4,5 Fairport Convention :: Liege & Lief (Deluxe Edition)
Das war auch für die Verhältnisse von 1969 eine reife Leistung: Drei LPs veröffentlichte Fairport Convention in ein und demselben Jahr. Es gibt durchaus auch mehr dem Folk im Folk-Rock zugetane Musikliebhaber, die „Liege & Lief“ als das Meisterwerk der Band betrachten. Die hatte sich nach dem Tod ihres Schlagzeugers Martin Lamble (bei demselben Unfall war auch Richard Thompsons Freundin ums Leben gekommen) zögerlich re-formiert. zu der Zeit – wie Produzent Joe Boyd bemerkte – ganz unter dem Schock von „Music From Big Pink“ stehend, fast etwas mutlos, weil man nicht wusste. wie man auf das Ur-Er!ebnis dieses Meisterwerks reagieren könnte. Am Ende entschied man sich dafür, anders als bei den drei voraufgegangenen Platten überhaupt keine Cover-Versionen zeitgenössischer Kollegen zu bringen.
Statt dessen lieferte Thompson mit „Farewell, Farewell“ eine herzzerreißende Ballade, die – ganz ergreifend von Sandy Denny vorgetragen – jeden Vergleich mit Dylans“.Girl From The North Country“ aushält. Mit Dave Swarbrick. dem neu zu der Truppe gestoßenen Mann an Violine und Viola, komponierte er „Crazy Man Michael“, einen nicht weniger hochkarätigen Folk-Evergreen. Ganz große Standard-Klasse in dem Genre besitzt auch „Come All Ye“. komponiert von Sandy Denny und Ashley Hutchings, aber als Ensemble-Leistung die Antwort auf „Big Pink“.
Als solche sah man auch die anderen fünf Aufnahmen: Großartige Traditionais wie „Reynardine“, die man – auf elektrisch verstärkten Instrumenten musiziert – aus der Vergangenheit in die Gegenwart transponierte, um versuchsweise eine eigene Folk’n’Roll-Tradition zu begründen. Beim Gitarrensolo von „Matty Groves“ etwa ließ Thompson nicht weniger den Virtuosen raushängen als Clapton vorher bei den Auftritten mit Cream. Große instrumentale Klasse durfte Swarbrick bei „The Deserter“ demonstrieren. Und natürlich bei dem Medley von vier Vorlagen, das man noch am ehesten als Konzession an Folk-Puristen sehen kann. Keine Zugeständnisse hört man bei „Tarn Lin“, das zunächst mal mehr mit Jefferson Airplane als mit uraltem Folk-Liedgutzutunhat.
Wie die Remaster-Ausgabe von 2002 enthält auch die Deluxe-Edition die dort erstmals veröffentlichten Outtakes „Sir Patrick Spens“ und „Quiet Joys of Brotherhood“ in der Langfassung, außerdem ersteren Song in einem ungleich traditionelleren Arrangement und „..Quiet Joys…“ in einer von Sandy Denny fast schon elegisch und sehr innig bis völlig verinnerlicht vorgetragenen Deutung in stark abweichender Abmischung von Take 1. Bei den meisten Zugaben der zweiten CD handelt es sich um BBC-Mitschnitte, davon „..Reynardine“ ein noch fesselnderes Hörerlebnis als das jetzt knapp achtminütige „Tarn Lin“. FRANZ SCHÖLER