Neil Young – Hamburg, Stadtpark

Eine Piraten- und eine Deutschlandflagge auf dem Schlagzeugpodest, blakende Kerzen, eine altertümliche Orgel wie aus der Zeit des Bürgerkriegs und ein mannshoher geschnitzter Indianer wie aus Harvey Keitels Tabakladen in „Smoke“: Mehr ist nicht. Und mehr kommt auch lange nicht Eine Stunde vergeht unter glühender Sonne nach dem quälenden Auftritt des unbegabten Trios Novastar, bis Crazy Horse sich auf die Bühne bemühen. Onkel Neil trägt diesmal Cowboy-Hut, Billy Talbot, Ralph Molina und Frank „Poncho“ Sanipedro erinnern wie stets an illegale Einwanderer.

Dabei stehen sie auf einem Territorium, das Crazy Horse allein beackern und das größer ist als Amerika: das Reich der Mythen und Erinnerungen, der epischen Erzählung aus einem anderen Kondnuum, nicht Überlieferung, sondern Traum. Neil-Young-Land. Drei Topoi braucht dieser Mann: 1. Die Liebe. 2. Die Indianer. 3. Rauschgift tötet, das Leben auch. Meistens alle drei zusammen. Und mit dem ersten Ton von JDon’t Cry No Tears“ beginnt der Flug über bungs Gelände, umtänzeln sich die Männer wie bei einem archaischen Ritual, und schon bei „Love And Only Love“ nimmt einen der unglaubliche Rapport gelängen und überwältigt einen. Die schiere Urgewalt, das tastende, wogende, versunkene Verständnis der Musiker ist ohne Beispiel, ohne Vorbild. Neil bung ist zweifellos ein eklektischer Künstler, aber wenn man ihn mit Crazy Horse hört, fragt man sich, ob das alles nicht schon immer da war, älter als der Blues, als Hank und Elvis, eine Art Musik gewordener Walt Whitman, der in jedem Grashalm der Prärie steckt Während man aber so sinniert und ganz gerührt ist, kommt der gefiirchtete Moment, in dem „Piece Of Crap“ angestimmt wird, ein Stück, das den Scheißdreck nicht nur im Titel fuhrt Bald folgt der akustische Teil, bei dem diesmal jene Weisheit fehlt, nach der jeder Junkie eine untergehende Sonne sei. Sagt dessen „Don’t Let It Bring You Down“, „From Hank To Hendrix“, „Pocahontas“ und „After The Goldrush“ an der alten OrgeL Crazy Horse steigen wieder ein bei „Only Love Can Break bur Heart“, vergniedeln sich später einmal bei einer langen Instrumentalpassage, Young setzt neu an, Redundanzen stören hier nicht mehr. Bei „Powderfinger“ gerät er in die falsche Strophe: „Shelter me from-.“ – auch das wird wiederholt Der Alte ist schon etwas zerstreut Dann aber erschüttert,»Hey Hey My My“ das Rund in einer Weise, dass am meint, die Vögel würden vom Himmel fallen. Dunkel ist es jetzt, das blöde „Sedan Delivery“ will nicht enden und verklingt dann doch. Die Kämpen treten ab, kommen dann zurück für das stupide „Fuckin‘ Up“ – das plötzlich überleitet zu „Cortez The Killer“ in einer tief gestimmten, schleppenden, gespenstischen Fassung. So oft man diesen Song schon gehört hat, er behält sein Geheimnis. „I know she’s living there/ And she loves me to this day™“ Ach, es ist zu schön. Und vorbei Kein „Like A Hurricane“.

Schon wahr, wir haben all die Live-Platten von Neil Young im Schrank. Aber Gott erhalte uns diesen Mann.

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