Quo vadis, ‚Tatort‘ Luzern?

Die Schweizer unterbieten mit „Geburtstagskind“ das eigene bescheidene Niveau

In der guten alten Zeit reichte es, dass eine 14-jährige Schülerin mit dem Lehrer liiert ist. Oder einen erwachsenen Freund hat, der in der Sägemühle arbeitet. Mehr war am Sonntagabend nicht zu verkraften, und mit Klaus Schwarzkopf oder Hansjörg Felmy wäre ein spannender Fall daraus geworden. Der Schweizer „Tatort“, das Sorgenkind der Reihe, machte aus der Kindstötung einen so durchschaubaren wie hanebüchenen Krimi, der am Ende in den religiösen Wahn führt.

Wären die Ausmaße der Paranoia von Beat Halter schon zu Beginn zu erkennen, hätte es das Trauerspiel „Geburtstagskind“ gar nicht gegeben. Der schwer verblendete Anhänger eines Rachegottes hatte die drogenabhängige Ursula und deren zwei Kinder aus dem Milieu geholt, vorbei an dem Vater Kaspar Vogt, einem Alkoholiker, Herumtreiber und Gelegenheitsgauner. Der akzeptiert nicht, dass ihm der Umgang mit den Kindern verboten wurde, und randaliert vor dem Haus der Halters. Als Amina nach ihrem Geburtstag tot im Wald gefunden wird, fällt der Verdacht natürlich auf Vogt, der angeblich irgendwo in seinem Caravan herumgefahren ist. Die Wirtin eines Campingplatzes, mit der er ein Techtelmechtel hat, meldet sich erst spät mit einem Alibi.

Das Drehbuch von Moritz Gerber lenkt zwischendurch auf Aminas Lehrer ab, der sich auch gleich ungeschickt verhält. Die Telefonnummer für die Beratung von Missbrauchsopfern wird unter den Mappen des toten Mädchens gefunden. Die Drogenszene von Luzern scheint ein heißes Pflaster zu sein, Berlin-Neukölln ebenbürtig. Kommissar Reto Flückiger bedenkt im Gespräch mit Streuner Vogt die eigenen Versäumnisse und seine Kinderlosigkeit; auch reagiert er aggressiv auf Beat Halters Sekte. Bei Kollegin Liz Ritschard regt sich dagegen die innere Sozialarbeiterin. Beide verhalten sich unprofessionell und forschen viel zu spät bei der offenkundig verstörten und ruhig gestellten Ursula, die den bigotten Terror ihres Mannes nicht mehr ertragen kann. Schon denkt man an ein Sexualverbrechen, da strömt es aus dem jetzt deutlich irren Beat Halter heraus: Er wollte den Teufel austreiben, das Mädchen sei eine Nutte gewesen, habe sich für Stoff verkauft und ihn verhöhnt.

Das soll es geben, und es gibt einige großartige Filme über jugendliche Renitenz und den Hass der Altvorderen. In „Geburtstagskind“ tapern die Schauspieler wie betäubt durch die Gegend, und Flückiger, den Stefan Gubser zunächst als souveränen Profi angelegt hatte, ist schon wieder übel gelaunt, angefasst und überfordert. Das Schwyzerdütsch wird jetzt synchronisiert, weshalb man den Eindruck gewinnt, einen norwegischen Krimi zu sehen. Das berüchtigte Schweizer Tempo bläht den Fall, der bei „Brisant“  für fünf Minuten reichen würde, auf Spielfilmlänge.

Quo vadis, „Tatort“ Luzern? Dann lieber Devid Striesow in Saarbrücken.

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