„Malcolm Young zeigte Rock’n’Roll den Mittelfinger“: AC/DC über ihr stilles Genie

Brian Johnson und Angus Young erzählen hier, wie Malcolm Young für die Hymnen von AC/DC sorgte.

„Eigentlich habe mich noch nie wie ein Popstar gefühlt“, sagte Malcolm Young 2008 der US-Ausgabe des ROLLING STONE. „Für mich ist das eher ein gewöhnlicher Job.“ Wenn AC/DC auf der Bühne standen, dann befand sich der Gitarrist meist im Hintergrund, während sein jüngerer Bruder Angus im typischen Schuljungen-Outfit den Derwisch gab.

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Malcolm Young war immer der Stillste und Zurückhaltendste in der Band. Brian Johnson erinnert sich daran, wie die Rolling Stones die Gruppe 2003 zu einem kleinen Blues-Jam einluden. Young lehnte, anscheinend mit einer gewissen Übelkeit, ab. Johnson: „Es war wahnsinnig witzig zu sehen, wie Keith Richards und Ron Wood versuchten, ihn dorthin zu schleppen. Er sang ein bisschen mit ihnen und ging dann zurück zu den Verstärkern. So war er eben.“

Der am meisten unterschätzte Rhythmus-Gitarrist in der Geschichte des Rock’n’Roll

Es war das rhythmische Gespür, das Malcolm Young an der Gitarre bewies, das AC/DC jahrzehntelang antrieb. Aber obwohl er meist im Hintergrund agierte, war der am 18. November 2017 im Alter von 64 Jahren verstorbene Musiker ebenso integraler Bestandteil der Band wie sein extravaganter Bruder Angus. Er hat gemeinsam mit Angus, Johnson und seinem Vorgänger Bon Scott fast alle Hymnen von AC/DC geschrieben und viele brillante Riffs entwickelt.

„Angus war der unübersehbare Star, aber Malcolm war der mächtigste und der am meisten unterschätzte Rhythmus-Gitarrist in der Geschichte des Rock’n’Roll“, sagt Tom Morello.„Diese Band ist kompromisslos, was ihre Power angeht. Und der Grund dafür ist Malcolm und die Art und Weise, wie er gespielt hat. Das ist die tektonische Platte, auf der die AC/DC-Welt existiert.“

Malcolm verließ die High School mit 15 Jahren und begann zunächst als Mechaniker zu arbeiten, nachdem die Youngs von Schottland nach Australien umgesiedelt waren. In den frühen Siebzigern trat er zunächst einer Band bei, die irritierenderweise Velvet Underground hieß (und natürlich nicht mit der New Yorker Gruppe verwechselt werden sollte) – bevor er und Angus sich zusammenschlossen.

Treibende Kraft der Band

Obwohl Angus über seinen Bruder sagte, dass er ohne Probleme die Lead-Soli hätte spielen könnte, bevorzugte Malcolm es, für die musikalischen Grundlagen zu sorgen. Gleichzeitig war er aber die treibende Kraft der Band. Wie Angus 2016 der US-Ausgabe des ROLLING STONE sagte: „Malcolm war immer ein Mensch, der sich durchgekämpft hat. Auch in Zeiten der größten Krise sah er mich an und sagte: ‚Wir gehen da jetzt einfach rein und machen etwas Arbeit…schreiben ein paar Songs.‘ Er hatte einfach diesen Antrieb.“


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Für Brian Johnson ist klar, dass Malcolm Young immer der Tonangeber bei AC/DC war. „Malcolm war der Katalysator“, so der Sänger, der wegen seines in Mitleidenschaft gezogenen Gehörs zuletzt in den Vorruhestand gegangen war. Er erinnert sich an die Schreibsessions für sein erstes Album mit der Band, „Back in Black“ (1980), einer der größten Bestseller überhaupt in den USA. „Er kam mit einer Kassette und einem Notizblock in mein Zimmer und sagte: ‚Das ist wirklich raue Musik. Mal sehen, was dir dazu einfällt.‘ Ich sagte: ‚Wie lautet der Titel nochmal?‘ und er sagte: ‚You Shook Me All Night Long.‘ Ich sagte: ‚Das ist aber ein verdammt langer Titel!‘ Malcolm zeigte Rock’n’Roll den Mittelfinger und gab ihr einen Tritt in den Arsch.“

„Er war echt wie eine Maschine da oben auf der Bühne“, sagt Rick Nielsen von Cheap Trick, der in jungen Jahren mit AC/DC auf Tournee war. „Er meinte es total ernst und machte keine Fehler. Er war einfach eiskalt.“

Wie Malcolm Young den Alkohol besiegte

Ganz anders sah es allerdings mit Malcolm Youngs Privatleben aus. In den späten Achtzigern geriet sein exzessives Trinken außer Kontrolle. „Malcolm hatte ein Problem“, so sein älterer Bruder George, der im Oktober verstarb. „In unserer Familie ist es so, dass wir uns selbst darum kümmern, wenn wir ein Problem haben.“ Young bemühte sich nach Leibeskräften, von dem Teueflszeug loszukommen, nachdem er eine vollständige US-Tournee verpasst hatte. Und er fand zurück – zurück ins Leben und zu AC/DC. Als Megadeth vor einigen Jahren mit der Band auf Tournee ging, wunderte sich Dave Mustaine über ihren schrecklich soliden Lebenswandel: „Jemand sagte: ‚Kann ich Ihnen eine Flasche mit etwas bringen?‘ und jemand anderes sagte: ‚Alles, was sie tun, ist Tee trinken und Zigaretten rauchen.’“

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Youngs Demenz wurde offensichtlich, so Brian Johnson, als AC/DC 2008 mit den Proben für die „Black Ice“-Tour begannen und der Gitarrist einige ihrer alten Songs neu lernen musste. Als sie mit der Postproduction von „Rock or Bust“ (2014) starteten, war er einfach nicht mehr gut genug, um seinen Beitrag zu leisten. Nur wenig später in jenem Jahr kam er in ein Pflegeheim in Australien. 2016 sagte Angus dazu, dass es schwer sei, mit ihm zu kommunizieren. „Ich ließ ihn stets wissen, wie sehr ihn alle vermissten.“

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