Kopenhagen / Arne Willander

„Copenhagen“ von Scott Walker

Er machte die schnellste Karriere eines Teenager-Idols: Sie dauerte von 1965 bis 1967, als die Walker Brothers sich trennten. Die Walker Brothers hießen nicht Walker und waren keine Brüder. Aber Noel Scott Engel nahm als Scott Walker seine Soloplatten auf. Neben anderen Balladen sang er Songs von Jacques Brel, die der Dichter Rod McKuen ins Englische übertragen hatte. Walkers dritte Platte, „Scott 3“, erschien 1969 – er hatte beinahe alle Songs (mit Ausnahme von drei Brel-Adaptionen) selbst geschrieben.

Walkers erstaunlicher Bariton ist noch immer in grandiose Orchester-Arrangements gebettet, aber jetzt fehlen die Refrains, und Walker führt seine Stimme an die Grenze ihres Vermögens ohne sie – anders als später – zu überschreiten. Das Pathos der Brel-Stücke ist einem poetischen Lakonismus gewichen, der immer als „Existentialisms“ bezeichnet wird.

„Copenhagen“ ist eine Allegorie auf die Liebe, wenn Walker singt: „Hope for me, I hope for you/ We’re snowdrops falling through the night/ We melt away before we land/ Two teardrops for somebody‘s hand.“ Dann aber spricht er nicht zu einer Geliebten, sondern zu der Stadt selbst: „Warmed my feet beneath cold sheets, dyed my hair with your sunny streets.“ Am Ende des zweieinhalbminütigen Songs wechselt er noch einmal scheinbar das Thema: „Children aren’t afraid to love and laugh when life amuses them/ And our life is an antique song/ For children’s carousels.“

Ausgerechnet in den „sonnigen Straßen“ von Kopenhagen wird das Haar des Erzählers gebleicht. Es stimmt also etwas nicht mit dem Lied. Oder es stimmt etwas nicht mit dem Sänger. Wie sich herausstellte, ist es der Sänger. Vielleicht sagt er mit diesem Lied aber auch, was der Kopenhagener Sören Kierkegaard schrieb: „Was ist Jugend? Ein Traum. Was ist Liebe? Des Traumes Inhalt.“ Wir erfahren nichts über Topografie in „Copenhagen“, aber wir erfahren etwas über eine Stimmung, nämlich die Melancholie des Tivoli, der Kirmes.

Am Ende der Platte singt er Brels tröstlichen Walzer „Sons Of“, den „Funeral Tango“ und „If You Go Away“. Das waren seine letzten Brel-Stücke. Im selben Jahr veröffentlichte Walker „Scott 4“, für das er sämtliche Songs selbst geschrieben hatte. Jetzt hatte er beinahe kein Publikum mehr.

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