4,0 Spooky Tooth – It’s All About/The Last Puff
Daß in Amerika das große Geld zu machen war, wußten nicht nur Animals, Beatles, Kinks, Rolling Stones und Who, sondern jedermann, der sich im Königreich eifrig darauf vorbereitete, es jenseits des Atlantik zu Star-Ruhm zu bringen. Als sich die Gruppe mit dem arg hochtrabenden Namen Art nach einem nur sehr mäßig erfolgreichen Erstling („Supernatural Farrytales“) in Spooky Tooth umbenannte, war die Marschrichtung ganz klar. Der neue Mann und wichtigste Songschreiber war Amerikaner (Gary Wright), der Produzent auch (Jimmy Miller).
Für das Debüt unter neuem Band-Namen nahm man etliche Vorlagen renommierter Klassiker und aktuell absolut angesagter amerikanischer Größen auf. „Tobacco Road“ von John D. Loudermilk in höchst gospeligem Verständnis. Den Protest-Hit „Society’s Child“ von Janis Ian in fulminant hymnischem Stil. Bob Dylans „Too Much Of Nothing“ in grandiosem Call-and-response-Gesang. Und Robbie Robertsons „The Weight“ in einem der Vorlage von The Band noch am ehesten verpflichteten Arrangement. Ließ man bei der in Europa veröffentlichten LP-Version weg, sorgte auf der amerikanischen umso mehr für künstlerische Glaubwürdigkeit. Damit machte man bei den folgenden Tourneen auch natürlich nichts anderes als die Rolling Stones Jahre vorher: Man brachte eben hochkarätiges Folk-Liedgut dahin zurück, wo es herkam.
Auch was man bei den eigenen Songs – noch etwas unsicher – ausprobierte, klang so übel nicht. Diese folkloristischen Psychedelica profitierten von der deftigen Dosis Hard Rock. Wrights „Sunshine Help Me“ und „Forget It I Got It“ besaßen schon jene voll ausgebildeten Ohrwurmqualitäten, die „Spooky Two“ zum Bestseller machten. Im Fach Rock-Gesang war dieser Mike Harrison eine ganz große Neuentdeckung.
Der weitere Gang der Dinge, der in dem vor einigen Monaten schon wieder aufgelegten Magnum opus des Quintetts kulminierte, ist weitgehend bekannt. Aber dieses unsägliche Machwerk mit dem Titel „Ceremony“, das ein französischer Elektronik-„Avantgardist“ unter dem Namen Spooky Tooth auf den Markt brachte, ruinierte den Ruf besagter Band fast komplett. Die hätte sich auch bald in Windeseile aufgelöst (Gary Wright wanderte auf jeden Fall ab, Greg Ridley zu Humble Pie), wäre da nicht Island-Boß Chris Blackwell gewesen, der auf einem vertraglich festgeschriebenen dritten Album bestand.
Also verpflichtete die Rest-Besetzung für „The Last Puff“ (3,5) drei durchaus renommierte Kollegen von der Grease Band, die sie aus alten V.I.P.S-Jahren noch bestens als Joe Cockers Begleiter kannten. Gary Wright hatte noch einen (erstklassigen) Song hinterlassen, „The Wrong Time“. Die restlichen sechs waren – weil Harrison nicht mit neuen aufwarten konnte – Cover-Versionen. Aber ein paar ganz große! Joe Cockers „Something To Say“ brachte Harrison mindestens so gefühlvoll wie der Komponist seine Vorlage. Den Namen des damals noch recht unbekannten Elton John durfte man sich nach der Aufnahme von „Son Of Your Father“ schon mal gründlich merken. Aus David Ackles‘ „Down River“ machte das Sextett eine höchst elegische Rock-Ballade. Mit dem Titelsong zeigte Chris Stainton, wo er und sein Boß so viele Jahre den sprichwörtlichen Most hergeholt hatten natürlich bei Ray Charles. Aber der Knaller war diese unglaublich arrangierte Fassung von „I’m The Walrus“, die auf dieser Remaster-Edition auch in der alternativ und anders abgemischten Mono-Version der Single zu hören ist. Grosvenor/Spenner/McCulloch hoben da zu einer veritablen Gitarren-Orgie ab, und genau diese Jam-Session wurde eine der ganz großen Sternstunden für Mike Harrison.
Wie vertrackt und fabelhaft das aufgenommen war, hört man jetzt erst so richtig bei diesem Remaster. Gute Vorarbeit hatte seinerzeit aber schon Glyn Johns geleistet: mit seinem Remix.