Mit Songs gegen Gewalt und Heuchelei die Dämonen vertreiben: MARY COUGHLAN

Wenn sich Coughlans Augenbrauen wie Gewitterwolken zusammenziehen, verheißt das nichts Gutes. Für eine Frau, die schon durch mehr als eine Hölle ging, ist sie leicht aus der Fassung zu bringen. Ein französisches TV-Team hat ihr den Vormittag vergällt und ein wenig die Contenance geraubt So gut wie nichts, schnaubt sie, hätten diese Leute verstanden und, schlimmer noch, sie habe ganz langsam reden müssen. Franzosen halt, say no more.

Wie quälend ein solcher Energiestau für sie sein muß, kann nur ermessen, wer Mary Coughlan in full flight erlebt hat, in Repetier-Manier, ohne Punkt und Komma. Das Vonder-Seele-reden ist wie ihre Musik Katharsis und Vergangenheitsbewältigung zugleich. Und ihr Leidensweg reicht weit zurück, bis in ihre bedrückende Kindheit in Gulway, wo sie vor bald 41 Jahren als ältestes von fünf Blagen in eine Familie hineingeboren wurde, deren Armut für das Mädchen viel leichter zu ertragen war als der alles überschattende, verlogene irisch-katholische Moralismus. „Diese ganze herzlose Heuchelei“, sagt sie angewidert, „es ist wie im finsteren Mittelalter. Abtreibung und Geburtenkontrolle sind verboten, während sich der Klerus durchs Land vögelt und überall Babys hinterläßt.“ Der Klammergriff, mit dem kirchliche Katechismen die Kultur Irlands und seine Menschen stranguliert, ist denn auch ein immer wiederkehrendes Thema in Coughlans Songs, am eindringlichsten wohl in „Magdalene Laundy“, einem Lied über das Los geschwängerter und verlassener Opfer dieser bis heute herrschenden Doppelmoral. Mit 16 Jahren mißlingt ein Selbstmordversuch, Coughlan wird in eine geschlossene Anstalt eingewiesen. Später wird sie das erste Aktmodell am „Limerick Art College“, zieht nach London, wo sie Straßen kehrt, ihren späteren Mann kennenlernt und drei Kinder mit ihm hat Auch keine schöne Zeit. Obwohl er gewalttätig ist, kommt Mary nicht von ihrem Mann los. „Poison Words“, ein sehr persönlicher Song auf Marys neuem Album „After The Fall“, beleuchtet ihr Dilemma. „How easily I forgive, how quickly you forget“ Coughlan erinnert sich: „Am allerschwersten ist, sich einzugestehen, daß die Situation ausweglos ist. Man kann nicht einfach weglaufen, wenn man drei Kinder hat und keine Ausbildung.“

Es ist keine drei Jahre her, da waren es dieselben Kinder, Teenager inzwischen, die ihre Mutter nicht mehr ins Haus lassen wollten. Aus der Gewohnheitstrinkerin Coughlan war ein Wrack geworden. „Ich kam kaum noch zur Besinnung“, sagt sie, „sie wußten sich nicht anders zu helfen, und heute bin ich ihnen dankbar für diese Schockbehandlung. Ich habe es geschafft, ich bin trocken.“ Und so ist das neue Album „After The Fall“ nicht nur sinnig betitelt, sondern ein veritabler Triumph über die Widrigkeiten eines binterfotzigen Lebens, mit durchlittenen Songs über die Politik zwischenmenschlicher Beziehungen, über Mißbrauch 8i Arbeitslosigkeit, erzwungene Liebe & verbotenen Beischlaf, über Religion & Despotismus.

Wirklich alles bewältigt? Nein, gesteht Mary Coughlan und lächelt, „but the future looks fucking great.“

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