Paul McCartney versprüht mit rockender Band und alten Beatles-Songs die gewünschte Nostalgie und glänzt obendrein mit seinen Wings-Klassikern

Paris, Palais Omnisports. Die Europapremiere des imletzten Jahr erfolgreichsten Musikspektakels in den USA zieht natürlich allerhand Prominenz an. Sting ist da und allerhand französische Filmsternchen, Chansoniers und Fußballer. Im Publikum reckt man vor der Show die Hälse. Doch die Stars werden unerheblich sein, wenn das Licht erlischt und die Aura der Legende aufscheint. Nur ein paar Meter entfernt.

Bevor es soweit ist, gibt’s die Kunst. Ein buntes Tanztheater hoppelt zu den Klängen von „Watercolour Guitars“, einem Ambient- Track, den McCartney zusammen mit Youth unter dem Namen The Fireman zusammengebastelt hat. Dieses Vorspiel bringt einem all das ins Gedächtnis zurück, was man am Solokünstler McCartney, immerhin Schöpfer von Werken wie „Ram“, „Band On The Run“ und „McCartney II“, mal schätzte: die Experimentierfreude, das naiv-Surreale, der Eklektizismus, das Verspielte. Doch an diesem Abend waren eh alle nur wegen der Nostalgie gekommen, und die gab’s dann schließlich auch.

Vom ersten Ton an ist klar, dass die Zeichen auf Beatles stehen. Der Sound ist allerdings nicht warm beatlesk, sonder eher tough-rockend, was vor allem den vereinzelten Songs aus dem Soloschaffen gut bekommt. Hier fühlt sich die Band zu Hause, wagt etwas, ersetzt die Streicherarrangements von „Live And Let Die“ durch ekstatische Gitarrenläufe, zeigt, was für großartige Songs „Jet“, „Let Me Roll It“ und natürlich „Band On The Run“ sind. Die Beatles-Nummern dagegen klingen bis auf „Getting Better“ und „She’s Leaving Home“ wenig inspiriert. Das Set wirkt über weite Strecken allzu routiniert, zumal Songreihenfolge und sogar die Ansagen von der „Back In The World“-CD/DVD übenommen werden.

Nur ein Mal entgleitet Mc-Cartney die Kontrolle. Ausgerechnet beim immer noch heiklen Thema John Lennon. Zunächst gerät er, allein mit der Akustischen auf der Bühne, bei der Ansage der Lennon-Reminiszenz „Here Today“ ins Stocken, und ein Fan, der wohl schon die DVD gesehen hat, bringt den Satz korrekt für ihn zu Ende. Nach dem Song stimmt das Publikum „Give Peace A Chance“ an. McCartney würgt die Gesänge unsicher ab und startet mit seiner Ukulele eine allerdings rührende Version von „Something“. Danach treibt er einem noch ein ums andere Mal die Tränen in die Augen.

Natürlich ist das ein abgekartetes Spiel, aber wer, wenn nicht McCartney, darf knietief durch Nostalgie und Sentimentalität waten? Und ein zwanzigjähriges Mädchen mit einem „We Love You, Paul“-Plakat in der Hand, das mit französischem Akzent „Yesterday“ mitsingt, ist schon sehr rührend. An einem Bücherstand am Seine-Ufer kaufte ich mir eine Ausgabe des französischen Magazins „Rock & Folk“ aus dem Jahr 1980 mit Paul McCartney auf dem Titel. Ich schlage es auf, und drin ist ein Foto, auf dem er auf einer Bank am Seine-Ufer sitzt, nur ein paar Meter entfernt.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates