Paul McCartney: Alle Alben im Ranking

Zum 80. Geburtstag von Paul McCartney stellt ROLLING STONE-Redakteur Maik Brüggemeyer sein ganz persönliches Ranking aller Post-Beatles-Alben vor

33. „Off The Ground“ (1993)

Beflügelt vom Erfolg des letzten Albums, „Flowers In The Dirt“ (1989), und der triumphalen anschließenden Comeback-Welttournee, ging McCartney mit seiner Tourband (und dem neuen Schlagzeuger Blair Cunningham) ins Studio, um mehr oder weniger live ein Album aufzunehmen, das zugleich als Appetizer für die anschließende „New World Tour“ dienen sollte. McCartney wollte auf dieser Tour zudem als Botschafter für Umwelt- und Tierschutz eintreten, Organisationen wie Greenpeace, PETA und Friends of the Earth würden bei den Konzerten mit Infoständen vertreten sein. Daher mussten auch ein paar „grüne“ Themen auf dem Album repräsentiert werden. Der niedliche Rocker mit den sehr nach den Neunzigern klingenden Gitarren, der dem Album seinen Titel gibt, ist ein ganz guter Einstieg, aber schon „Looking For Changes“, ein Song, der sich gegen Tierversuche wendet, wäre selbst auf John Lennons „Sometime In New York City“ als ein wenig unsubtil aufgefallen. „Off The Ground“ ist ein hit and miss, die erste Singleauskopplung, „Hope Of Deliverance”, ein entfernter Verwandter der famosen Disco- und Flamenco-beeinflussten Wings-Single „Goodnight Tonight“, wurde völlig zu Recht (in Deutschland) ein Hit, „Biker Like And Icon“ ist die gescheiterte Version eines neuen „Backseat Of My Car“ und dürfte im Rennen um den banalsten McCartney-Song gute Chancen haben, die beiden mit Elvis Costello geschriebenen Stücke „Mistress And Maid“ und vor allem „The Lovers That Never Were“ sind weitere Höhepunkte, leiden aber wie viele der Stücke hier unter einer etwas hüftsteifen Darbietung der Band, die einzig auf dem furiosen „Peace In The Neighbourhood“ wirklich mal zeigt, was sie kann. Am Ende versucht McCartney sich mit „C’mon People“ an der großen Klimaschutzhymne und scheitert grandios: „Well, we’re going to, yeah, we’re going to/ Get it right this time.“ Naja, vielleicht beim nächsten Mal.

32. „Paul McCartney’s Liverpool Oratorio“ (1991)

Eine alternative Autobiografie in Form eines klassischen Oratoriums. Was wäre passiert, wenn ich in Liverpool geblieben wäre, statt mit den Beatles die Welt zu erobern?, scheint McCartney in seinem ersten klassischen Werk zu fragen und erzählt die Geschichte von Shanty, der (wie er) 1942 geboren wurde, während Luftangriffe über seiner Heimatstadt niedergingen. Das Oratorium zeigt einen Lebensweg und eine historische Entwicklung von der kriegerischen ersten in die weitgehend friedliche zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. McCartney, der keine Noten lesen kann und sich für die Komposition professionelle Hilfe beim Komponisten und Dirigenten Carl Davis holte, gelang es durchaus, sich die klassische Form nach seinen eigenen Regeln anzueignen, doch insgesamt ist dieses Werk ein bisschen zu zuckrig und opulent ausgefallen und das Libretto zudem recht schwach. Doch zumindest das Finale ist sehr eindrucksvoll geworden. Uraufgeführt wurde das Stück in der Liverpool Cathedral in Sichtweite der Liverpool Institute High School for Boys, die McCartney und George Harrison in den Fünfzigern besuchten und in deren Aula sie auf den Seiten des „NME“ erstmals ein Bild von Elvis Presley sahen.

Ranking Paul McCartney Alben

31. The Fireman „Strawberries Oceans Ships Forest“ (1993)

Eigentlich sollte der Produzent und Ex-Killing-Joke-Bassist Martin Glover alias Youth Remixe einiger Stücke des aktuellen McCartney-Albums „Off The Ground“ anfertigen. Aber die brauchte, ehrlich gesagt, niemand. Er tat daher das einzig richtige: Er zog sich ein paar kleine Samples aus den Aufnahmen und baute daraus vollkommen neue Tracks, die eher in Ambient, Trance und House zu Hause sind als in Pepperland. McCartney war davon so begeistert, dass er Youths eigentlich für verschiedene Singles gedachte Tracks unter dem auf seinen größten Song „Penny Lane“ anspielenden Pseudonym The Fireman auf einem Album veröffentlichte. Man merkt „Strawberries Oceans Ships Forest” ein bisschen an, dass die Stücke nicht dafür gedacht waren, direkt hintereinander konsumiert zu werden. Da fehlt der Flow. Für sich genommen ist jeder einzelne Track aber ein großes Abenteuer.

30. Twin Freaks „Twin Freaks“ (2005)

Auf der 2004er McCartney-Tour bestritt der DJ Freelance Hellraiser, der sich gerade in der britischen Mash-Up-Szene einen Namen gemacht hatte, das Vorprogramm mit seinen Vermanschungen alter McCartney-Klassiker und -Obskuritäten. Nach der Tour bekam er den Auftrag, ein ganzes Album daraus zu machen – es wurde sogar ein doppeltes. „Twin Freaks“ ist ein äußerst unterhaltsames und überraschendes Werk, auf dem man auch einige der weniger bekannten McCartney-Songs neu entdecken kann.

29. „Working Classical“ (1999)

Nach dem „Liverpool Oratorio“ und dem Orchesterwerk „Standing Stone“ wendete sich McCartney auf seinem dritten klassischen Album einer Form zu, mit der er mehr Erfahrung hatte: dem Lied. Auf „Working Classical“ interpretieren das London Symphony Orchestra und das Loma Mar Quartet McCartney-Songs, die er im Laufe der Jahre für/über seine ein Jahr zuvor verstorbene Frau Linda komponiert hatte. So gehört „Working Classical“ gemeinsam mit dem Fireman-Album „Rushes“ (1997) und dem Cover-Album „Run Devil Run“ (1999) zu McCartney Trauer-Trilogie (interessant, dass er sich auf jeder dieser Platte irgendwie zu verstecken scheint – hinter einem Pseudonym, hinter den Songs anderer Musiker und hinter Orchester und Quartett, die seine Lieder spielen). Neben den klassischen Interpretationen von Songs wie „Maybe I’m Amazed“ , „My Love“, „Calico Skies“ und „Golden Earth Girl“ finden sich auf „Working Classical“ zudem die Aufnahme des Stücks „A Leaf“, das McCartney 1995 für einen Abend in der Royal Academy of Music komponiert hatte, und vier Kompositionen, die er exklusiv für dieses Album schrieb: „Midwife“ (wohl eine Hommage an seine Mutter Mary, die bis zu ihrem Tod 1956 als Hebamme arbeitete und die Familie ernährte), „Haymakers“, „Tuesday“ und „Spiral“. Vor allem letztgenanntes zeigt, dass er sich allmählich wohl fühlte in der klassischen Form.

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