Neunte Kunst - exklusiver Comic

Nick Cave erteilt Comic-Radikalistin Julie Doucet im Traum eine Lektion

Im Vergleich zu den oft brachialen, haarsträubend komischen (Alb-)Traumfantasien der kanadischen Künstlerin wirken viele angeblich feministische Comics der Gegenwart allzu zahnlos.

Wenn ein Comic-Genre in den letzten Jahren boomte, dann waren es wohl Graphic Novels von intelligenten Frauen für intelligente Frauen. Speerspitze der Bewegung ist die studierte Politikwissenschaftlerin und Radiomoderatorin Liv Strömquist aus Schweden, die mit „Ursprung der Welt“, „I’m Every Woman“ und zuletzt „Ich fühl’s nicht“ echte Bestseller hinlegte.

Mehr zum Thema
Comic-Wunder „Am liebsten mag ich Monster“: Einmal Hölle und zurück

Ihr Erfolgskonzept ist so simpel wie bestechend: Die Zeichnerin illustriert Standards aus der Gender-Forschung und feministische Theorie, in dem sie sie mit popkulturellen Phänomenen kreuzt. Die neue feministische Comic-Literatur, die auch in Deutschland starke Vertreterinnen hervorgebracht hat (Ulli Lust!), steht allerdings auf den Schultern einer Frau, die dieses Genre mit einer Radikalität aus der Taufe hob, die – dafür muss man sich nicht weit aus dem Fenster lehnen – heutigen Zeichnerinnen eher abgeht.

Julie Doucet und ihre „Dirty Plotte“

Die kanadische Comic-Künstlerin Julie Doucet entwickelte in den letzten Zügen ihres Studiums eine Comic-Reihe namens „Dirty Plotte“ (ein scharfer kanadischer Slangbegriff für das weibliche Genital), zunächst noch im Eigenverlag. Doch recht schnell wurde ein Verleger aufmerksam auf die scharfzüngige, zugleich sehr intime „Gedankenonanie“. Mit Strips über das Waschen ihrer Geschlechtsteile, den Nöten der Monatsblutung oder der oft gewalttätigen Begegnung mit Männern wagte sie sich – deutlich inspiriert vom karikaturesken Strich und den ‚Sex Obsessions‘ von Gegenkultur-Zeichner Robert Crumb – an gleich mehrere weibliche Tabuzonen.

Es folgte eine ruhelose Zeit, in der Doucet ihrer Heimat den Rücken kehrte und in New York, Seattle und Berlin zum Teil unter psychischen Höllenqualen versuchte, den künstlerischen Anforderungen gerecht zu werden. Ein neuer Werkband („Julie Doucets allerschönste Comicstrips“, Reprodukt) vereint zahlreiche Strips ihrer Karriere: Doucet schrieb meist kurze Sequenzen, in denen sie stets die Hauptrolle einnahm, oft als (Alb-)Träume verkleidet.

Ihr Hauptthema blieb dabei immer die Herausforderung der modernen Frau, den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden, die sich noch viel mehr als beim Mann auch an Hygiene, Körperbewusstsein und sexueller Verfügbarkeit orientieren.

Dabei zieht sie nicht nur unausgesprochene Zwänge (Ganzkörperrasur) mit zuweilen absurden, manchmal gar morbiden Bildern durch den Kakao, sondern inszeniert ihre eigenen Ängste und Mängel als narrativen Treibstoff für sarkastische Mädchenphantasien, in denen durchaus auch mehr als einmal so etwas wie Penisneid durchscheint. Nur würden Frauen, so zeigt es Doucet gerne, mit einem solchen baumelnden Teil ganz andere Dinge anstellen als ihre Ursprungsträger.

Seit Ende der 90er kaum Comics mehr

Zur Wahrheit über Doucet, die zurecht als eine der wichtigsten Vertreterinnen des nordamerikanischen Comics gilt, und das gewiss nicht nur, weil sie dem Medium weit impulsiver als viele andere Frauen zuvor feministische Elemente einhauchte, gehört aber auch, dass sie nach 1998 kaum mehr Interesse hatte, der Neunten Kunst weitere Glanzstücke hinzuzufügen. Zu sehr empfand sie sich eingeschnürt von den Erwartungen der Verleger, Leser und anderer Autoren sowie den ihrer Meinung nach mangelnden erzählerischen Möglichkeiten des Comics.

Mehr zum Thema
Depri-Comic „Wie gut, dass wir darüber geredet haben“: Wenn der Toaster geifert

Stattdessen widmete sie sich einer experimentelleren Kunst, erstellte Collagen und Linolschnitte. Auch Liebesgedichte gehören zu ihrem neuen Aufgabenfeld. Nur zeitweilig kehrte sie zu ihrer alten Arbeit zurück, etwa um eine immer wiederkehrenden Schul-Nachtmahr zu zeigen oder ihre eigene Gebrechlichkeit im Jahr 2050 zu imaginieren. Doucet plädierte mit ihren Werken stets für die Freiheit des Natürlichen, des Schmutzes und der selbstbewussten Fragilität. Und dabei bezieht sie sich nicht nur auf ein Geschlecht.

ROLLING STONE zeigt einen Ausschnitt aus „Julie Doucets allerschönste Comicstrips“, in der ein gewisser Nick Cave eine tragende Rolle spielt.

Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Reprodukt
Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates