Rare Trax Vol. 25 – first wave part two

Die zweite Welle unserer "Rare Trax" zum Thema Post-Punk/New Wave schwappt ein bisschen weiter als die erste. So finden sich hier einerseits Stücke mit größerem Pop'Appeal, andererseits aber auch einige experimentelle Beiträge. Der auf "Part One" gesetzte Zeitrahmen - Ende der 70er bis Anfang der 80er - wird auch schon mal großzügig überschritten.

To Hell With Poverty“! Was klingt wie ein politischer Slogan, ist ein Songtitel von GANG OF FOUR aus Leeds. Immer wieder vereinten sie Punk mit einem radikal-politischen Ansatz. Auch das Thema Liebe ließen sie konsequenterweise in ihren Polemiken nicht außen vor. Ihr erstes Album hieß völlig zu Recht „Entertainment!“, ihr zweites ironisch „Solid Gold“, dort findet sich auch das hier zu hörende „Paralysed“. Jon Kings stoischer Sprechgesang, Andy Gills Gitarren-Splitter, die fast funkige Rhythmus-Sektion Dave Allen/ Hugo Burham – Unterhaltung mit doppeltem Boden. Clang ’n’Roll.

Nein, das ist nicht David Bowie, wie er des nachts vom Club nach Hause geht, das sind die COMSAT ANGELS aus Sheffield. Anfang der 80er waren sie dunkler, aber weniger dramatisch als Joy Division. Die athmosphärische Brillanz ihrer ersten drei Alben „Dark Parade“ vom zweiten, „Sleep No More“, dürfte hierfür als Beweis genügen – bleiben unerreicht Danach schaltete sich OMD-Produzent Mike Howlett ein, und die Comsat Angels fuhren zur Hölle.

WIRE gelang es da weitaus besser, sich ständig neu zu erfinden. Vom schwindelerregenden Minimal-Punk des Debüts „Pink Flag“ über den eiskalten Nachfolger „Chairs Missing“ bis zum Dance-Punk-Pop des 87er Comebacks „The ideal Copy“ mit dem großartigen „Over Theirs“ schienen die vier Kunststudenten aus London Meister der Variation. Davon war bei ihren diesjährigen Konzerten hier zu Lande allerdings nicht mehr sonderlich viel zu spüren.

Eine Band, die sich auflöste, bevor sie dermaßen verblassen konnte, waren RED GUITARS, die in ihrer Urspungsformation nur ein einziges Album aufnahmen. Der Titel – ironischerweise – „Slow To Fade“. Eines der gelungensten Stücke: das verspielte, bassgetriebene „Sting In The Tale“. Mit der Single „Marimba Jive“ landeten die Red Guitars gar einen Hit in den britischen Indie-Charts. Das zweite und letzte Album, „Tales Of The Expected“, spielte die Band ein Jahr später, 1985, schon mit neuem Sänger und Bassisten ein.

Lawrence Hayward ließ sich mit seiner Band FELT etwas länger Zeit: Fünf Jahre nach Bandgründung 1979 erschien das erste Album. Zuvor hatten die Briten mit zwei EPs debütiert, die klangen, wie eine Pop-Variante von Television (auch auf dieser „Rare Tracks“ zu hören!). Der Gitarrenpop auf „The Strange Idols Pattern And Other Stories“ war dann schon weitaus eigenständiger. Ihr zweites Werk „Ignite The Seren Cannons“ enthielt mit ihrem wohl bekanntesten Song „Primitive Painters“ dann gar ein Stück, auf dem von den alten Helden um Tom Verlaine kaum noch etwas zu spüren war. Dafür hört man aber Elizabeth Fräser von den Cocteau Twins. Produziert hat hier ihr Bandkollege Robin Guthrie.

Nur ein reguläres Studioalbum gibt’s von MODERN EON: „Street To Street: A Liverpool Album“. Ihre im Titel erwähnte Heimatstadt war ja schon immer eine gute Adresse für Pop, vor allem aber auch für Post-Punk: So stammten auch Teardrop Explodes, Echo & The Bunnymen und Elvis Costello von der Merseyside. Neben dem Album veröffentlichte die Band auf unterschiedlichen Labels auch einige brillante Stücke auf Singles, wie beispielsweise das hier enthaltene „Second Still“. Diese erschienen schließlich gesammelt avfJFiction Tales“. Wie das Debüt blieb aber auch dies ohne Erfolg und bedeutete das Ende der Band.

Weitaus erfolgreicher waren CHROME. Wenngleich ihr Sound, eine Mischung aus verzerrten Gitarren, Samples (meist aus TV und Radio aufgenommen) und ihre raue Punk-Ästhetik als Vorläufer des Industrial erst Anfang der 90er, also weit nach Auflösung der Band 1982, gewürdigt wurde. „Our Good Dreams“ findet sich auf „Another World“, der Chrome-Compilation des wiedererstandenen Dossier-Labels.

PETE SHELLEY wurde vor allem als Vorsteher der Punks von The Buzzcocks bekannt. Doch bereits vor Gründung der Band hatte er 1974 ein Soloalbum mit elektronischer Musik aufgenommen, das allerdings erst 1979unterdemTitel“S*j Yen“ erschien. Nach dem Ende der Buzzcocks verband er die Elektronik seines Solo-Vfersuchs mit dem himmelschreienden Pop seiner Bandjahre, und heraus kam „Homosapien“, Punks in der Disco. Der Drum-Sound war gewöhnungsbedürftig, Billy Idol nicht mehr weit.

An diesen muss man auch manchmal bei der Kombination von Hard Rock und Synthesizer denken, die PUNISHMENT OF LUXURY auf ihrem ersten Album „Laughing Acaderny“ von 1979 anbieten. Doch die Songs der Band aus Newcasde hatten auch immer etwas Zappaeskes und schlugen, zusammen mit ihrem theatralischen Bühnengebaren, die Brücke zwischen Post-Punk und Art-Rock. So hatte Johnny Rotten sich das wahrscheinlich nicht gedacht.

Die STIFF LITTLE FINGERS aus Belfast waren da wohl näher an seinem Punk-Ideal. Man nannte sie auch gerne „The Irish Clash“. Das ist bei ihrem politischen Engagement sowie ihrer Liebe zum Reggae und der etwas polternden Umsetzung so falsch nicht. Bleibt ihr Debüt „Inflammable Material“ für viele unerreicht, bietet der Nachfolger „Nobody’s Heroes“ doch mindestens ebenso viele Punk-Klassiker: etwa „Tin Soldiers“ oder das wundervolle „Doesn’t Make It Alright“: Just because you’re nobody/ Doesn’t mean you’re no good.“

Die ONLY ONES waren zwar im Punk durchaus keine nobodies, standen aber immer eher in der zweiten Reihe – hinter den Sex Pistols, The Clash, den Ramones oder den New York Dolls. Vielleicht war ihre exzentrischer Frontmann Peter Perret einfach eine Spur zu romantisch. Das Thema Liebe hat dann auch in dieser Ära (wenn man von Elvis Costello absieht) niemand umfassender behandelt Für Bands wie die Replacements waren die Only Ones wegweisend. „Curtains For You“ stammt von ihrem zweiten Album „Even Serpents Shine“ von 1979. Für viele ihr bestes.

Eine Band, die eigentlich schon Post-Punk spielte, bevor es überhaupt Punk gab, waren TELEVISION. Dir erstes Album „Marquee Moon“ ist wohl bis heute die lyrischste, berückendste Gitarrenplatte, die jemals aufgenommen wurde. Doch auch ihr selbstbetiteltes Comeback von 1992 zeigt die Band um Tom Verlaine in großer Form. Die Gitarren umgarnen sich in „No Glamour For Willy“ fast wie in alten Zeiten.

Bei allem Einfluss von Television stand doch keine Band so lange stellvertretend für den amerikanischen Untergrund-Pop wie PERE UBU. Frontmann David Thomas, diese Mischung aus Brian Wilson und Captain Beefheart, war der ferzeige-Intellektuelle des independent. Wegweisenden Songs wie „Heart Of Darkness“ oder „Final Solution“, die die Band in ihrer Hochzeit von 1978-1982 aufnahm, waren aufgrund von Streitigkeiten mit Plattenfirmen lange nicht erhältlich, finden sich aber seit 1996 auf der Box „Datapanic In The Year Zero“.

Probleme mit Plattenfirmen kennt auch Greg Sage von den WIPERS aus Portland nur zu gut Um die Rechte seiner Songs zu klären, ruft man ihn am besten persönlich an. So geschehen für „No Generation Gap“ vom 83er „(her TheEdge“. Die monumentalen ersten drei Alben der größten Rockband der 80er findet man inklusive Outtakes auf dem „Wipers Box Set“.

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