Klopapier und Flaschen für Oasis

Hitzewelle, verwirrte Ordner und tonnenweise Bier: In Nürnberg wurde der Rockfan unter Extrembedingungen getestet

Hier kommst du jetzt nicht durch!“ Ein Satz, den man nach drei Tagen „Rock im Park 2000“ nie wieder hören will. Ein oft gesagter Satz. Wo man vor zehn Minuten noch gern gesehen war, saß plötzlich ein kopfschüttelnder Security-Mann. „Sorry“ (von wegen), sagte er mit eiserner Miene, „Befehl von oben.“ Wer auch immer „oben“ war, er machte es den Festivalbesuchern nicht leicht. Vorm Alterna Tent durfte man wieder mal endlos anstehen, obwohl drinnen gar nicht viel los war; auf dem Weg dorthin wurden die Taschen gleich zweimal gefilzt. Getränke durfte man nur in kleinen Plastikfläschchen mitbringen, was bei 32 Grad im Schatten sehr sinnvoll ist. Die Ambulanz meldete einen extremen Anstieg in Sachen „Hitzeerschöpfung, Kreislaufkollaps und Sonnenstich“. An Schattenplätze hatten die Veranstalter leider nicht gedacht, aber Bier-Verkaufsstände gab es reichlich. Manche hatten gleich Gießkannen dabei, um mehrere Liter bunkern zu können („Strohhalm inklusive“).

Einige schafften schon am Freitag den Weg ins Frankenstadion nicht menr. Viel versäumten sie nicht, bloß die Eurythmics waren den Sonnenbrand wert. Zwar hatten sie sich nicht die Mühe gemacht, eine Band zusammenzustellen, aber in diesem Rahmen tat’s eine Greatest-Hits-Show mit Drumcomputer auch. Carlos Santana kam zwar mit seiner kompletten Combo, doch ohne Rob Thomas und Wyclef und die anderen, die sein Album so „supernatural“ gemacht hatten, war es nicht so spannend: Hippie-Kulissen, endloses Gefrickel, gähnende Zuschauer. Da wanderte man lieber zu den grandiosen Deftones ab und zu Slipknot, die ihr Schlagzeug abfackelten, weil es ja noch nicht warm genug war. Oder zu „Onkel“ Benjamin v. Stuckrad-Barre, der mit seinem Auftritt mehr Glück hatte als Mundstuhl am Sonnabend. Das Komiker-Duo wurde auf der Centerstage gnadenlos ausgebuht. Wegen des miesen Sounds war kaum ein Witz zu verstehen und die Show nach zehn Minuten beendet. Im Alterna Tent überzeugten indes Readymade und Tonic, während Embrace an ihrem alten Problem knabberten: Die Songs werden immer besser, die Stimme Danny McNamaras leider nicht. Zu dünn klingt sie für diese Musik, die doch so fulminant sein könnte. Und schüchtern ist der nette Kerl auch.

Ganz anders freilich Campino. Die Toten Hosen passen zu einem Rockfestival wie die Faust ins Gesicht. Sie geben Gas, sie machen keine Faxen, und ihre Lieder kann jeder mitsingen. Nur beim „Bayern“-Hasslied verweigerten sich einige. Vom Blick aufs randvolle Stadion etwas zu sehr enthusiasmiert, probierte Campi tatsächlich das alte Spiel aus und schrie „Whoa!“. Als die konzerterfahrene Masse mit „Whoa!“ antwortete, war es ihm doch zu blöd: „Das ist jetzt nicht euer Ernst, oder?“ Wohl schon. Schwamm drüber. Danach hätte man den Abend bei Travis ausklingen lassen können, wenn nicht Tausende dieselbe Idee gehabt hätten und schon längst vor dem Zelt standen, als die etwas Langsameren (wie ich) ankamen. Von der Wiese nebenan waren sie immerhin gut zu hören. Was will man mehr. Außer einem angenehmen Schlafplatz, vernünftigen Temperaturen und einem ordentlichen Essen.

Warum Matchbox Twenty am Sonntag schon um 14 Uhr antreten mussten, versteht kein Mensch. Aber Rob Thomas machte das Beste daraus, stellte vor allem neue Songs vor und überließ die Bühne nach nur einer halben Stunde seinen Freunden von den Counting Crows, die so viel Energie wie eine Packung Aspirin hatten. Ohne C Bush-Sänger Gavin Rossdale benutzte seine Gitarre zu einem Schnellkurs in Selbstbefriedigung. Bei Live fing es während „Selling The Drama“ an zu hageln. Gerade als man dachte, schlimmer geht’s nicht meht, kamen Oasis. Zur Ehrenrettung der Band, die lustlos ein paar Songs hinrotzte, sei gesagt: Eine Band ohne Noel Gallagher ist gar nicht Oasis. Auch wenn vorne ein Typ steht, der so arrogant aussieht wie Liam und ständig den Mittelfinger ausstreckt. Flaschen flogen, Klopapierrollen auch, und nach nicht mal einer Stunde war der Spuk zu Ende. Wenn die Worte „krönender Abschluss“ jemals Sinn machten, dann an diesem Abend: Pearl Jam wirkten gut gelaunt wie selten und spielten überwältigend wie eh und je. Danach wäre man zu gerne schnellstens nach Hause gefahren (Dusche! Kühlschrank! Bett!), doch da war dieser Ordner der zehn Meter, bevor das Auto erreicht war, die Hand hob und „Halt! Hier nicht!“ rief…

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