Happy Birthday, Paul Simon!

Der große Songwriter wird 73. Aus unserem Archiv: eine Rezension der fünf Studioalben von Simon & Garfunkel

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Simon & Garfunkel – die Studioalben

aus ROLLING STONE 10/2001

von Franz Schöler

Die fünf Studio-LPs des fabelhaften Duos, noch einmal remastered

Der Auftritt war kurz, aber denkwürdig. Wie Woody Allen in „Annie Hall“ einen anderen Stadtneurotiker – seinen New Yorker Kollegen Paul Simon – als kalifornischen Musik-Mogul Tony Lacey total gegen dessen Image besetzte, entbehrte als Insider-Joke nicht einer gewissen Komik. Dass der sich nicht für Diane Keatons musikalische, sondern ganz andere Talente interessierte und ihr nur an die Wäsche wollte, war klar. Auf die Idee, Paul Simon diese Rolle spielen zu lassen, war Woody Allen möglicherweise verfallen, weil der zwei Jahre zuvor ein Lied zum Thema „50 Ways To Leave Your Lover“ geschrieben hatte – das dann der größte Hit seiner Solo-Karriere wurde. Aber zu seinem Image als Feingeist unter den Singer/Songwritern seiner Generation passte diese Rolle gewiss nicht.

Seine Karriere wäre mit Sicherheit ganz anders verlaufen, hätte nicht Produzent Tom Wilson die Idee gehabt, eine ganz à la Peter, Paul & Mary gefällig arrangierte Folk-Ballade mit dem Titel „The Sound Of Silence“ eigenmächtig zu „elektrifizieren“ und damit denselben Effekt zu erzielen wie Alan Price mit seinem Arrangement für die Animals-Aufnahme von „The House OfThe Rising Sun“. Zum Folk-Rock umfunktioniert, wurde „The Sound Of Silence“ ein Millionenseller zu einem Zeitpunkt, als sich das Sangesduo Simon & Garfunkel nach einer total erfolglosen Debüt-LP längst schon wieder getrennt hatte und jeder seiner Wege ging. Für „Wednesday Morning, 3 AM.“ (2,5 Sterne) hatte Simon mit ,Bleecker Street“ einen weiteren romantisch-nostalgischen Folksong geschrieben. Im Übrigen war diese Kollektion mit vielen Cover-Versionen nicht gerade der Stoff, aus dem Legenden geboren werden.

Das änderte sich schlagartig mit den neuen Songs dem nächsten, jetzt von Bob Johnston als Produzent betreutem Album „Sounds Of Silence“ (3,5). Diese von biblischen Themen („Blessed“), nostalgischen und Einsamkeitsgefühlen („Leaves That Are Brown“, „Somewhere They Can’t Find Me“, „I Am A Rock“) und Selbstmördern („A Most Peculiar Man“, „Richard Cory“) handelnden Lieder zeugten – auf ganz unterschiedliche Weise zur Identifikation einladend dann doch erstmals von anderer Songschreiber-Klasse. Was immer Paul Simon bei seinem England-Trip von Kollegen wie Davey Graham und Bert Jansen abgeschaut hatte, trug da reichlich Früchte. „Kathy’s Song“ war ein so schlichtes wie klassisches Liebeslied, und die zwei folgenden Top-Ten-Hits („Homeward Bound“ und „I Am A Rock“) wurden zum soliden Fundament für die Karriere der beiden Freunde. Deren künstlerische Zweck-Ehe sollte erst in die Brüche gehen, als nach Millionenhits wie „Mrs. Robinson“ und „Bridge Over Troubled Water“ niemand mehr bezweifeln konnte, wer das kreative Genie in diesem Bündnis war.

Für die dritte LP „Parsley, Sage, Rosemary & Thyme“ (4,0) hatte Simon eine „Simple Desultory Philippic“ geschrieben, in der er – nicht ganz ernst gemeint – sang: „I been Mick Jaggered, silver daggered/Andy Warhol, won’t you please come home?“ – und auch: „I been mothered, fathered, aunt and uncled/ Been Roy Haleed and Art Garrunkeled.“ Die Partnerschaft mit besagtem Roy Halee sollte auch die Trennung von Artie überdauern.

Als der Tonmeister und Co-Produzent betreute Halee dann „Bookends“ (5,0), die beste aller Simon- &-Garfunkel-Platten und die bis dahin wohl auch reifste Leistung des Songpoeten. „I’m habitually feelin‘ kinda blue“ bekannte er da in „Overs“ und sinnierte – wie gesagt: ein Stadtneurotiker – über New Yorker ennui mit Versen wie „No good times, no bad times/ There’s no times at all/Just the New York Times/ Sitting on the windowsill near the flowers.“ Sicher keine Anspielung auf das Miles-Davis-Album, nur der Blues desselben jüdischen Jungen, der zu dem Zeitpunkt in „America“ noch Freundliches über das eigene Land zu sagen wusste.

Ein noch größeres Produktions-Kabinettstück als „Bookends“ war das nächste Album, der Schwanengesang des Duos – mit genial arrangierten Popsongs wie „The Boxer“, „The Only Living Boy In New York“ und „Cecilia“. Ein noch grandioserer Produzenten-Triumph sollte Halee viele Jahre später mit “ Graceland“ gelingen. Bis dahin setzte erst einmal „Bridge Over Troubled Water“ Maßstäbe. Wer nur den Pseudo-Live-Mitschnitt von „Bye Bye Love“ kennt, darf sich jetzt wundern: Everly Brothers-Klassiker von deren „Songs Our Daddy Taught Us“LP wie „Barbara Allen“ und „Roving Gambler“ nahmen die beiden nach (!) den „Bridge „-Sessions in sogar noch weit besseren Interpretationen auf, mochten die aber aus welchen Gründen immer nicht für dieses Album freigeben. Diese späten Outtakes tauchen jetzt erstmals – merkwürdiger Anachronismus – als Bonus-Tracks auf dem Remaster von“Sounds Of Silence“ und nicht als Finale auf Opus 5 auf! Etliche Studio-Outtakes („Feuilles-O“ und eine ganz hinreißende Aufnahme von Jackson C. Franks „Blues Run The Game“) waren schon auf dem „Old Friends“-Box Set nachgereicht worden.

Für „Old Friends“ schon komplett remastered, nahm Vic Anesini bei der jüngsten Überspielung der fünf LPs (die im übrigen auch „boxed“ als“The Complete Studio Recordings 1964-1970″ erhältlich sind) ein paar kleinere klangtechnische Retuschen vor.

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