurren von „Beth“.

22. Ride The Lightning Metallica Megaforce, 1984

Der Nachhilfeunterricht in den Tour-Pausen zeigte Wirkung. Songs wie die Doublebass-Orgie „Fight Fire With Fire“ stellen noch so leidlich einen Zusammenhang zum deutlich thrashigeren Debüt her, der aber von den symphonischen, melodieseligen Songs wie „Fade To Black“ geradezu negiert wird. Hier zeigt sich bereits der Januskopf der Band, der bei den Puristen später für so viel Verdruss sorgen wird.

23. Toxicity System Of A Down American, 2001

Das von Rick Rubin entdeckte Quartett um Serj Tankian warf so viele Stile in den Mixer -von Nu Metal, Prog, Hardcore bis zu armenischer Folklore -und gab sich auch textlich so avanciert, oszillierend zwischen Dada, Psychedelic und Agitprop, dass die einen Kunstkacke konstatierten, die anderen genialischen Alternative-Metal. Letztere überwogen bei Weitem.

24. British Steel Judas Priest Columbia, 1980

Allein schon wegen der rasanten Frusthymne „Breaking The Law“ ist dieser Platte ein Platz im Herzen nicht nur der Metal-Fans sicher. Zwar war „British Steel“, das auch den Hit „Living After Midnight“ und den Solidaritätsaufruf „United“ enthielt, bereits das sechste Studioalbum der Band aus Birmingham. Doch wie kaum eine andere Platte prägte sie das, was man bald die New Wave Of British Heavy Metal nennen würde.

25. Rated R

Queens Of The Stone Age

Interscope, 2000

Mit dem zweiten Album seiner Queens schwamm sich der geniale Eigenbrötler Josh Homme endgültig vom Kyuss-Erbe frei. Dies hier war so viel mehr als Stoner-Rock! Homme gelang eine faszinierende Melange aus harten Riffs, heftigen Melodien und irren Texten, nicht nur bei der Drogenaufzählung von „Feel Good Hit Of The Summer“. Moderner Hardrock geht also doch.

26. Heaven And Hell

Black Sabbath Vertigo, 1980

Nach dem Rausschmiss von Ozzy schien die Band auseinanderzubrechen. Aber mit Ronnie James Dio ging es doch weiter. Ganz anders. Dios Stimmraspel schliff sich Iommis Riffs zurecht, wie es ihm gefiel. Aus frühem Metal wurde später Hardrock. Plötzlich klang die Band wie Rainbow auf Downer. Doch die Handvoll All-Time-Hymnen, neben dem Titelsong vor allem „Neon Nights“, gab ihm recht.

27. Physical Graffiti

Led Zeppelin Swan Song, 1975

Nach einer längeren Pause kehrten Led Zeppelin 1975 mit einem neugierigen, von stilistischen Erkundungen geprägten Doppelalbum zurück. „Physical Graffiti“ hat im Gegensatz zu den vorangegangenen Led-Zep-Werken etwas fast Skizzenhaftes, magisch Unkonkretes – und erweitert das Œuvre der Band mit „The Rover“ und natürlich „Kashmir“ trotzdem um einige unsterbliche Songs.

28.1984

Van Halen Warner, 1984

Eddies Synth-Eskapaden verwirrten zunächst die Fans, waren aber nötig nach dem kreativen Einbruch von „Diver Down“.“1984″ klang so frisch, als hätten sie sich ein Stück ihrer alten Naivität zurückerobert. Da waren sie wieder, die melodischen Sonnenscheinchen mit der Zunge in der Backe. Eine grandiose Mischkalkulation: „Jump“ führte die Charts an, und der Speedpicker „Hot For Teacher“ befriedete die Metalheads.

29. Slippery When Wet

Bon Jovi Vertigo, 1986

Auch wenn einige Juroren schon bei Erwähnung des Namens aufstöhnten: Ja, das dritte Album von Bon Jovi steht zu Recht hier, auch wenn die Band danach im Mainstream versuppte. Damals hatten sie nicht nur lange Haare, sondern auch die größten Hardrock-Hymnen weit und breit, freilich mit Synthesizer und Wohlfühlgarantie. Klassiker wie „Livin‘ On A Prayer“ oder „Wanted“ soll ihnen erst mal einer nachmachen!

30. Let There Be Rock

AC/DC Albert, 1977

Die Ursprünge des Rock’n’Roll, dessen Genesis sie im Titeltrack so zwingend nachbuchstabieren, kann man diesem reduzierten, räudigen, staubtrocken, ja eigentlich gar nicht produzierten Rabauken-Boogie noch jederzeit anhören. Das Album enthält mit „Whole Lotta Rosie“,“Problem Child“ etc. eine Menge Band-Evergreens -aber die musikalische Füllwatte „Go Down“ und „Overdose“ gehört halt auch dazu.

31. Balls To The Wall

Accept RCA, 1983

Die Gay-Symbolik im Cover und in den Texten zu „London Leatherboys“ und „Love Child“ sollte wohl provozieren. Solche Oberflächlichkeiten hatte das Album nicht nötig, es sublimierte das Konzept der beiden großartigen Vorgänger: Dirkschneiders gepresster Kreischgesang wurde entschärft durch straighte, eingängige Riffs, schöne Harmoniesoli und eine satte, enorm effiziente Produktion, die zur Referenzgröße wurde.

32. Dirt

Alice In Chains Columbia, 1992

Jerry Cantrells Riffs beheimaten Alice in Chains im Metal und (weniger) Sleaze der frühen Neunziger, Layne Staley addiert Post-Punk und Psychedelic – das ist die Spannung der viertbesten Seattle-Band, die mit „Dirt“ ihr schlüssigstes Album aufnahm. Der Selbsthass des Sängers ist kaum zu ertragen, die Riffs fräsen sich ins Hirn. „Dam That River“,“Down In A Hole“,“Angry Chair“: Klassiker des Grunge-Rock.

33. Hysteria

Def Leppard Phonogram, 1987

Ausgerechnet ein paar schlechtfrisierte Briten zeigten (mit Hilfe von Produzent Mutt Lange) den Amerikanern, wie perfekter Mainstream-Rock mit Monster-Refrains und -Riffs geht. Das vierte Def-Leppard-Album schoss in den USA und im UK auf Platz eins und hatte sieben (!) Single-Hits. Es war auch ein Triumph über die Tragödie: Rick Allen hatte bei einem Unfall einen Arm verloren und trommelte doch weiter.

34. Dr. Feelgood

Mötley Crüe Elektra, 1989

Das letzte große Aufbäumen des L. A.-Glamrock, bevor Grunge ihm ein Ende machte. Mötley Crüe waren immer die härtesten unter den bunten Hunden (zumindest bis Guns N’Roses kamen), und das US-Nr.-1-Album „Dr. Feelgood“ war das Meisterstück von Nikki Sixx, der hier unwiderstehliche Kracher über Sex, Suff und noch viel Schlimmeres schrieb. Die Adrenalin-Hymne „Kickstart My Heart“ knallt heute noch.

35. Powerage

AC/DC Atlantic, 1978

Das erklärte Lieblingsalbum der Band (und von Keith Richards) mit vielen halb vergessenen Klassikern, die seit Jahren aus dem Liveprogramm verbannt sind. Vor allem in der langsamen Blues-Rock-und Boogie-Abteilung ist es hervorragend besetzt -mit dem charismatischen „Down Payment Blues“, dem kräftig aufstampfenden „Gimme A Bullet“ oder dem unglaublich lässig lostuckernden „What’s Next To The Moon“.

36. In Rock

Deep Purple Harvest, 1970

Im selben Jahr wie Black Sabbaths Debüt meißelten Deep Purple ihre Rock-Definition in Stein. Weniger diabolisch, dafür musikalisch verspielter und mit vielen künftigen Kunstgriffen des Hardrock -wie der ausufernde Kraftakt „Child In Time“ beweist: Gitarre und Orgel duellieren sich mit Klassik-Kadenzen durch die Eingeweide des Blues, während Ian Gillan Falsett und Befreiungsschreie perfektioniert.

37. Rage Against The Machine Rage Against The Machine Epic, 1992

Rap, Hardcore und Metal? Geht das? Auf dem RATM-Debüt von ’92 hört man mal Fugazi („Bombtrack“), mal wird Led Zeps „Kashmir“ verarbeitet („Wake Up“). Während Tom Morello an der Gitarre Höchstleistungen vollbringt, gibt Zack de la Rocha den politischen Poeten. Das Ergebnis ist eine unerhört dynamische, stilprägende Crossover-Platte, der kaum einer hinterherkam.

38. Painkiller Judas Priest Columbia, 1990

Ein musikalischer Richtungswechsel. Mit dem Doublebass-Dynamo Scott Travis suchte man Anschluss an modernere, das hieß in diesem Fall: schnellere Spielweisen. Der Titelsong ist eine wahre Speed-Orgie, die auch die enormen Notenzuwächse des Gitarrenduos Downing/Tipton offenbart. Die Frischzellenkur ging ein bisschen auf Kosten der eingängigen Hymnen, dafür hatte die Band wieder Mordsfeuer.

39. Pyromania Def Leppard Vertigo, 1983

Von der Stahlstadt Sheffield zu US-Superstars: Soundperfektionist Robert „Mutt“ Lange und MTV machten es möglich. Dass Def Leppard britische Bodenständigkeit gegen Hochglanz und Produktionsbombast nach Queen eintauschten, machte „Pyromania“ nicht schlechter, sondern aus. Hochmelodische Hits wie „Photograph“ oder „Foolin'“ leisteten maßgebliche Pionierarbeit für die Pop-Metal-Ära der Achtziger.

40. Screaming For Vengeance Judas Priest Columbia, 1982

Obwohl man hier bereits den US-Markt anvisiert und sich dort durchaus festsetzt, hat Produzent Tom Allom noch nicht alle New-Wave-Of-British-Heavy-Metal-Kanten geschliffen. Sirenenkehle Halford darf sich weiterhin richtig exaltieren, die beiden Solo-Duellanten ebenso. „You’ve Got Another Thing Comin'“ war der Hit, das Album hat viele weitere.

41. Leprosy Death Combat, 1988

Zweites Album des ingeniösen Extrem-Metallers Chuck Schuldiner, der 2001 an einem Gehirntumor starb und mit seiner Band -nomen est omen! – den gleichnamigen Substil miterfunden hat. Sein Gesang hält die Waage zwischen Shouting/Growling, ist damit durchaus wiedererkennbar, sein komplexes Geschredder sowieso. Man hört noch, dass sich Death als Steigerungsform des Thrash versteht.

42. White Pony Deftones Maverick, 2000

Die Nu-Metal-Band beginnt zu experimentieren -mit TripHop, 80er-Wave, Prog, Shoegaze und so weiter, was sich auch daran zeigt, dass Frank Delgado am Elektronik-Spielzeug nun endlich zum festen Bandmitglied aufsteigt. Chino Moreno wispert, raunt und haucht viel, er fühlt eben so tief, auch der Rest verliert sich bisweilen fast ein wenig im Atmosphärischen, aber dann knallen doch wieder die Hammer-Riffs.

43.1987 Whitesnake EMI, 1987

Die Blues-Wurzeln nahezu gekappt, den Sound auf Hardrock mit Keyboard getrimmt und die Mähne fürs Musikfernsehen onduliert, schielte auch David Coverdale 1987 auf den US-Markt. Der Erfolg gab ihm recht. Powerballaden wie „Is This Love“, die glattgebügelte Neuauflage von „Here I Go Again“ und ein letzter Hauch Led Zeppelin machten Whitesnake vorübergehend zu Stadionsprechern der Achtziger.

44. Use Your Illusion Guns N’Roses Geffen, 1991

Als die beiden Doppelalben vier lange Jahre nach dem Debüt endlich herauskamen, waren Guns N’Roses nicht mehr dieselben. Sondern die Größten. Aufgeblasen, abgewrackt, maßlos. Und genau das macht „Use Your Illusion I +II“ so faszinierend: Man hört eine Band, die alles gibt, um über sich hinauszuwachsen. Zehn-Minuten-Epen, Wut-Hymnen, Balladen, ein kleiner Rap: Nichts war unmöglich. Und bald alles vorbei.

45. Killers Iron Maiden EMI, 1981

Noch fehlen die ausufernden Epen, aber das zweite Album offenbart bereits die überlegene kompositorische Qualität von Steve Harris und die Klasse der Gitarren-Twins Murray/Smith. Iron Maiden gelang es am schlüssigsten, die Energie des Punk, auch optisch personifiziert von ihrem Frontman Paul Di’Anno, mit den komplexen Strukturen des 70er-Prog-Rock zu kombinieren. Wichtigste Inkunabel der NWOBHM.

46. Jailbreak Thin Lizzy Vertigo, 1976

Die zweistimmigen Leads von Gorham und Robertson haben ihre volle Durchschlagskraft entwickelt. Aber Phil Lynott, dem Hardrock nie genug war, transzendiert das Konzept immer wieder in Richtung Pop, Soul und Folk. Mit „Emerald“,“The Boys Are Back In Town“, „Jailbreak“ und „Cowboy Song“ enthält das Album vier Klassiker, aber selbst ein Schmonzettchen wie „Running Back“ besitzt die typische Lynott-Aura.

47. Master Of Reality Black Sabbath Vertigo, 1971

Vom Kifferhusten des Auftakt-Songs „Sweat Leaf“ über die noch tiefer gestimmten Gitarren von „Children Of The Grave“ bis zum dahingeschleppten „Into The Void“ – mit ihrem dritten Album schufen Black Sabbath den Statuten-Katalog für künftige Subgenres wie Stoner Rock, Sludge-und Doom-Metal. Das ruhige „Solitude“ setzt dagegen einen sensibleren Kontrapunkt.

48. Black Rose Thin Lizzy Vertigo, 1979

„Elvis is dead/The king of Rock’n’Roll is dead“, singt Phil Lynott zum Ausklang von „Do Anything You Want To“ – und lässt wissen, wer im Hardrock (noch) die Krone aufhat. Das einmalige Gitarren-Tandem von Gary Moore und Scott Gorham harmoniert, Hits wie „Sarah“ sitzen und das Grande Finale „Róisín Dubh (Black Rose): A Rock Legend“ rearrangiert kunstvoll keltische Tradition(als) und Gitarrenheldentum.

49. Scum Napalm Death Earache, 1987

Zwei Seiten, zwei fast komplett unterschiedliche Bands, aber das gleiche künstlerische Ethos: schneller, brutaler, obskurer! Was früher Gesang war, ist nun „Growling“. Drummer Mick Harris erfindet den „Blast Speed“-Modus, und die Songs wehen vorbei wie der Wind. Wieder ein neues Subgenre: Grindcore. „You Suffer“ wird mit seinen 1,316 Sekunden als kürzester Song im „Guinness Buch der Rekorde“ geführt.

50. Made In Japan Deep Purple Purple, 1972

Das klassische Livealbum der Mk-II-Besetzung mit wundervollen Versionen von u. a. „Child In Time“, „Highway Star“ und „Space Truckin'“. In oft ellenlangen Improvisationen kommt die tolle stilistische Spannung in der Band zum Ausdruck -die harten Gniedelkreischer haben einen tollen Swing, die entspannten Boogie-Swinger immer noch Biss. Dazu addiert sich eine immense Spielfreude: großes Kunsthandwerk.

51. Kill ‚Em All Metallica Megaforce, 1983

„Bang that head that doesn’t bang“, steht auf dem Backcover, und den recht unvorteilhaft porträtierten Gestalten traut man das zu. Mit seiner Mischung aus grobklotziger Brachialität und spieltechnischer Feinmotorik, seiner Kombination von enormer Masse und schon fast leichthändiger Verve markierte das Album eine musikhistorische Gelenkstelle: die Begründung des Thrash aus dem Geiste der NWOBHM.

52. Overkill Motörhead Bronze, 1979

Mit ihrem zweiten Werk fanden Motörhead zu ihrem Sound und galten fortan als lauteste und dreckigste Band Englands. Im Rückblick sind die Lieder kaum noch skandalös, weil seither so viele andere Tabus gebrochen wurden und Motörhead ja nach klassischer Rock-, Blues-und Boogie-Manier komponierten. Aber der verzerrte Bass, der grollende Gesang und die spuckende Härte inspirierten so viele Bands.

53. Songs For The Deaf Queens Of The Stone Age

Interscope, 2002

Ein Konzeptalbum im Jahre 2002? Josh Homme macht ’s möglich -so, dass es gar nicht mühsam klingt. Von L. A. fährt man in die Wüste, „God Is In The Radio“, und der vielschichtige Rock haut einen um. Mit Nick Oliveri, Mark Lanegan und Dave Grohl traut sich Homme noch mehr als auf „Rated R“, nur Taube können diesen wilden Ritt langweilig finden.

54. Rocks Aerosmith Columbia, 1976

Nie kamen die „Toxic Twins“ Tyler/Perry näher an die anvisierte Augenhöhe zu den „Glimmer Twins“ Jagger/Richards als auf ihrem vierten Album. Zwischen Koks-Brocken und ungeschliffenem Diamanten tummelten sich Blues und Funk gleich neben Sex, Drugs und Rock’n’Roll-Poesie. Dass Slash diese Platte für sich als essenzielle musikalische Initialzündung proklamiert, sagt eigentlich alles.

55. Slave To The Grind Skid Row Atlantic, 1991

Es war kein kleiner Schock, als Skid Row zwei Jahre nach ihrem Hit-Debüt mit diesem Album um die Ecke kamen: Statt schickem Hardrock hauten einem Rachel Bolan, Dave Sabo und Sebastian Bach jetzt richtigen Metal um die Ohren, brutal und böse. Der Posterboy wurde zum Tier, die Band gewann Respekt – nur das „Monkey Business“ dankte ihnen den Imagewechsel auf Dauer nicht.

56. Roots Sepultura Roadrunner, 1996

Die brasilianische Band besinnt sich auf ihre Herkunft, arbeitet mit einheimischen Percussionisten, integriert Folklore-Rhythmen und schlägt sich in die Büsche, um die Gesänge und Tribal-Drums der Xavante-Indianer aufzunehmen. Aber auch der ureigentliche Metal geht hier zurück zu den Wurzeln, zum Zwei-Riff-Hardcore. Textlich ein politischer Schulterschluss der Metalheads mit den Indigenas.

57. Rust In Peace Megadeth Capitol, 1990

Fiese Riffs, nihilistische Texte: Die Musik von David Mustaine ist von Bitterkeit und bösem Zynismus durchzogen. Auf diesem Werk zeigt der ehemalige Metallica-Gitarrist -erstmals unterstützt von dem Gitarrenvirtuosen Marty Friedman -, was er kann. Wütender Thrash-Metal, technisch außerordentlich versiert und harmonisch wie strukturell komplex: Take this, James Hetfield! Die Rache eines Verstoßenen.

58. School’s Out Alice Cooper Warner, 1972

Mit dem Titelstück, das neben Pink Floyds „Another Brick In The Wall, Part 2“ zur ewigen Abi-Abschluss-Hymne werden sollte, gelang Cooper seine griffigste Nummer. Die übrigen Songs changieren im progressiveren Bereich zwischen Bernsteins Broadway, Vaudeville und Jazz. Weniger Hardoder Glamrock, sondern Coming Of Age als cleveres Konzeptalbum zwischen Highschool und Horrorshow. Chapeau.

59. Long Live Rock’N’Roll Rainbow Polydor, 1978

Das dritte Album von Rainbow ist nicht so spektakulär wie „Rising“ – dort ging es um einen magischen Moment, hier um die Konsolidierung des Errungenen. Blackmore schreibt famose Hardrock-Riffs und streut orientalische Melodien ein, Dio gibt den düsteren Zeremonienmeister. Obschon also durchsichtiger, ist „Long Live …“ nicht weniger fabelhaft.

60. Pump Aerosmith Geffen, 1989

Nach dem Comeback mit dem poppigeren „Permanent Vacation“ legte man noch einen drauf. Oder zwei: Bläsersektion und glitzernd-bluesigen Hardrock! Augenzwinkernde Abenteuer („Love In An Elevator“), atypische Tabubrüche wie die Missbrauchs-und Mörderballade „Janie’s Got A Gun“ oder gar ein Anflug von Country („What It Takes“) zeigen Aerosmith auf ihrem letzten kreativen Höhenflug.

61. Melissa Mercyful Fate Roadrunner, 1983

Mercyful Fate gaben dem Proto-Black-Metal, was Venom wegen ihrer manuellen Benachteiligung nicht besaßen: Dynamik, Punktgenauigkeit, Komplexität und filigrane Gitarren, die noch dazu mit einer traumwandlerischen Melodiesicherheit aufwarten konnten. Sänger King Diamond, durchaus gewöhnungsbedürftig zwischen Eierschneiderfalsett und traditionellem Shouting pendelnd, legte sogar schon sakrale Schminke auf.

62. The Downward Spiral Nine Inch Nails Interscope, 1994

Aus der selbstmörderischen Abwärtsspirale, die Trent Reznor als genresprengendes Konzeptalbum entwarf, gibt es kein Entrinnen. „Closer“ oder „Hurt“ werden verstörende Hits, „March Of The Pigs“ hingegen bleibt inkommensurabel. Eine dramaturgisch ausgefeilte Platte der Extreme – zwischen Schreien und Flüstern, Krach und Wohlklang, Gewalt und Zärtlichkeit.

63. Shout At The Devil Mötley Crüe Elektra, 1983

Der Durchbruch für die vier aus L. A., zwei Jahre nach dem Debüt „Too Fast For Love“. Mit dem Teufel hatten sie nicht viel am Hut, um Todsünden ging es allerdings schon -ihre Spielart hieß ja wenn nicht Glam-, dann Sleaze-Metal. Pentagramm und Kriegsbemalung sollten provozieren, doch die Musik hätte gereicht: Vince Neil sang Nikki Sixx‘ wüste Rocksongs mit enormer Kraft, Tommy Lee trommelte wie ein Wilder.

64. High Voltage AC/DC Albert, 1976

Erste Veröffentlichung auf dem internationalen Markt mit „Live Wire“, dem Party-Abkocher „T.N.T.“ und Dudelsack auf „It’s A Long Way To The Top“. Versauter Rock’n’Roll, so illusionslos und ohne Gimmicks, dass er sich eine Zeitlang sogar unter dem temporär erfolgverheißenden Rubrum Punk verkaufen ließ. Bon Scott klingt mehr denn je wie eine Vorstadtgöre, die zu schnell erwachsen werden musste.

65. Among The Living Anthrax Megaforce, 1987

Der Durchbruch der Thrash-Metal-Band, nicht zuletzt wegen des Smashers „Indians“, wenn auch nie ganz unumstritten. Immer wieder wurden Monotonie-Vorwürfe laut. Beeindruckend bleibt das dichte Zusammenspiel der Rhythmusgitarren mit Charlie Benantes Geprügel, das auch die 32tel noch voll auf den Punkt bringt, und Belladonnas originäres, immer einen Halbton am Schönklang vorbeischrammendes Shouting.

66. Keeper Of The Seven Keys Part 1 Helloween Noise, 1987

Michael Kiske löste Kai Hansen am Mikro ab, und mit ihm transformierte sich der auch schon eingängige Thrash des Vorgängers „Walls Of Jericho“ zu teutonischem Power-Metal, der dann zu einer Marke wurde und viele Nachahmer fand. „Keeper Part 1“ war die Keimzelle. Nie wieder gab es so viele hübsche Kindermelodien auf einem Metal-Album. Vielleicht noch auf „Part 2“.

67. Led Zeppelin Led Zeppelin Atlantic, 1969

Per definitionem noch dem Blues-Rock zurechenbar, vereinte Led Zeppelins Debüt bereits prototypische Elemente der noch namenlosen Gattungen Hardrock und Heavy Metal. Das dynamische Kräftemessen von Robert Plants durchdringendem Organ, Jimmy Pages Gitarrenvirtuosität und nicht zuletzt John Bonhams rhythmischer Schlagkraft machten Songs wie „Dazed And Confused“ zu Leitsätzen.

68. Hall Of The Mountain King Savatage Atlantic, 1987

Der Titel spielt an auf den achten Satz in Edvard Griegs „Peer Gynt“, und im Instrumental „Prelude To Madness“ umspielt Gitarrist Criss Oliva dann auch das bekannte Motiv. Die späteren Prog-Metal-Suiten kündigen sich hier bereits an. Jon Olivas Theatralik und schiere Power kombinierendes Shouting schafft eine finsterepische Atmosphäre.

69. Welcome To Hell Venom Neat, 1981

Der Sound ist allerhöchstens Demo-Qualität. 1981 in drei Tagen von drei Dilettanten eingetrümmert, bei der legendären Wellblechschmiede Neat Records, war es gleichwohl unglaublich wirkungsmächtig und enthält sowohl musikalisch als auch ikonografisch bereits Elemente der sich später ausdifferenzierenden Subgenres Thrash, Death und Black Metal. Mantas‘ Solokarikaturen haben nie ihren Witz verloren.

70. Powerslave Iron Maiden EMI, 1984

Das Ägypten-Album. Ein letztes Mal mit Instrumentalnummer, die allerdings etwas erratisch gerät. Bei „Aces High“ demonstriert der Chef am Bass, Steve Harris, dass er nicht nur Mini-Opern, sondern weiterhin Radio-Hooks schreiben kann. Den anderen Single-Hit,“Two Minutes To Midnight“, liefern Smith und Dickinson. Das Gitarren-Gespann Murray/Smith ist state of the art, es gibt kein besseres Mitte der 80er.

71. To Mega Therion Celtic Frost Noise, 1985

Einflussreicher war er mit Hellhammer, aber mit Celtic Frost nahm Tom G. Warrior sein erstes Album auf. Der Schweizer Sänger gehört zu den frühen Corpsepaint-Trägern (der Leichenbemalung im Gesicht), und seine Texte drehen die Kreuze um, insofern wurde das Album später vor allem vom Black Metal rezipiert. Musikalisch war es eher ein wildes Durcheinander aus Thrash und Doom Metal, mit Venom als Referenzgröße.

72. Sonic Temple The Cult Beggars Banquet, 1989

Der Abschluss einer Art Trilogie, die mit „Love“ und „Electric“ begann. Star des Albums ist Gitarrist Bill Duffy, der bei Songs wie „Sun King“,“Fire Woman“. „Automatic Blues“ oder „New York City“(bei dem Iggy Pop einen Gastauftritt hat) den Ton angibt. „Sonic Temple“ ist ein Album voller expressiver, effektiver, melodischer Hardrocknummern, wie sie Ende der 80er-Jahre sonst kaum eine Band so gut draufhatte.

73. Vincebus Eruptum Blue Cheer Philips, 1968

Wird „You Really Got Me“ gemeinhin als Powerchord-Schablone des Hardrock und Heavy Metal verstanden, ist Eddie Cochrans „Summertime Blues“ in den Händen von Blue Cheer sein lautstark aufgedrehter nächster Verwandter. Mit verstörend harten wie verzerrten Gitarren fusionierte das Trio harsch Blues und Rock mit psychedelischen Untertönen und schuf ein perfektes Proto-Metal-Fallbeispiel.

74. Heartwork Carcass Earache, 1993

Es sollte ein kommerzieller Erfolg werden, das vierte Album der Grindcore-Prügelknaben, aber trotz kohleheischender Produktion, dem Fehlen von optischen und allzu argen lyrischen Geschmacklosigkeiten und einer plötzlich virulenten Harmoniesucht des Gitarrenduos Billy Steer und Michael Amott reichte es nicht für die Billboard-Charts. Stattdessen schufen sie ein neues Subgenre: Melodic Death.

75. Piece Of Mind Iron Maiden EMI, 1983

Neuzugang Nicko McBrain stellt sich gleich mit einem kleinen Drum-Intro vor. Und Steve Harris bekommt erstmals ernsthaft Konkurrenz von seinen Kombattanten: Vor allem Adrian Smith zeigt bei „Flight Of Icarus“ und „Die With Your Boots On“ ein Händchen für eingängige Hooks. Trotzdem eine weitere große Bandleistung, mit vielen Live-Standards wie „Trooper“, dem beliebtesten Maiden-Song aller Zeiten.

76. Toys In The Attic Aerosmith Columbia, 1975

Das dritte Album bescherte den Durchbruch. Das Songwriting pointierter und die erotomanischen Anspielungen verdichtet, katapultierten Aerosmith ihren Bad-Boy-Rock’n’Roll in eingängigere Sphären. Der Hit „Walk This Way“, das markante Talkbox-Motiv von „Sweet Emotion“ und „You See Me Crying“ als zweite große Ballade nach „Dream On“ bildeten dabei ein mehr als verlässliches Fundament.

77. Houses Of The Holy Led Zeppelin Atlantic, 1973

Nicht lange zuvor hatten Led Zeppelin mit „IV“ eines der besten Alben aller Zeiten aufgenommen, da folgte schon die nächste Großtat. „Houses Of The Holy“ ist eine von innen leuchtende Platte, gleichzeitig spielerisch und entrückt, mit dem romantischen „Rain Song“, dem psychedelischen „No Quarter“ und dem schwankenden Hardrock-Riesen „The Ocean“. Heilige Hallen.

78. Badmotorfinger Soundgarden A&M, 1991

„Badmotorfinger“ ist die animalischte, dunkelste Platte von Soundgarden: Chris Cornell brüllt wie ein besessener Löwe, die Black-Sabbath-Riffs von Kim Thayil wühlen im Schlick und brennen wie siedendes Öl, Trommler Matt Cameron bringt der Musik etwas Unnachgiebiges bei. Natürlich waren Nirvanas „Nevermind“ und Pearl Jams „Ten“ erfolgreichere, weil zugänglichere Platten. Besser waren sie nicht.

79. Alive II Kiss Casablanca, 1977

Das erste (A)Live-Album hatte ihre Plattenkarriere erst richtig in Schwung gebracht. Naheliegend, schließlich versprühte das Massenspektakel Kiss auf der Bühne stets mehr Energie als im trockenen Studio. Auf der Fortsetzung gewinnen die geballten Songs der vorigen drei Alben ebenso eindringlich an Temperament. Und bis auf die fünf neuen Studiotracks als Bonus gibt es keine Füller zu beklagen.

80. Filth Hounds Of Hades Tank Kamaflage, 1982

Ein rappelndes Debüt, das die beiden Rabauken-Genres Punk und Metal zusammenführte. Sie wurden deshalb zu Recht oft mit Motörhead verglichen. Die gehörten zu ihren frühen Förderern, Fast Eddie Clarke hat auch produziert. Algy Wards knurriger Grölgesang besitzt hohen Wiedererkennungswert, die Songs überzeugen durch rüden Charme und griffige Melodien.

81. The Legacy Testament Atlantic, 1987

Schon eine Weile vor ihrem Debüt hatten Testament unter dem Namen Legacy im Metal-Untergrund für Furore gesorgt -„The Legacy“ etablierte sie als einen der interessantesten Acts der second wave of thrash. Natürlich stehen Metallica Pate für die Hochgeschwindigkeits-Riffs, doch die Finesse, Komplexität und schiere Selbstsicherheit machten die Band zu einem wichtigen Vertreter der Bay-Area-Szene.

82. Thunder And Lightning Thin Lizzy Vertigo, 1983

Phil Lynotts homogenstes und einziges pures Metal-Album. John Sykes kam von den NWOBHM-Pionieren Tygers of Pan Tang und brachte viele Haare, Riffs („Cold Sweat“!) und funkensprühende Soli mit in die Band. Für Scott Gorham wieder eine echte Herausforderung. Und jetzt ließ sich die grandiose Live-Intensität der Band endlich auch im Studio abrufen.

83. Vol. 4 Black Sabbath Vertigo, 1972

Dominierte auf dem Marihuanaschwangeren Vorgänger noch schleppende Langsamkeit, ist das vierte Album stärker von umtriebiger Experimentierfreude geprägt. „Snowblind“ sollte es ursprünglich heißen, so stetig schneite es seinerzeit im kalifornischen Studio. Neben gewohnter Riff-Stärke („Supernaut“) ziehen der progressivere Ansatz sowie die Piano-Ballade „Changes“ neue, spannende Saiten auf.

84. Long Cold Winter Cinderella Mercury, 1988

Das zweite Album der unterschätzten US-Band, die von Jon Bon Jovi entdeckt wurde, mit Glamrock trotz viel Haarspray eher wenig zu tun hatte und Anfang der 90er-Jahre leider in der Versenkung verschwand. Auf „Long Cold Winter“ mischen Cinderella meisterhaft Hardrock und Blues, und ihr Sänger Tom Keifer trägt seinen Namen sehr zu Recht. „Don’t Know What You Got (Till It’s Gone)“? Stimmt in diesem Fall.

85. … And Justice For All Metallica Elektra, 1988

Man hat damals gestritten über diese Platte, deren beklemmender, klirrender Tinnitus-Sound Widerspruch provozierte. Hetfield und Ulrich hatten auf „Master Of Puppets“ Thrash und Speed mit Heavyness und komplexen Strukturen verbunden und wandten das Errungene nun auf das ultraharte „Blackened“, die Power-Metal-Symphonie „… And Justice For All“ sowie das Antikriegs-Epos „One“ an.

86. Arise Sepultura Roadrunner, 1991

Zwei Alben lang von der Spartenpresse als brasilianische Lachnummer verspottet, nahm sich Produzentenlegende Scott Burns der Band an. Bei „Beneath The Remains“ holte man Schwung, mit „Arise“ schufen die beiden Diplomaten-Söhnchen Cavallera 1991 einen Bestseller und Klassiker des Death/Thrash-Genres, der gern mit Slayers „Reign In Blood“ verglichen wird -und spieltechnisch sogar mehr zu bieten hat.

87. Slipknot Slipknot Roadrunner, 1999

Weiße Overalls, Horrormasken und hundsgemeine Bühnenaction, dazu eine Musik, die Rap, Thrash, Industrial und Hardcore vermischt, also Limp Bizkit für ganz Harte, und schon hatte Roadrunner seinen ersten Platin-Erfolg. Nu-Metal-Erfolgsproduzent Ross Robinson war die Integrationsfigur, die es dringend bedurfte, um die diffuse, heterogene Energie der vielköpfigen Truppe auf diesem Debüt zu bündeln.

88. Bloody Kisses Type O Negative Roadrunner, 1993

Mit hünenhafter Statur, tiefem Timbre und schleppenden Suiten stilisierte sich Peter Steele zum Hexenmeister. „Jesus Christ looks like me“, predigt er zu Mönchschören und Kirchenorgel in „Christian Woman“ – und bricht nicht nur in „Black No.1“ die Finsternis mit einem „Addams Family“-Fingerschnippen selbstironisch auf. Gothic-Metal klang nie schwarzhumoriger und melodisch verführerischer.

89. Blizzard Of Ozz Ozzy Osbourne Jet, 1980

Nach der Trennung von Black Sabbath etablierte dieses Debüt Osbourne noch erfolgreicher als Solokünstler. Der junge Randy Rhoads fungierte behände als versatile Geheimwaffe an der Gitarre, während der ungestüme Hardrock von „Crazy Train“, das kontroverse „Suicide Solution“ oder die okkulte Scharade „Mr. Crowley“ Ozzys Marktwert als verrückten Fürsten der Finsternis in die Höhe schnellen ließen.

90. Wheels Of Steel Saxon Carrere, 1980

Fehlte dem Debüt noch Druck und Durchsetzungsvermögen, zeigt schon der Titel des zweiten Albums, was die Stunde geschlagen hat. Ausgerechnet der Namensgeber ist zwar nicht mehr als ein hart gespielter Boogie, aber bei „Motorcycle Man“,“Machine Gun“ und „Street Fighting Gang“ stimmt die Riff-Schlagzahl. Biffs silberne Spandex tat ein Übriges, und das noch junge Genre hatte wieder ein paar Helden.

91. Stay Hungry Twisted Sister Atlantic, 1984

Dee Snider ist kein schnöder Sänger, sondern ein Gesamtkunstwerk: Er schrieb die besten Imperativ-Hymnen – allein auf diesem Album:“We’re Not Gonna Take It“!“I Wanna Rock“! -, er hatte die größte Klappe, und auch wenn Twisted Sister als Pioniere des 80er-Hairmetal galten: Sie waren viel mehr, und „Stay Hungry“ klingt durch seine schiere Wucht immer noch nicht veraltet und ist keine Sekunde langweilig.

92. Black Metal Venom Neat, 1982

„Home taping ist killing music So are Venom“, versprach das Backcover. Die Band hatte wirklich noch nicht viel dazugelernt, das Metrum eiert, die Riffs sind vermanscht, aber die drei besitzen einen wachen Sinn für eingängige Thrash-Brüller. Vor allem das Titelstück und „Countess Bathory“ wurden später, als der Plattentitel zum Namensgeber für ein eigenes Genre avancierte, unzählige Mal gecovert.

93. Blackout Scorpions EMI, 1982

Eine Platte, auf die sich viele einigen, die sonst nichts mit den Scorpions anfangen können. Dass Klaus Meine zu Beginn der Aufnahmen zwischenzeitlich seine Stimme verlor, hört man der Platte nur insofern an, dass die Scorpions bei ihren Hardock-Inszenierungen wie „Blackout“ oder „No One Like You“ präziser und gründlicher als je zuvor arbeiteten. Damals waren sie für Bands wie Bon Jovi große Vorbilder.

94. Sabbath Bloody Sabbath Black Sabbath Vertigo, 1973

Iommi fiel in L. A. nichts ein. Kurzerhand zog man in ein englisches Spukschloss. Hier kam endlich „the riff that saves Black Sabbath“, das Erkennungsmotiv des Titelstücks. Das Album wurde wieder ein Erfolg (Nr. 4 im UK, Nr. 7 in den USA), zum ersten Mal allerdings auch bei den Kritikern -weil Iommi mit Keyboarder Rick Wakeman das Sound-und Stil-Spektrum deutlich erweiterte.

95. Live After Death

Iron Maiden EMI, 1985

„Scream for me, Long Beach! Scream for me, Long Beach …“ Unerreichte, vor Spielfreude und Kraft nachgerade berstende Kompilation einer formidabel eingespielten Band. Zwei Gitarristen reichen völlig! Das Doppelalbum enthält Mitschnitte aus der Long Beach Arena, März 1985 (die ersten zwölf Songs), und dem Hammersmith Odeon, Oktober 1984 (die letzten fünf). Die reine Lehre. Ohne Overdubs, heißt es.

96. Cowboys From Hell

Pantera Atco, 1990

Das fünfte Album brachte nicht nur den Major-Deal, sondern auch die fulminante Abkehr vom Glam-Metal der frühen Pantera-Tage. In der Halbballade „Cemetery Gates“ scheint noch etwas Vergangenheit durch, Phil Anselmo beweist, dass er nicht nur laut schreien kann. Aber das Album besticht vor allem durch die tiefergelegten Riffs Dimebag Darrells und das wuchtige Zusammenspiel. Thrash zum Abtanzen.

97. Psalm 69 Ministry Sire, 1992

Die entscheidende Hinwendung zum und letztgültige Definition von Industrial Metal. Der oft an der Nadel hängende Al Jourgensen und sein Kompagnon Paul Barker vereinen hier Hüftschwung, Noise und Nackenschmerz. Die vielen Samples huldigen Horrorund Drogenfilmen, als Inspirationsquellen dienen Aleister Crowley und William S. Burroughs, als Feindbilder George Bush und Joseph McCarthy.

98. Hair Of The Dog Nazareth A&M, 1975

Die Band wollte das Album „Son Of A Bitch“ nennen, aber das wäre dann doch zu krass gewesen. Der Hardrock von Nazareth wurzelte immer noch im Blues, er hatte aber auch etwas Gemütliches an sich, was bestimmt an Dan McCaffertys erdiger Stimme liegt – bei der Ballade „Love Hurts“ besonders schön zu hören. Und die Schotten hatten nie Berührungsängste: Sie coverten auch Randy Newmans „Guilty“.

99. Lights Out UFO Chrysalis, 1977

Beim sechsten Studioalbum erlaubte sich die Band um den britischen Sänger Phil Mogg und den deutschen Sensationsgitarristen Michael Schenker ausufernde Streicherarrangements (das siebenminütige „Love To Love“ wurde prompt die erfolgreichste Single) und ein Love-Cover („Alone Again Or“), blieb im Herzen aber hart. Im Jahr darauf verließ Schenker die Band, danach war es nie mehr dasselbe.

100. Spreading The Disease Anthrax Megaforce, 1985

Anthrax, wichtige Wegbereiter für Thrashund Speedmetal, schafften mit ihrem zweiten Werk den großen Wurf: Der neue Sänger Joey Belladonna addierte Melodie zu scharf geschnittenen Mosh-Pit-Riffs, die mehr als bei den meisten Kollegen ihre Wurzeln im US-Hardcore haben (remember S.O.D.?). Dazu hatten Anthrax etwas, das dem Genre meist abging: Humor.

DIE JURY NIELS ANDERSEN, Oktober Promotion TOM ANGELRIPPER, Sodom JENS BALZER, „Berliner Zeitung“, RS JAN BAYATI, Bottom Row HENNES BENDER, Comedian DANIEL BÖHM, „Rocks“ SIMONE BÖSCH, „Classic Rock“ ANDREAS BORCHOLTE, „Spiegel Online“ BIRGIT BRÄCKLE, Brooke-Lynn-Promotion TILL BURGWÄCHTER, Autor NIBBS CARTER, Saxon SABINA CLASSEN, Sängerin Holy Moses ANDREAS DÄRMANN, Universal CHRISTOPH DALLACH, „KulturSpiegel“ ALEXANDRA DÖRRIE, Another Dimension INGO DONOT, Sänger Donots CHRISTIANE FALK, Moderatorin „Eins live“ HORST E. FRANZ, Veranstalter „Bang Your Head“, „Rock Of Ages“ BIRGIT FUSS, Redaktion RS ANGELA GOSSOW, Sängerin Arch Enemy TORSTEN GROSS, „Spex“ OLIVER HAHN, SPV JO HALBIG, Killerpilze JOACHIM HENTSCHEL, „Süddeutsche Zeitung“, RS WOLFGANG HERTEL, „Glamour“ ANNETTE HOPFENMÜLLER, Filmemacherin ACHIM KARSTENS, EarMusic PETER KLAPPROTH, Pirate Smile EDGAR KLÜSENER, Autor ALBERT KOCH, „Musikexpress“ JAKOB KRANZ, „Radio Fritz“ GERNOT KREBS, „Metal Hammer“ UTE KROMREY, Promotör HANSI KÜRSCH, Sänger Blind Guardian CHRISTOF LEIM, Autor ANJA LOCHNER, „Jolie“ DANI LÖBLE, Drummer Helloween KLAUS MEINE, Scorpions WOLF-RÜDIGER MÜHLMANN, „Rock Hard“, Sure Shot Worx ALEXANDER MÜLLER, Autor RS RALF NIEMCZYK, Redaktion RS PATRICK ORTH, JKP DORO PESCH, Sängerin GUNTHER REINHARDT, „Stuttgarter Zeitung“, RS TORKJELL ROD, Sänger Audrey Horne WOLFGANG ROTT, CMM-Marketing TOBIAS SAMMET, Avantasia, Edguy FRANK SCHÄFER, „NZZ“, Autor RS MICHAEL SCHENKER, Musiker RUDOLF SCHENKER, Scorpions JÖRN SCHLÜTER, Autor RS ANKE SCHNEIDER, Warner MARKUS SCHNEIDER, „Tagesanzeiger“, RS BIRGITT SCHWANKE, GerMusica MARK SIKORA, Autor BASTIAN SOBTZICK, Sänger Callejon SPECKI T.D., In Extremo GREGOR STÖCKL, Musik-Manager FRANK THIESSIES, „Metal Hammer“ CHRIS VON ROHR, Produzent, Krokus JAAP WAAGEMAKER, Nuclear Blast JUTTA WEINHOLD, Sängerin JAN WIGGER, „Spiegel Online“ SEBASTIAN ZABEL, Redaktion RS THORSTEN ZAHN, „Metal Hammer“

WEITERLESEN IN DER APP: Die Top Ten von Doro, Chris von Rohr, Angela Gossow, Rudolf Schenker, Ingo Donot u. v. a.

PENTAGRAMM

Die Spitze muss nach unten zeigen. Das ist das Erste, was man als Metal-Fan über das Pentagramm lernt. „Invertiert“ nennt man das in der Fachsprache, und nur so gilt der fünfzackige Stern als Satanssymbol, als magisches Zeichen für das Böse. Natürlich soll das Ding vor allem provozieren -die norwegische Black-Metal-Band Gorgoroth nannte ihr Debüt gleich „Pentagram“, da blieben keine Fragen offen. Mit Kreis drumherum (wie auf dem Cover von Mötley Crües „Shout At The Devil“ oder Venoms „Welcome To Hell“) heißt es eigentlich Pentakel – und ursprünglich sind beides heidnische Zeichen, die eigentlich mit dem Teufel nichts zu tun haben.

HART VON A BIS Z

Hardrock-und Metal-Bands geben sich traditionell extrem viel Mühe mit ihren Schriftzügen. Auf T-Shirts und Kutten sollen die Logos eben prägnant sein. Von AC/DC über Dio und Metallica bis Led Zeppelin erkennt man viele schon am ersten Buchstaben – und Black-Metal-Bands gern daran, dass man bei all den fiesen Schnörkeln kaum lesen kann, wie sie heißen.

AUFLÖSUNG: A = VAN HALEN, B = KISS, C = DEF LEPPARD, D = MEGADETH, E = OZZY OSBOURNE

TEUFELSGRUSS

Es gibt viele Namen für die klassische Begrüßungsgeste, die in Italien schon lange als „Mano cornuta“ existiert – und dort eher abschätzig verwendet wird. In Metal-Kreisen symbolisieren die Finger die Hörner Satans und werden deshalb auch „Teufelsgruß“ genannt -oder „Pommesgabel“ von denen, die es nicht allzu ernst nehmen. Aber Vorsicht: Wenn man den Daumen abspreizt (wie Nikki Sixx es früher gern tat), dann ist es das Gebärdensprachenzeichen für „Ich liebe dich“.

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