Malia – Mentale Befreiung

Auf ihrem neuen Album, einer Hommage an Nina Simone, singt Malia berühmte Songs in subtilen Jazz-Arrangements.

Ein Kind, das vor einem beschlagenen Badezimmerspiegel steht und – in ein Handtuch gehüllt, das nasse Haar nach hinten gekämmt – in einen als Mikrofon umfunktionierten Föhn singt. Ein Bild, das man nicht nur in unzähligen Hollywood-Komödien findet, sondern vielleicht selbst irgendwo im Gedächtnis unter einem Berg von Jugendillusionen vergraben hat.

Die britische Jazz-Sängerin Malia kann sich an solche gesanglichen Verrenkungen in den heimischen vier Wänden noch gut erinnern. Von Scham keine Spur. „Wie die meisten jungen Mädchen träumte ich davon, ein Star zu werden. Vor dem Spiegel studierte ich Lieder ein, um später vor meinen Eltern aufzutreten.“ Nicht die üblichen Hits waren das, denn die junge Frau merkte schnell, dass sich ihre Stimme nicht in gängige Melodieschablonen pressen ließ. „Ich habe versucht, Popsongs zu singen, aber meine Stimme lässt einfach jede Melodie traurig klingen“, resümiert sie heute mit heiserem Lachen. Stattdessen ahmte sie Stücke von Billie Holiday, Ella Fitzgerald und Nina Simone nach. Letzterer hat sie nun mit „Black Orchid“ ein ganzes Album gewidmet.

Simone, amerikanische Bürgerrechtskämpferin der 60er-Jahre, wurde für Malia früh zur „spirituellen Mutter“. Viele Songs lernte sie durch Simones Interpretationen kennen. So findet sich neben Klassikern wie „My Baby Just Cares For Me“ oder „I Put A Spell On You“ beispielsweise auch eine famose Version von Randy Newmans „Baltimore“ auf „Black Orchid“. Während Simone den Song in einen lässigen Blues- und Reggae-infizierten Schunkler verwandelte, nimmt Malia die Instrumente ganz zurück, deutet die Harmonien lediglich an und steigert das Lied zum Fanal. Der Hörer moderner Unterhaltungsmusik erlebt hier, wie sich aus hundertfach interpretiertem Songmaterial doch noch ein paar neue Töne, manchmal nur Nuancen (aber auf die kommt es eben an) destillieren lassen. Malia vermeidet die üblichen Drei-Oktaven-R’n’B-Koloratur-Arien, transzendiert, tastet vorsichtig, zärtlich. Dass sie ein Chanson wie Jacques Brels „If You Go Away“ (im Original: „Ne Me Quitte Pas“) zum Schweben bringen kann, verdankt sich der Tatsache, dass sie solche Lieder schon seit Jahren im Repertoire führt. „Die Songs aufzunehmen war für mich neu, nicht jedoch sie zu singen.“

Für Malia, die in der südostafrikanischen Republik Malawi geboren wurde und dort den Großteil ihrer Kindheit verbrachte, sind Songs wie „Four Women“ eine mentale Befreiung aus der sklavischen Umklammerung in der ehemaligen britischen Kolonie. Ihr Vater kam bereits als Kind von Großbritannien nach Malawi, arbeitete später als Ingenieur und lernte in dort Malias Mutter kennen. In ihrem Elternhaus gab es ein Grammofon, auf dem hörte sie die Beatles-Platten ihres Vaters.

Mit Anfang 20 arbeitete Malia in einer Jazz-Bar, wo sie bald selbst auftrat: „Der Gedanke, nur mit seiner Stimme und ein paar Begleitinstrumenten einen unverfälschten Moment zu schaffen, hat mich immer gereizt.“ Den passenden musikalischen Partner fand sie schließlich in dem Franzosen André Manoukian, der ihre ersten drei Alben produzierte.Mit dem grazilen Werk „Black Orchid“ ist sie spirituell und musikalisch im Land ihres Idols angekommen.

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