Immer der Zukunft auf der Spur: Michael Reinboth, Mitglied der Elektroniker Beanfield und Chef des Labels Compost Records

Michael Reinboth redet nicht vieL Meistens lächelt er nur. Es ist ein schmales, ja wissendes Lächeln. Aus gutem Grund, denn der DJ aus München hat bereits mehr gesehen als andere Menschen seines Alters: Anfang der Achtziger gehörte er zu den Erfindern von -Elaste“, der ersten deutschen Lifestyle-Zeitschrift, die später von der zeitgeistigen „Tempo“-Redaktion kräftig kopiert wurde. Danach ernannte ihn eine Zigarettenmarke zum „Minister Of Nighdife“ und Reinboths leicht rundliches Gesicht blickte würdevoll von jeder zweiten Plakatwand der Republik. Mit dem erklecklichen, leicht verdienten Honorar wollte er etwas Sinnvolles anfangen, deshalb gründete er das Label Compost Records. Dort erscheinen seither ausgesprochen geschmackvolle Platten zwischen HipHop, Funk, Jazz und Electronica, die Musik von Rainer Trüby, Jazzanova, Fauna Flash – und natürlich die beliebt-beachdiche Compilation-Reihe „The Future Sound Of Jazz“, deren sechste Folge vor kurzem erschienen ist.

Auch „Human Patterns , das zweite Album von Beanfield, wird auf Compost veröffentlicht. Das ist naheliegend, schließlich ist Reinboth selber ein Teil des Trios, zu dem auch Tobias Meggele und Jan Krause gehören. Die beiden sind zwei ziemlich nette, aber auch sehr unterschiedliche Menschen: Der Pianist Tobias sieht aus wie ein Snowboarder aus gutem Hause – sportlich, gebräunt, aber sensibel. Der Bassist und Sampling-Experte Jan wirkt dagegen wie ein asketischer Intellektueller mit blassem Gesicht, randloser Brille, militärisch kurzen Haare. Natürlich ist es Jan, der in seinem Studio die Aufnahmen durchfuhrt. Stundenlang kann er über die vielen technischen Details einer Plattenproduktion reden. Wenn er die Samplingtechniken erklärt oder die verschiedenen Gerätschaften vorstellt und über die einzelnen Arbeitsschritte spricht, die zu dem Entstehen des Albums führten, dann sollte der Zuhörer ernst und kennerhaft nicken und so tun, als wüsste man, wovon er spricht: „Modale harmonische Strukturen versuchen, den naheliegenden Klischees aus dem Weg zu gehen“. Und klingt die Platte tatsächlich so? Eigentlich nicht.

Wenn man die Musik Beannelds erklären möchte, dann sagt man zu Menschen über 30 besser: „Das ist eine Art moderner Fusion-Sound“, so Weamer Report für die Neunziger, na du weißt schon. Den Jungen sollte man eher etwas von „mellow Drum’n’Bass“ erzählen, vielleicht noch den Namen des renommierten Jazz’n‘ Breakbeat-Produzenten Peshay fallen lassen. Doch egal aus welcher Perspektive man „Human Pattems“ erfasst: Beanfield klingen ungemein virtuos irgendwie nach alter Jazzrock-Schule.

„Wir arbeiten natürlich mit vielen Samples. Doch bis auf eine Ausnahme bleibt es nahezu unmöglich, diese zu identifizieren“, erklärt Michael Reinbodi. Als DJ besteht seine Aufgabe unter anderem in der Auswahl dieser Musikschnipsel, die dann als Sounds und Ton-Rohmasse ausgiebig bearbeitet werden. Material ist genug vorhanden -Reinboths Sammlung umfaßt 50000 Platten. Aber ganz genau weiß er das selber nicht: „Einen großen Teil davon werde ich bestimmt in meinem ganzen Leben nicht mehr auflegen“, meint er mit einem entschuldigenden Lächeln. Dabei hört der Enddreißiger verdammt viel Musik. Seit über 10 Jahren betreibt Reinboth in seiner Heimatstadt München außerdem noch seinen Club „Into Something“.

Krause ist ebenfalls recht umtriebig: Gerade arbeitet er mit seiner zweiten Band Poets Of Rhydim an dem Debüt-Album, das im nächstenjahr auf Mo‘ Wax erscheinen soll. Und auch Compost hat gute Kontakte zum Rest der Welt: Die Firma wurde kürzlich erst im Branchenblatt „Billboard“ gepriesen und verkauft längst mehr als die Hälfte ihrer Platten ins Ausland. Sicher auch deshalb, weil der Sound so wunderbar passt zu Musik, wie sie auf Gilles Petersons Talking Loud erscheint, auf Nuphonic oder Yellow Productions. Und wenn für den Europa-Rat mal ein Botschafter des guten Groove gebraucht wird, dann sollte man unbedingt an Michael Reinboth denken – der Mann war schließlich schon mal Minister.

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