Keanu Reeves: Der Mann mit der Maske hat Geburtstag

Er ist kein ausdrucksstarker Schauspieler. Aber man mag Keanu Reeves – weil er seine Grenzen überwinden will.

Er hatte nie wirklich eine Chance. Allein schon seine Rolle im Remake des Sci-Fi-Klassikers „The Day The Earth Stood Still“ von 2008 wirkt wie ein böser Scherz von Hollywood-Produzenten: Ein wortkarger, emotionsloser Außerirdischer besucht die Erde, um sie vor einer Ökokatastrophe zu bewahren. Der Gesandte wird von Keanu Reeves verkörpert; als hätten die Aliens geahnt, dass er mit eben seinem Antlitz, ebenmäßig, hübsch, harmlos, die Menschheit am ehesten von sich überzeugen würde. Dennoch stakst er hölzern durch überfrachtete Kulissen.

Keanu Reeves, der heute 52 Jahre alt wird, ist kein ausdrucksstarker Schauspieler. Er beherrscht vor allem die Wesensarten ernst, ernster und sehr ernst. Dafür nutzt er traditionell einen ausdruckslosen Blick mit leichter Stirnfurche. Seine größten Hits, die „Matrix“-Trilogie (ab 1999), „Speed“ (1994) und „Point Break“ (1991) hätten auch mit einem anderen Hauptdarsteller funktioniert, die Ideen waren größer als die Besetzung. Im Surfer-Thriller „Point Break“ war es ausgerechnet Patrick Swayze, selbst kein großartiger Akteur, aber als Krimineller nun mal gegen den Strich besetzt, der den Polizisten Reeves an die Wand spielte. Dem Gehampel von Al Pacino in „Im Auftrag des Teufels“ (1998), in dem dieser den Beelzebub mit seinem typischen Noch-rede-ich-gleich-schreie-ich-Manierismus verkörpert, wusste Reeves nur nackte Panik entgegen zu setzen. Man mag da kaum noch erwähnen, dass ausgerechnet sein bestes Werk, die Philip-K.-Dick-Verfilmung „A Scanner Darkly“ (2008), einen bearbeiteten Reeves zeigt: In Richard Linklaters Sci-Fi-Parodie wurden alle Darsteller überzeichnet und, einem Cartoon gleich, animiert. Jetzt sah Keanu erst recht aus wie ein perfekter Comic-Held.

Ähnlich wie im Falle seines Kollegen Tom Cruise mag man Reeves dennoch. Man mag ihn vor allem deshalb, weil er sich in seinen Rollen bemüht die eigenen Grenzen zu überwinden. Und wie Cruise ist er oft in Filmen zu sehen, die ihn als Retter der Welt in Szene setzen. Nur, dass Reeves seit der Jahrtausendwende keine Hits mehr gelingen. Auf den roten Teppichen ist der Mann mit der perfekten Körperhaltung immer gerne gesehen, er wirkt dann wie ein Model, das für Veranstaltungen gebucht wurde, von denen er sich selbst überraschen lassen will.

Mandelaugen, dunkle Stimme, Melancholie. Das hat man im Sinn, wenn an die zwei traurigen Schicksale erinnert wird, in die Reeves verwickelt wurde. 1999 wird zuerst seine Tochter tot geboren, wenig später stirbt seine Freundin bei einem Autounfall. Reeves‘ anschließende Rollenwahl, zumeist sind es Filme mit phantastischen Storys, wirken da fast wie eine Flucht aus dieser Welt. Dass der Ursprung seines hawaiianischen Vornamens „Keaweaheulu“ übersetzt „die ansteigende sanfte Brise“ bedeutet, verstärkt die Fantasie nur noch: Irgendwann weht er einfach weg.

Geradezu ausgelacht wurde er für seine Teilnahme in der Grunge-Band Dogstar, in dem Trio spielte er in den Neunzigern Bass. Die Gruppe veröffentlichte Alben, trat auf dem Glastonbury-Festival auf. Reeves verkörperte uneigennützig den Mann an den vier Saiten, klassischer Schweiger. Es war naiv von ihm zu glauben, das Publikum würde sich für seine musikalischen Fähigkeiten interessieren oder die Songs. Es ging hier nur um den hübschen Hollywood-Star auf der Bühne. Seinen Bass lieh er später Kim Gordon, sie benutzt ihn im Video des Sonic-Youth-Songs „100%“. Coole Aktion, nur strahlte sie nicht auf Keanu ab.

Vielleicht um Journalisten zu verarschen, vielleicht aber auch, weil er es wirklich so sieht, macht er sich in Interviews regelmäßig selbst klein. „Es gibt kluge Leute, und es gibt dumme Leute. Und ich bin nunmal dumm.“ Er sagt aber auch: „Ich bin Micky Mouse. Keiner weiß, wer sich unter meinem Kostüm verbirgt.“

Es gibt das ungeschriebene Gesetz, dass es Frauen über 40, spätestens über 50 in Hollywood schwer haben. Die Männer hätten es da einfacher. Man kann sich dennoch nicht vorstellen, welche Rollen Keanu Reeves in zehn Jahren noch übernehmen könnte.

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