Kele geht als „The Boxer“ in den Ring
Heute erscheint "The Boxer", das Solodebüt von Kele Okereke, dem Frontmann von Bloc Party. Unser Autor Frederic Schwilden schwört drauf, seit er der Live-Vorstellung des Albums im Berliner Weekend beiwohnen konnte.
Zugegeben „Intimacy“, Bloc Partys letztes Album, wusste nicht gänzlich zu überzeugen. Der Zwitter aus Elektronik und lärmendem Stampf stieß einem erst einmal vor den Kopf. Ohne Promo und großes Bohei kündigten Bloc Party damals drei Tage vor Veröffentlichung den neuen Tonträger an. Man konnte ja nicht anders als überrascht sein.
Weniger überraschend ist nun die Ausrichtung von Keles Solodebüt „The Boxer“. Genauso wie sich eine Handschrift im Laufe des Erwachsenwerdens von den ersten Schreibversuchen, über die Grundschule bis hin zu den Endzwanzigern stetig verändert, verfeinert und an Regelmäßigkeit gewinnt, entwickelte sich auch Keles musikalische Federführung.
Okereke hat musikalisch zu sich gefunden, ist angekommen, hat an Profil gewonnen, steht seit langem wieder voller Begeisterung auf einer Bühne, bedient Zuschauer und Zuhörer gleichermaßen. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht will Kele gar nicht mehr aufhören zu tanzen. Das Weekend, ein Berliner Club in der 12. und 14. Etage eines Hochhauses droht mit einem lauten Knall in sich zusammen zu fallen. Von den Fenstern aus kann man wartende Taxen und Gruppen von Tanz-und Trinktouristen ausmachen, die sich auf der Suche nach schlechtgemixten Cocktails zu überhöhten Preisen sicherlich in einer der anliegenden Touri-Schuppen fröhlich übers Ohr hauen lassen. Vom besten Konzert des Berliner Wochenendes werden sie nichts mitbekommen. Es wäre sowieso kein Platz mehr.
Bis in die entlegensten Winkel der unteren Etage, dort spielt Kele mit Begleitbänd, drängen sich die Leute. Direkt vor der Bühne verlieren sich die Feierwütigen in ausufernder Grenzenlosigkeit. Ein Übermütiger kann sogar vergessen, dass das Bier in seiner Hand vier Euro gekostet hat, spritzt einige Stöße auf den Nebenmann, verfehlt nur knapp den Gitarristen auf der Bühne. „T, E, N, D, E, R, O, N, I“, schreit Kele in sein Mikrofon, das Publikum tut es ihm gleich. „Tenderoni“ ist die erste Single-Auskopplung und sicher nicht für gemütliche Abende vor dem Kamin geschrieben worden. Kurze Zeit später wird Okereke endlich seinem sportlichen Outfit, einem Lakers-Basketball-Shirt, gerecht. Mit Anlauf springt er ins Publikum, welches ihn dankbar trägt und wie seinen Messias feiert.
Wieder zurück auf der Bühne beginnt der Schlagzeuger einen hedonistischen Marsch auf den Drumpads zu spielen. Kele ist Drillseargent und Rekrut in einer Person, singt vor und antwortet sich selber. Dazwischen zerfahrene, schwebende Gitarren und ein ständiges Klatschen. „Walk Tall“ heißt der Song, einige werden ihn schon im Internet gehört haben.
Nach einer gefühlten Viertelstunde und zwei Bloc-Party-Songs endet das knapp 45-minütige Konzert. Selbst die Nicht-Tänzer schwitzen. Nur vom bloßen Zuschauen. Man hat das erste Mal das Gefühl, dass Kele angekommen ist, sich nicht mehr routiniert genervt zeigt, sondern die Freude der Musik wieder entdeckt hat.
Hier geht es zum Stream der zwei Songs „Rise“ und „Walk Tall“ von Keles Solodebüt „The Boxer“.
Hier ein Live-Video von Keles „Tenderoni“-Performance in Dublin.
>>> Hier geht’s zum Download von „Tenderoni“ (Larry Tee and Backwith Remix)