Interview: Phil Collins

Der Trommler über seine Soundtrack-Arbeiten, das neue Album, seine partielle Taubheit und das häusliche Glück

Es wirkt fast wie ein Akt der Erleichterung: Zur offiziellen Vorstellung des neuen, lange als unwahrscheinlich gehandelten Albums von Phil Colüns bittet die Plattenfirma des Künstlers zum ganz großen Bahnhof. In der Hamburger Elb-Lounge, einem altehrwürdigen Herrschaftshaus mit illuminiertem Park und kristallenen Kronleuchtern, gibt’s Sushi, Tintenfisch und anderes Adelsessen, das ganz gut zu all den Menschen in Abendgarderobe passt Auch Collins selbst ist da und stellt sich im Showteil des Abends den netten Fragen eines anderen, extra angemieteten Veteranen des Biz: Alan Bangs, edel ergraut und ansonsten ganz derselbe, fragt nach der Familie, der neuen Platte und dem Geburtstagskonzert der Queen. Collins erzählt davon, wie es war, „Paranoid“ spielen zu müssen, und dass der Soap-Ozzy ihm zum Dank ein leeres Fotoalbum geschenkt habe. Das ist originell.

Beim persönlichen Treffen am nächsten Morgen widerspricht Collins erfreulicherweise dem eigenen Klischee.Obschon ein freundlicher Mann, ist der Wahlschweizer nicht der ganz und gar offene, für jeden zu habende Sympath, sondern einer, der die Distanz wahrt und hinter schnellen Sätzen eine gewisse Anspannung deutlich werden lässt. Glaubhafter als ein Dauergrinsen ist das allemal.

Eine Zeit lang sah es so aus, als würde man neue Musik von Phil Collins nur noch auf Disney-Soundtracks zu hören bekommen.

Ich habe mich lange dagegen gesperrt, ein neues Album zu machen man muss dann ja immer auf Tour gehen, und daran habe ich kein Interesse mehr. Ich höre auf einem Ohr nicht mehr viel, ich habe eine Familie und bin schließlich auch nicht mehr der Jüngste. Ich bin gern zu Hause.

Als Refugium ist der Genfer See ja keine schlechte Wahl.

Es ist ein Leben wie in diesen alten englischen Schwarzweißfilmen – fast zu schön, um wahr zu sein. Ich habe in einem kleinen Ort zwischen Lausanne und Genf das Haus von Jackie Stewart gekauft. Es hat drei Garagen.

Ist denn ein Album ohne Tournee so abwegig?

Ich konnte das lange nicht mal denken. Als meine erste Ehe zerbrach, war ich mit Genesis auf Tour und saß in einem Hotelzimmer irgendwo in Schweden. Die Jungs waren bei mir und bemitleideten mich. Warum ich denn nichts gesagt hätte, haben sie gefragt, dann wären wir halt nicht auf Tour gegangen. Nicht auf Tour gegangen? Ich hatte nicht gewusst, dass das eine Option gewesen wäre. Das ist jetzt anders, und ich stecke gerade in einer Art Umerziehungsprozess mit meinen Geschäftspartnern, damit sie das verstehen.

Soundtracks allein machen doch nicht glücklich?

An dem Tag, als „Tarzan“ in die Kinos kam, saß ich mit den Typen aus dem Animation-Department zusammen, und sie baten mich, einen weiteren Soundtrack zu machen. Da fiel die Entscheidung, ein reguläres neues Phil-Collins-Album aufzunehmen – wenn ich das noch mal durchstehen wollte,musste ich zunächst einen Ausgleich schaffen.

Was war an der Arbeit für „Tarzan“ so schlimm?

Filmleute scheren sich nicht um Musik. Ständig sollst du da einen Vers herausschneiden und da einen Refrain mehr singen, das ist schon manchmal zum Haareraufen. Für den Tarzan-Soundtrack habe ich außerdem noch eine Bandmaschine benutzt, und das war natürlich schrecklich. Immer, wenn irgendjemand der Disney-Herren etwas anders haben wollte, musste ich den ganzen Song komplett noch mal aufnehmen. Fünf-, sechsmal bei manchen Songs! Die kamen zu mir und sagten: ,Mach das mal drei Sekunden kürzer!‘, und ich sagte: ‚Oh, mein Gott!‘.

Vermutlich eine schlimme Erfahrung für einen Perfektionisten. Es ist ja nicht wahr, dass ich ein Perfektionist bin. Wer sagt bloß so was? Es heißt ja immer, dass man ja zu seiner Musik geradezu getrieben und von höchster Stelle inspiriert sein soll, aber so aufregend ist es meistens nicht. Ich stell mich halt vors Mikro und singe irgendwelche Worte, aus denen ich dann hinterher einen Sinn zu machen versuche.

Scheint ein gutes Konzept zu sein.

Ganz ehrlich: Es ist mir furchtbar peinlich, wieviel Erfolg ich bislang hatte, wo ich doch weiß, dass das alles pures Glück war. Das hängt wohl davon ab, wie man Glück definiert. Du kannst froh sein, wenn du einen guten Song hinkriegst. Dann kannst du froh sein, wenn ihn jemand herausbringen will. Und dann kannst du froh sein, wenn ihn eine Million Leute kaufen.

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