Interview mit Other Lives: Folkmusik ist Filmmusik

Seit zwölf Jahren machen Other Lives „Lo-Fi Epic“: üppigen, aber nie überladenen Indie-Folk-Rock. Jetzt erscheint ihr neues Album, „Rituals"

Radiohead sind erklärte Fans, die Lieder der US-Band tauchten im Serienklassiker „Grey’s Anatomy“ auf und das Debütalbum „Tamer Animals“ von 2011 wurde von der Kritik gefeiert. Dennoch ist Other Lives, bestehend aus den Multiinstrumentalisten Jesse Tabish, Jonathon Mooney und Josh Onstott, noch immer ein Geheimtipp. Ihre Musik klingt wie die Prärie, aus der sie kommen: weit und erdig. Mit der neuen, leichtfüßigeren Platte „Rituals“, die am 1. Mai erscheint, könnte der Durchbruch gelingen. Wir sprachen mit Sänger Jesse Tabish.

Rolling Stone: Wie würdest du die Musik von Other Lives in drei Worten beschreiben?

Jesse Tabish: (überlegt) Lo-Fi Epic. Das gefällt mir ganz gut.

RS: Inwiefern unterscheidet sich das neue Album „Rituals“ vom Vorgänger „Tamer Animals“?

JT: Es ist ziemlich anders. Wir wollten neue Wege erkunden. Wir haben so lange Zeit Folk gemacht. Wir wollten eine farbenfrohe Platte kreieren und Dinge ausprobieren, die wir nie zuvor getan haben. Dabei versuchten wir, die Grundlagen beibehalten, aber auch unsere musikalische Kraft zu erweitern.

RS: Ihr habt als Instrumentalband angefangen. Was waren bei der neuen Platte eure Einflüsse?

JT: Wir haben die letzten zehn Jahre Klassik gehört, zum Beispiel Philip Glass. Diesmal hörten wir Musik, die wir zuvor nie gehört haben, zum Beispiel Talking Heads, Dr. John, Moondog; Alben, die man gehört haben sollte, ähnlich wie diese „Bücher, die man unbedingt gelesen haben muss“ in der Highschool, es aber nicht macht, bis man dreißig ist.

RS: Ihr klingt nicht mehr ganz so melancholisch wie früher.

JT: Ich bin immer noch manchmal melancholisch, aber die neuen Stücke sind heiterer. Ich konzentriere mich nun mehr darauf.

RS: Gibt es dafür einen bestimmten Grund?

JT: Vor einem Jahr habe ich geheiratet. Es hebt einem das Herz empor, mit jemandem zusammen sein, den man mehr liebt als sich selbst.

RS: Eure Musik wird oft als „filmisch“ beschrieben, sie wurde schon mit Ennio Morricone verglichen. Woher kommt dieser Sound? Seid ihr Film-Fans?

JT: Ich sehne mich nach dieser Qualität in Filmen, wo Musik ohne Text passiert und weniger linear ist. In Popsongs schickt man den Hörer in eine Richtung: Darum geht es, da endet es. Instrumentalmusik erlaubt dem Hörer, mehr teilzunehmen. Wir möchten diese instrumentale Note in unseren Liedern, wir möchten diese große, epische Qualität, über einen Popsong hinauszugehen.

RS: Hast du einen Lieblingssoundtrack?

JT: Bei „2001: Odyssee im Weltraum“ gibt es pastorale Momente, wo die Musik und der Film nebeneinander existieren.

RS: Wie habt ihr, vor diesem Hintergrund, begonnen, Texte zu eurer Musik zu schreiben?

JT: Das war ein natürliches Fortschreiten. Als Jugendlicher habe ich in Punkbands gesungen, ich liebe Punkrock immer noch. Mit achtzehn fing ich an, Klavier zu spielen und verliebte mich in klassische Musik. Manchmal ist zuerst die Melodie da, manchmal die Gesangsstimme, es kommt alles in einem Flow, wenn man präsent ist. Bei Kunek, der Band, aus der Other Lives hervorgegangen ist, habe ich über Politik und Gesellschaft geschrieben, beim Album „Tamer Animals“ war das Thema die Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt. Bei „Rituals“ ist es das Verhältnis zwischen Rationalität und Emotionalität im Individuum.

RS: Radiohead sind eure Fans, sie lieben „Tamer Animals“. Wie war es mit ihnen auf Tour?

JT: Es war, als wird ein Traum wahr: Man darf mit seinen Helden spielen! Es hat so Spaß gemacht. Es war ein Beispiel dafür, wie die beste Band auf dem Planeten live spielt, und das war sehr inspirierend.

RS: Radiohead ist die beste Band der Welt?

JT: Ohne Zweifel. Ich finde es schwer, eine Band zu finden, die sie live toppt.

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