16 HORSEPOWER – LOW ESTATE :: A&M/Polydor

Sie waren eine Offenbarung des vergangenen Jahres. Mit „Sackcloth’n’Ashes“ schufen 16 Horsepower eine Sammlung sakraler Songs, die knarrten wie das Öffnen eines Sargdeckels – und ein Lichtstrahl durchstach die Finsternis von Tod, gefallenen Mädchen und Männern, Versuchung, Vergeltung, Vergebung und all diesem mystelnden, orthodoxen Kram. Folks, hear and fear! Anfangs scharten sich nur wenige Jünger um die Kavallerie des Herrn, doch ihre Gemeinde wuchs, denn wo immer sie aufspielten, verharrten die Menschen ehrfürchtig. Sänger David Eugene Edwards trug zu seinen exorzistischen Bibelstunden kalkblond gefärbte Haare und eine schwarze Lederweste auf seinem sehnigen, dürren Körper. Tätowiert, natürlich, und wenn er erhebende Grabesmelodien aus seinem wilhelminischen Bandoneon zerrte, verdrehte Edwards entrückt die Augen im fahlen Gesicht. Spricht Gott aus ihm? Ist er gar der Leibhaftige? Oder doch eher ein bedauernswerter Sünder, der betet und barmt. Oh, baby, take me out.

Nun kehrt der „Black Soul Choir“ zurück aus seiner Klausur, und jeder höre, „Low Estate“ ward wieder gut. Mit dem Titelsong hatte Edwards allein an der Quetsche schon letztjährige Konzerte eröffnet, und in diesem narrativen Trauermarsch klingt der ganze Schauer und Schmerz, den 16 Horsepower in fiebrige Passionslieder zügeln. Fast kathedralisch hebt das Akkordeon an, nun aber schlägt noch Produzent John Parish das Xylophon dazu, und da schunkelt der Country-Chanson zu Astor Piazzolla hinüber. Parish, der auch PJ Harvey besänftigte, hat diese archetypischen Amerikaner aus der genuinen Klause des Folk- und Country-Rock geführt. Die Songs sind geschlossener, der Sound geschmeidiger, etwa im Banjo-Stück „Brimstone Rock“, der im Hintergrund sogar Wortfetzen aufweist „My Narrow Mind“ ist flotter Rockabilly, in „For Heavens Sake“ dröhnt das Feedback von Gitarrist Jeffrey Paul Norlander, einem alten Kumpel von Edwards, mit dem die Band zum Quartett wurde. Auf ihrem Kreuzzug gegen das Böse (und schlechte Musik) sind 16 Horsepower beim Rock angelangt. Mit Dramaturgie und Dramatik, im Galopp aber auch nach Nashville.

Edwards einst keuchenden Klagelaute changieren nun zwischen Soul und Schrei, Blues und Cowboygejodel Der Leichengeruch hat sich verzogen, desperat bleiben seine Fabeln jedoch allemal. „Where can I go but to the lord/ (…) All my love well it is „madness“, brummt er. Es gab noch eine Band, die ähnlich schmerzlich um ihr Seelenheil und uns eine Träne ins Herz spielte. Sie hieß Mother Tongue und löste sich nach dem Debüt-Album auf. Das wird 16 Horsepower mit Gottvertrauen nicht passieren.

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