Ranking: Pixies, Breeders und Frank Black

Ein Überblick über das Schaffen der Noise-Pop-Pioniere sowie über die Solo­werke von Frank Black und Ex-Pixies-Bassistin Kim Deal - inklusive Raritäten.

Essenziell

Pixies: Bossanova (1990)

Eine Ode an zwei Themen amerikanischer Popkultur: Surfen und Ufos. Melancholische Strandlieder, weil Black Francis wie Beach Boy Brian Wilson zwar von Abenteuern berichtete, beide sie aber nicht selbst erlebten. Die anderen schwammen, Francis saß mit der Gitarre im Sand – hatte also mehr Zeit zum Nachdenken. Sang von Untertassen in der Area 51 und einer magischen Puppe namens Velouria, die in den Wäldern haust. „Als würden Psychopathen Songs für ein B-Movie aus den 50er-Jahren komponieren“, urteilte Blur-Gitarrist Graham Coxon. Eine Paarung unwahrscheinlicher Härte („Rock Music“) mit Wassermelodien („Ana“), die Gitarrist Joey Sant-iago so zärtlich spielt, als hätte er noch nie jemandem wehgetan. Es war seine Sternstunde, Santiago war Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Mit „Cecilia Ann“, im Original von den Surftones, führten Pixies Surfmusik vier Jahre vor Tarantino und „Pulp Fiction“ zurück in den Pop.

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Pixies: Doolittle (1989)

„Monkey Gone To Heaven“ -verkündete die spirituelle Hierarchie: „If man is five and the Devil is six, then God is seven.“ „You can’t go wrong with the Old Testament“, sagte Francis, und natürlich gierte er gerade nach der Brutalität in der Bibel. Er schrie für Samson und Delilah in „Gouge Away“, für David und Bathseba in „Dead“. Sex wollte er notfalls per Gewalt einfordern: Das mit Kim Deal gesungene „Tame“ klingt wie ein Übergriff. „Doolittle“ markierte den Durchbruch aber auch wegen seiner Popqualität: „Wave Of Mutilation“ bot Melodien für gleich drei Songs mehr.

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Pixies: Trompe Le Monde (1991)

Gilt als Black Francis’ Soloalbum, weil Kim Deal als Vokalistin nur noch „Ohs“ und „Ahs“ beisteuerte – „Bird Dream Of The Olympus Mons“ (Songtitel des Jahres?) durfte sie nicht singen. Ein Geschichtsbuch über Mythen der Ureinwohner („The Navajo Know“) sowie die Angst vor einer Invasion des Kontinents durch Außerirdische – wo doch die Weißen ihr Land einst selbst als Eroberer betraten: „Motorway To Roswell“. Dieser vorläufig letzte Triumph erschien zeitgleich mit „Nevermind“, „Ten“, „Use Your Illusion I + II“, „The Low End Theory“ und „Blood Sugar Sex Magik“ – und ging unter.

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Pixies: Surfer Rosa (1988)

Auf dem Cover eine barbusige Tänzerin, ein zerrissener Vorhang, ein Kruzifix: Sexualität und Religion, Trieb und Schuldgefühle. Black Francis, 22, schreit die Doppelbelastung heraus. Er glaubt an Gott, er will Sex, aber alles tut weh: „Break My Body“, „Broken Face“, die Vagina als „Bone Machine“. Kim Deal lacht dar-über und parodiert ihn und seinen Sexismus in „Gigantic“, einem Song über Penislängen. 13 Stücke voller Abseitigkeiten, verbunden durch hörbuchartige Dialogzeilen des Grauens („I said you fucking die“) und der Selbstironie („There were rumours he was into field hockey players“).

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Lohnend

Frank Black: Teenager Of The Year (1994)

 

Black komponierte eine an Ray Bradburys „Mars-Chroniken“ angelehnte Erzählung der „Go West“-Besiedlung des Roten Planeten durch Menschen – nur eben umgekehrt: die Erschließung Amerikas aus Alien-Sicht. Er sucht Heimat in diesen neuen Infrastrukturen, die unser Fassungsvermögen übersteigen – „(I Want To Live On An) Abstract Plain“ – und ersehnt eine Flucht ins pazifische Atoll der Zukunft: „The islands of Phoenix in 2016“; „Olé Mulholland“ wiederum huldigte dem Ingenieur William Mulholland, der L.A. einst mit Wasser versorgte. Am Anfang die Frage, warum wir an höhere Intelligenz glauben, aber die eigene Historie, das erste Computerspiel vergessen haben: „Whatever Happened To Pong?“

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Pixies: Come On Pilgrim (1987)

Die erste EP als Geburtsstunde des Loud-Quiet-Loud-Songmusters. Eigentlich müsste es Quiet-Loud-Quiet heißen: Strophe ruhig, Refrain geschrien. Später machten damit jedoch nicht die Pixies, sondern deren Schüler Nirvana Karriere. Der Masturbations-Lobgesang „The Holiday Song“ war vielmehr ein Bekenntnis sexuellen Versagens: „Here I am with my hand.“

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Später singt Francis „Losing my penis to a whore with disease“, schiebt ein „just kidding“ hinterher – und dann: „Losing my life to a horrible disease.“ „Whore“ und „horri-ble“: Über Versprecher konnte er scherzen, so viel er wollte – die Angst vor weiblicher Sexualität wurde zu seinem Antrieb. Keine Frage, dass Black Francis damals das antisexistische Lager des College-Rock damit aufmischte.

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Frank Black: Frank Black (1993)

Mit seinem Solodebüt bewies Black Francis, der sich nun Frank Black nannte, einzigartigen Instinkt. Noch bevor „Pet Sounds“ der Beach Boys in den Neunzigern wieder hip wurde, coverte er deren „Hang On To Your Ego“. Aus „I Heard Ramona Sing“, einer Liebeserklärung an die Ramones, spricht reines Urvertrauen in Idole der Kindheit, in perfektem Klartext: „I had so many problems/ And then I got me a Walkman/ I really liked it a lot, and/ They walked right in and they solved them.“ Beworben wurde die Platte mit „Death to the Pixies“, dabei ist sie ein einziges Ja: zur Musikhistorie, aber auch zum Aufbruch ins Rollenspiel – das Booklet zeigt ihn als Fu Manchu, FBI-Agent und Latzhosen-Bauern.

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Ergänzend

The Breeders: Pod (1990)

 

Das Debütalbum der Band von Kim Deal und der Throwing-Muses-Gitarristin Tanya Donelly erhielt nahezu gleich gute Kritiken wie das im selben Jahr veröffentlichte „Bossanova“ der Pixies. Hier aber konnte Deal endlich all ihre Texte und Talente einbringen und auch alle charmant-bekifften und psychedelisch-rumpeligen Songs singen. Es war eine Emanzipation und der Anfang vom Ende der Pixies.

Frank Black: Frank Black Francis (2004)

Schwach

Pixies: Indie Cindy (2014)

Francis sagt selbst, dass er die Pixies heute als Vehikel für seine mittlerweile auf traditionellen R&B ausgelegte Solomusik nutzt. Nichts hierauf wirkt gemeinsam erarbeitet. Ein Bassist namens „Ding“ muss auf „Bagboy“ wie die ferngebliebene Deal singen, also wie -eine Frau. Auf „Blue Eyed -Hexe“ brüllt Francis wie ein Brian Johnson für Arme, im Titelsong heißt es: „You put the cock in cocktail, man!“ Okay, als Selbstparodie ist das spitze.

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Film

Steven Cantor, Matthew Galkin: „LoudQuietLoud“

Die Comeback-Doku offenbart Kontinuität im Herrschafts-verhältnis: ein Chef, drei Mit-arbeiter. Schockierend anzusehen ist nicht Black Francis mit nacktem Oberkörper vor dem Spiegel, sondern der Absturz von Drummer David Lovering nach dem Tod seines -Vaters. Francis wütet ihn auf der Bühne an: „Are you high?“

Preziosen

Coversongs & Rares

„Boom Chicka Boom“

Als Live-Session-Aufnahme vorhanden, eine Studioversion des 1986er-Songs existiert nicht. Die Melodie floss in „Blue Eyed Hexe“ (2014) ein.

„Brackish Boy“

Der einzige unveröffentlichte Song der Pixies vor ihrer Trennung. 39 Sekunden sind auf YouTube, eine Akustikfassung ist auf „Frank Black“.

„I Can’t Forget“

Das Leonard-Cohen-Cover erschien 1991 auf dem Sampler „I’m Your Fan“, neben Beiträgen von R.E.M., Nick Cave und John Cale. Der prominenteste Anthologie-Platz ihrer Karriere.

„Surf Epic“

Blacks schönste Solo-Komposition erschien, wohl wegen ihrer Länge (10:12 min), nur als -B-Seite von „Hang On To Your Ego“.

„Velvety“

Das einzige Pixies-Stück, dem Frank Black nachträglich einen Gesang verpasste (zu hören auf „Devil’s Workshop“).

„The Last Stand Of Shazeb Andleeb“

Auf einem Campus in L.A. erschlugen fünf Schüler den 17-jährigen Pakistani Andleeb. Black widmet ihm – so konkret politisch ist er selten – eine Hymne gegen Hassverbrechen. Höhepunkt des „The Cult Of Ray“-Albums von 1996.

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„Bam Thwok“

Deals letzter Pixies-Gesangsbeitrag, dafür als Solovokalistin. Bescherte der Band ihre einzige Nummer 1 – in den aller-ersten britischen iTunes–Charts von 2004. Das Orgel-solo stammt von Santiagos Schwiegervater, der auf den Philippinen als Missionar arbeitete.

„A Strange Day“

Grand Duchy hieß die Band von Black und seiner Frau Violet Clark – ihr auffälligstes Erzeugnis ist dieses hypnotische Cure-Cover.

„Gimme Danger“

Das Stooges-Cover von 2007 als Beispiel dafür, wie sehr der späte Black dem Schweinerock verfallen ist. Mehr Barhocker als elektrischer Stuhl.

„Women Of War“

In dem „Indie Cindy“-Outtake arbeitet Francis unbeholfen an seinem Frauenbild: „I would do your cooking, while you’re fighting on the fronts.“

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