TV-Fußnoten

Nichts für Weicheier: Die neue Serie „Vinyl“ von Martin Scorsese und Mick Jagger

Die neue Serie "Vinyl" erzählt vom Rock'n'Roll-Geschäft der 70er-Jahre - mit allem, was zu erwarten war: Sex, Drogen, Gewalt, Hybris

Manchmal habe ich leider eine etwas lange Leitung, das kann bei Fernsehserien mitunter zu Problemen führen, wie gerade bei „Vinyl“. Das ist die neue Serie, die Mick Jagger mit Martin Scorsese entwickelt hat (ab 14. Februar im Originalton bei Sky Go, On Demand und Online, ab 7. April auf Sky Atlantic HD auch mit deutscher Synchronisation), und natürlich hätte ich mir denken können, dass in einer Serie von Martin Scorsese irgendwann ein klassischer Martin-Scorsese-Moment vorkommt, aber ich hatte es einfach vergessen. Die erste Stunde war nämlich überraschend harmlos, dabei aber sehr unterhaltsam.

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„Vinyl“ spielt im Jahr 1973 und folgt dem Plattenfirmenboss Richie Finestras (Bobby Cannavale) bei seinem langsamen Niedergang,. Es kommen alle Situationen, Stereotypen und Klischees vor, die man vom Musikgeschäft dieser Zeit erwartet: Die deutschen Plattenfirmen-Anzugträger sind unsympathisch und haben keinen Sinn fürs Sinnliche, die Radiomoderatoren sind bestechlich und wollen lieber Koks statt Schallplatten, der Manager von Led Zeppelin spricht mit übertrieben britischem Akzent und dreht durch, weil seine Band nicht genug Prozente bekommt. Geld, Drogen, Sex, Selbstüberschätzung – Scorsese und Jagger müssen viel gelacht haben, als sie sich „Vinyl“ ausdachten. Zum Beispiel über die Szene, als die Label-Leute diese neue Popband aus Schweden anhören, ABBA, und einer sagt: „The music’s garbage, but I’d fuck the blonde.“

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Am überzeugendsten ist unter all den Händlern, Adabeis und (Möchtegern-)Rockstars ausgerechnet der, dem das nicht viele zugetraut haben, weil er halt Papas Sohn ist: James Jagger singt als Kip Stevens nicht sonderlich gut, aber den verzweifelten Punkrocker stellt er mit viel Verve dar. Der Typ, der Robert Plant spielt, hat dagegen zwar allerliebste Locken und einen Waschbrettbauch, aber sexy ist er nicht. Überhaupt ist hier recht wenig sexy, der Hedonismus sieht nach harter Arbeit aus. Showrunner und Drehbuchautor Terence Winter („The Wolf Of Wall Street“) hat Richie eine zwar schöne, aber fordernde Ehefrau (Olivia Wilde) zur Seite gestellt, natürlich hat er neben den Geschäftssorgen auch ein Drogenproblem – und bald noch ein ganz anderes, denn plötzlich kommt der Scorsese-Moment, bei dem ich nicht schnell genug die Hände vor die Augen halten konnte: Einem Mann wird das Gehirn zu Brei geschlagen, relativ unmotiviert und auch unnötig – so kam es mir zumindest vor, denn bis zu dem Zeitpunkt war die Geschichte noch einigermaßen realistisch, wenn auch plakativ.

Wie sich „Vinyl“ weiterentwickelt, ist schwer zu erahnen – die nächsten Folgen wurden nicht von Scorsese, sondern von anderen Serien-Profis wie Carl Franklin („House Of Cards“) und Allen Coulter („Boardwalk Empire“) gedreht, die Brutalität auch gut in Szene setzen können. Wahrscheinlich gibt es noch einige Gelegenheiten, die Hände vors Gesicht zu schlagen, aber dazwischen auch genug Spannung, um doch dabei zu bleiben.

 

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