Klang-Schüler: Deutsche Ausbildungsinstitute für Studiotechnik boomen

Ende Oktober vergangenen Jahres war Steve Lillywhite da. Der grammygekrönte Produzent (U2, Rolling Stones, Killers) besuchte im Rahmen einer Vortragsreise das neu eröffnete Abbey Road Institute in Berlin. Der 60-Jährige verriet mit launigen Anekdoten einige Tipps und Kniffe zu den Themen Recording, Mixdown und Mastering. Der Meister der Mischpulte, von dem Morrissey einst erzählte, dass er aus jedem das Beste herauskitzeln könne, ließ sich also ein wenig über die Schultern blicken.

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Lillywhite kam als Gastdozent auf den verwinkelten Charlottenburger Gewerbehof, und die Erstsemestler hingen an seinen Lippen. Als Ausbildungsinstitut des berühmten Londoner Studios ist das Abbey-Road-Team seit vergangenem Herbst in Deutschland auch in Frankfurt am Main vertreten; weitere Städte könnten folgen. Damit setzt sich ein Trend fort, den das in Sidney ansässige SAE Institute schon vor 40 Jahren erkannte: Die staatlichen Universitäten haben außerhalb der Musikhochschulen keine Expertise in der Ausbildung von Studio­personal sowohl für Klassik und Pop als auch für Werbejingles und Mood Music.

Die Nachfrage ist größer als das Angebot

Lange Zeit war diese Ausbildung eine Domäne privater Träger, die auch für die Fortbildung von Popmusikern zuständig waren. Mit der 2003 gegründeten Mannheimer Popakademie und dem Institut für Populäre Musik in Bochum hat sich das zwar geändert. Doch der staatlich finanzierte, viersemestrige Master-Studiengang „Populäre Musik“ im von der Strukturkrise gebeutelten Pott bildet bislang gerade mal zwei Dutzend Studenten aus.

Der Wunsch junger Menschen, sich im schillernden Popbiz als Künstler, Techniker oder Manager zu verdingen, ist größer als das Angebot. Dazu kommt, dass der akademische Duktus, der in den vereinzelten Pop-Ablegern der traditionellen Musik-Unis gepflegt wird, viele Aspiranten abschreckt. In diese Lücke stoßen Anbieter wie das British and Irish Modern Music Institute (BIMM), das seit Sommer 2015 in Berlin vertreten ist. Hier werden im Curriculum die Segmente Creative Musicianship, Songwriting und Music Business angeboten, was mit dem Lehrprogramm der Mannheimer Staatsakademie vergleichbar ist.

Nicht jeder Studioschulen-Absolvent wird der nächste Alan Parsons

Die dreijährige BIMM-Ausbildung kostet 7.450 Euro pro Jahr – rund 60 Eleven haben sich im ersten Berliner Jahr auf dieses Abenteuer eingelassen. Denn während das in neun deutschen Städten mit einem jeweils eigenen „Campus“ vertretene SAE Institute auf eine lange Reihe beruflich erfolgreicher Studio-Alumni verweisen kann, müssen die renommierten britischen Institute erst noch beweisen, dass sie nicht bloß teuer ausgebildete Hartz-IV-Kandi­daten hervorbringen.

SAE-Absolventen weisen immer wieder darauf hin, dass nicht jeder Studioschulen-Absolvent der nächste Alan Parsons wird – doch auch in der Film-, der TV- und der Werbe­branche werden Soundbastler gebraucht. Ob allerdings der nächste Brian Eno von einer Popakademie kommt, steht auf einem anderen Blatt. Nach zwölf Jahren können zumindest die Mannheimer mit einigen Stars und Sternchen für sich werben. Mal sehen, ob die nächsten Beatsteaks von der BIMM oder aus der Abbey Road kommen.

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