Johnny Cash

Hand aufs Herz: Wo ist der Mann, der ihm das Prädikat „cool“ ernsthaft abstreitig machen könnte? Klar, Fehlanzeige. Johnny Cash ist der Ur-Stoff, Johnny Cash ist der Punk, der schon Punker war, als seine renitenten Enkel nicht einmal geboren waren.

Cash ist gut drauf dieser Tage. „American Recordings“, das von Rick Rubin produzierte Album, hat ihn in heutigen Hip-Zirkeln endgültig gesellschaftsfähig gemacht. Cash begegnet der Medien-Hysterie mit der ihm eigenen Dickfelligkeit. Wir sitzen in seinem Zimmer in LA’s „Four Seasons Hotel“, wo er nicht einmal unter Pseudonym eingecheckt hat.

„Ja, welchen gottverdammten Namen hätte ich denn sonst auch benutzen sollen?“, grummelt er. „Warum in Gottes Namen sollte ich diese Versteckspielchen mitspielen?“

Die Vorstellung von Johnny Cash in einer piekfeinen Edel-Herberge ist aber etwas gewöhnungsbedürftig…

Wo sonst sollte ich denn wohnen! Ich kenne hier in LA niemanden, bei dem ich gerne absteigen würde. Hotels sind nun einmal mein Leben. Und ich liebe den Room-Service.

Du hast behauptet, mit dem letzten Album einen völlig neuen Musikkosmos entdeckt zu haben.

Womit ich sagen wollte, daß ich einen neuen Teil von mir selbst entdeckt habe. Es war eine Reise in mein Innenleben, die ich rückblickend nicht missen möchte.

In jüngster Zeit bist Du in angesagten Bars und trendigen Hangouts aufgetreten, die mit den Spelunken und Honkytonks aus Deiner Vergangenheit so gar nichts gemein haben.

Solange ich auf eine Bühne klettern und meine Gitarre spielen kann, gibt es keine Unterschiede.

Aber fällt Dir denn nicht auf, daß sich heute vor der Bühne die Models nur so drängen? Du bist doch ein Mann in den sogenannten besten Jahren.

Natürlich fällt mir das auf. Kate Moss hab ich sogar erkannt.

Wie hast Du eigentlich Kate Moss für Dein Video zu „Delia’s Gone“ an Land gezogen?

An Land gezogen. (Lacht) Das hast Du aber schön formuliert. Nein, sie stand für das Video schon lange fest, bevor ich überhaupt davon wußte.

Warst Du überrascht, als Dich U2 einluden, auf „Zooropa“ „The Wanderer“ zu singen?

Überhaupt nicht. Ich bin mit den Burschen seit acht oder neun Jahren befreundet. Sie haben mich zu Hause in Tennessee schon zweimal besucht. Bono kam schon mehrfach zu meinen Gigs in Dublin; beim letzten Mal brachte er The Edge und Larry Müllen mit.

Ich holte sie auf die Bühne, und wir sangen „Big River“ zusammen. Bono hatte sich die Refrains auf seine Hand geschrieben und mußte sie sich beim Singen immer vor die Augen halten.

Nach der Show fragten sie mich, ob ich am nächsten Tag in ihrem Studio vorbeischauen wolle; sie hätten da einen Song für mich, der mich vielleicht interessieren würde. Wir nahmen die Nummer noch am gleichen Tag auf.

Wenn Du die Songs Deiner Tochter Rosanne hörst, wo das Saufen und Über-die-Stränge-Schlagen nicht zu kurz kommt: Hast Du dann primär professionellen Respekt – oder überkommen Dich so väterliche Gefühle wie „Mein Gott, das ist ja meine Tochter, die das singt“?

Derartige väterliche Gefühle hab ich nie in meinem Leben gehabt. Ich bin den gleichen Weg wie sie gegangen und kann ihre Erfahrungen nur allzu gut nachvollziehen. Und ich liebe sie um so mehr, weil sie ihre Dämonen besiegt hat. Ich war in ihrem Alter jedenfalls nicht so weit. Und ihre Songs liebe ich über alle Maßen. Einer handelt von mir und heißt „My Old Man“, und er ist phantastisch.

Letzte Frage: Ich habe gehört, daß Du bevor Du einen Leihwagen zurückgibst immer einen Big Mac unter das Sitzpolster schiebst, nur so aus Bock. Das wüßte ich aber. Die Story höre ich heute zum allerersten Mal. Zu meinem Glück kennst Du offensichtlich nicht die anderen Streiche, die ich so aushecke. Aber der hier, der stammt nun wirklich nicht von mir. Dann vielen Dank für das Interview und Deine Zeit…

Warte. Bevor Du gehst, möchte ich Dir was sagen, was ich noch niemand anderem gesagt habe: Kennst Du mein Album-Cover mit den zwei Hunden? Ich habe ihnen Namen gegeben: Sünde und Vergebung. „Sünde“ ist der schwarze mit den weißen Streifen, „Vergebung“ der weiße mit den schwarzen Streifen.

Das sagt alles über mein Leben: Wenn ich ein Arschloch war, war ich nie ein komplettes Arschloch. Und wenn ich versuchte, ein guter Mensch zu sein, hatte das leider auch seine natürlichen Grenzen. Die schwarzen Schatten in meinem Leben konnte ich nie völlig abschütteln.

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