Jackson vor der Kamera

Michael Jackson und die Filmkamera: Eine Kombination, die für absolut stilprägende Videoclips steht. Eine Karriere in Hollywood, immer wieder „angekündigt, blieb dem "„King of Pop" dennoch verwehrt.

Michael Jackson war es gewohnt, dass sich seine Träume erfüllten – oder ihm zumindest erfüllt wurden. Nur bei seinem sehnlichsten Wunsch konnte ihm keiner helfen: Der Sprung zum Superstar vor den Filmkameras Hollywoods blieb ihm versagt. Nicht, dass er es nach seinem Filmdebüt als Vogelscheuche in „The Wiz“, Sidney Lumets REtB-Musical-Version von „The Wizard Of Oz“ aus dem Jahr 1978, nicht immer wieder versucht hätte. Aber selbst Freundschaften (oder zumindest Bekanntschaften – man weiß ja, wie das mit Freundschaften im Showgeschäft so ist) mit den ganz Großen im Filmbetrieb, zu Francis Ford Coppola, George Lucas oder Martin Scorsese, fruchteten nicht. Mit großem Tamtam angekündigte Produktionen blieben unrealisiert. Seine größte Errungenschaft als Filmstar blieb „Captain Eo“, ein 17-minütiger 3D-Film, 1986 von Coppola inszeniert und Lucas produziert, der bis 1998 in diversen Disney-Themenparks gezeigt wurde. Eine eher kuriose Kreuzung aus „Krieg der Sterne„, „„The Wizard Of Oz“ und „„Captain Future“, die immer dann albern wirkt, wenn Michael Jackson gezwungen ist, über seinen eigenen Schatten zu springen und zu spielen, also nicht er selbst zu sein.

Sein schauspielerisches Talent mag begrenzt gewesen sein, seine Gabe zur Selbstinszenierung indes nicht. Sie prädestinierte ihn dazu, ein anderes visuelles Medium zu revolutionieren: Gäbe es den Videoclip nicht und Jacksons revolutionäre, bahnbrechende Beiträge zu dieser Kunstform, wäre Michael Jackson niemals der globale, alles überragende Superstar geworden – und MTV hätte niemals den Satz aus der Nische in den Mainstream geschafft. Erst als man nicht mehr nur hören, sondern auch sehen konnte, welch ein großartiger, charismatischer Musiker er war, konnte seine Karriere richtig abheben. Weil es Jackson gelang, sich als öffentliche Kunstfigur zu inszenieren, er mit jedem Video ein neues Manifest ablieferte, eine Pressemitteilung für die ganze Welt, eröffnete er dem Pop völlig neue Dimensionen – ein fortwährendes Frage-und-Antwort-Spiel zwischen sich, seinen Fans und den Medien.

Zwar hatte es bereits für „„Don’t Stop Til You Get Enough“ zur Promotion des Albums „Off The Wall“ einen ersten, gar nicht mal uncharmanten Clip gegeben. Doch erst mit „Billie Jean“, inszeniert von Steve Barron, der Jackson in einem völlig neuen Look vor einem Paparazzo entfesselt davontanzen und dabei jeden Schritt aufleuchten ließ, schöpfte er die Möglichkeiten des Mediums angemessen aus. Bis dahin hatte MTV vorrangig Rockmusik abgespielt und um schwarze Künstler einen großen Bogen gemacht. „Billie Jean“, von dem bis dahin unbedeutenden Sender erst auf Druck von Jacksons Plattenfirma CBS ins Programm genommen, änderte das über Nacht.

„„Beat It“ (Regie: Bob Giraldi) zementierte den Erfolg, mit Eddie Van Halen und einem Haufen angeblich realer Gangmitglieder an der Seite des King of Pop. Dass fortan nur noch das Größte und Ausgefallenste gerade gut genug war, unterstrich Michael Jackson mit „„Thriller“. Er engagierte dafür den gerade mit „„An American Werwolf In London“ erfolgreichen John Landis, musikerfahren durch „Blues Brothers“, und kreierte eine 14minütige Minioper, die sich genussvoll vor dem Horrorgenre verbeugte und so erfolgreich war, dass MTV sie trotz ihrer Länge zweimal stündlich ausstrahlen musste. Als vier Jahre später „„Bad“ erschien, sollten auch die dazugehörigen Videoclips neue Maßstäbe setzen. Zumindest war das die Absicht. Gewiss waren sie nicht mehr so revolutionär, frisch und anders wie „„Thriller“, aber zumindest der 18-minütige Kurzfilm zum Titeltrack war beeindruckend, von Martin Scorsese als aufregende Version der „West Side Story“ inszeniert. „„Smooth Criminal“, das erstmals in dem parallel veröffentlichten Promofilm „„Moonwalker“ zu sehen war, ließ Jackson gegen alle Gesetze der Schwerkraft verstoßen. Besser wurde es nicht mehr: „Dangerous“ war alles, aber nicht, was der Titel versprach. Jackson wollte jetzt die Welt heilen, und wenn Bombast und Pathos probate Mittel gewesen wären, wie im entsprechenden Clip zu „Heal The World“ oder dem unfassbar schrecklichen „„Remember The Time“, dann würden wir jetzt in Frieden und Honig leben. „Black Or White“, wieder inszeniert von John Landis, klaute als erster Clip die Morphing-Effekte aus „„Terminator 2“.

Ein letztes Mal lehnte sich Jackson, der mittlerweile angesagten Filmemachern wie David Fincher („„Who Is 1t“) eine Chance gab und auch vor Exzentrikern wie David Lynch („„Dangerous“) nicht zurückschreckte, mit einem Clip aus dem Fenster: „Scream“ aus „„HIStory“ war eine teure Extravaganz, die aussah wie Science-Fiction aus Kaugummi. Michael und Schwester Janet schrien entmenscht in die Kamera. Es sollte ein aggressives Statement sein, wirkt aber rückblickend wie ein Hilferuf: Längst hat Jackson die Rolle, die er vor der Kamera immer perfekt gespielt hatte, nicht mehr im Griff: Er war sich selbst entglitten. Und wir sahen zu. Großes, trauriges Kino – auch wenn es für die Leinwand nicht gereicht hat.

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