MTV Motomash – Berlin, Backfabrik

The Rapture, Mia, zu viele DJs und Oben-ohne-Tänzerinnen auf der absoluten Disco-Punk-Party,dem MTV Motomash-Platz zum Rumstehen gab es nur auf der Tanzfläche

Wenn man vom Land kommt und gerade mit dem Köfferchen im viel zu großen und zu hohen Berlin angekommen ist, hätte einen diese Party sofort zurück in Mutters Schoß gejagt Alles auf Reizüberflutung hin konzipiert, schon auf dem Plakat ist nur mit Ach und Krach Platz für die ganzen Namen, Bands, DJs. Unten in der Backfabrik in Mitte hat der Sponsor Motorola Handys in die Wanddekoration eingebaut, mit denen man sich für ein Gewinnspiel selbst fotografieren soll, auf den Leinwänden und Riesen-Flüssigkristall-Bildschirmen laufen blitzende Animationen und immer wieder der Spot für ein mutmaßlich anderes Gewinnspiel, bei dem man per SMS abstimmen soll, ob eine abgebildete Frisur schön oder doch eher doof ist. Das „MTV Motomash“-Elektro-Punk-Event sieht schon in Wirklichkeit so aus wie normalerweise erst die schnell (und in der beliebten Clip-Asthetik) geschnittenen TV-Kurz-Dokus über solche Events.

Es gibt sogar maskierte, etwas gruselige Party-Charaktere, die „Moto-Mashers“, von denen einer auf dem Balkon des Konzertraums Platten auflegt, während sich unten die Leute fürs Mia-Konzert zusammendrängeln. Der Club ist so dermaßen überfüllt, dass man sich jeden Fußschritt gut überlegen muss, weil er nicht so schnell rückgängig zu machen ist. Von Mias Auftritt bleibt vor allem das originelle weiße Kurzkleid der Sängerin im Gedächtnis, schlaue Leute verlassen ihren Platz erst gar nicht und warten auf The Rapture aus New York, deren Produzent James Murphy nebenan im DJ-Bereich Daft Punk und Eric B. & Rakim gleichzeitig laufen lässt und dann ein unmöglich tanzbares Schlagzeug-Solo von irgendeiner Live-Platte. The Rapture müssen erst warm werden, spielen dann aber ihre ganze Nonchalance aus – mit minimalen Handgriffen auf den Instrumenten fuhrt die Band sämtliche Grundprinzipien guter Disco-Stücke vor; das gab’s noch nie so gut. Hinterher, als alle schwitzen, kündigt MTV-Präsentatorin Jana Pallaske in einem bedrohlich engen Iggy-Pop-Shirt den Gewinner des Foto-Handy-Contests an, der natürlich nie auf der Leinwand erscheint. Stattdessen werden Bastard-Pop-Clips gezeigt, zusammengemorphte Videos von den White Stripes, Madonna und Beyonce, die Motomasher-Tänzerinnen tanzen dazu Ballett und reißen sich gegenseitig die Leibchen runter. Viele junge Männer sehen zum ersten Mal die weibliche Brust – ja, Punk ist auch Aufklärung.

Da ist es schon gegen drei, langsam wird es richtig nett auf dieser Super-Indie-Tanzfete, weil viele noch wo anders hin mussten und endlich Platz ist. Techno-Weirdo T. Raumschmiere haut sein Keyboard gegen den Monitor und besteigt das Mischpult, die Leute finden das gut, solange sie nicht selbst tanzen müssen.

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