45 R.P.M.

Für die Dauer einer ganzen LP Spannung zu erzeugen, fällt PAUL WELLER derzeit schwer, nimmt man seinen letzten Longplayer „Heavy Soul“ als Indikator. Zuviel des biedersinnigen Blues-Rock, nicht annähernd genug Pop & Style. Wer hätte noch vor zehn Jahren im Traum daran gedacht, diesen Vorwurf ausgerechnet dem Mr. Weller machen zu müssen, einem Mann, der jahrelang für stilvollen Pop stand wie kein zweiter. Anyway, in kleineren Portionen weiß Weilers Musik noch immer zu überzeugen, erst recht, wenn der Altmeister mit Konzentration zu Werke geht. „A Heavy Soul BP“ (Island) steht auf dem Cover der neuen 7inch, doch nur das bleierne „Brushed“ findet sich auf der LP, die anderen sind hier exklusiv. Und verdammt lohnend, vom Piano-gesteuerten „Shoot The Dove“ über die zart-akustische Fassung von „As You Lean Into The Light“ bis zum Höhepunkt, einer wirklich famosen, ökonomischen Version von „Ain’t No Love In The Heart Of City“, besser bekannt natürlich im Original von Bobby „Blue“ Bland. 4,0

Eine amerikanische Deutung von Seventies-inspirierter Prog-Rock-Muster spielen THE MALCONTENTS aus Minnesota auf „Bent Over Backwards“ (Ripe). Der Mix ist Genre-typisch gerontologisch, doch überrascht die B-Seite „Sinister Minister“ nicht nur mit einem bitterbösen Text über einen schmierigen TV-Evangelisten und seine fiesen Machenschaften, sondern überdies mit einem nicht unattraktiven Sound zwischen Neil Diamond und Mudhoney. Heavy Cabaret. Oder Grunge light. 3,0

Immer besser werden BELLE AND SEBASTIAN aus Britanniens Norden. „Lazy Line Painter Jane“ (Jeepster) ist ein großer Wurf für eine juvenile Clique und ein Low-Budget-Label: feiste Orgel, dramaturgisch clever gesetzte Handclaps, großzügige Melodiebögen, sub-spectorianische Opulenz und ein schöner Story-Song. Wundersam. 4,0

Gloriose Melancholie verbreitet „Twist“ (Creation) von ARNOLD, einem jungen Trio, das unlängst schon mit einer lOinch titeis „The Barn Tapes“ aufhorchen ließ. „Twist“ ist klassisch strukturiert, der Rock gehaucht und geträumt, voller Vibrationen und Wärme, ungeheuer simpel und doch sophisticated. Tim Buckley trifft Travis. So unwahrscheinlich wie auch unwiderstehlich. 4,5

Wer JAKE MARTIN ist (oder war), entzieht sich meiner Kenntnis, und seine Single gibt keinerlei Anhaltspunkte. Auf dem Sleeve steht nur dieser Name, und das Label gibt nur die Titel preis: „These Healing Hands“ und „Swansong“ (Noble). Eine dermaßen auf anonym stilisierte 45 müßte hier keine Erwähnung finden, wäre sie nicht gar so exquisit. „Hands“ versteht sich auf den romantischen Dialekt der Tindersticks, wiewohl Martins Stimme nicht in den Tiefen eines Stuart Staples gründelt, eine Frau singt weich und lockend, und eine glänzende Pedal Steel Guitar zieht ihre dekorativen Kreise. Schön. 4,0

Keiner hat wohl der akustischen Gitarre mehr Geheimnisse entlockt, sie so besessen studiert und so vollkommen zu beherrschen gelernt wie JOHN FAHEY. Ein Fretboard-Magier, wie es nur ganz wenige gibt. Um so schockierender sind seine Einlassungen auf „The Mill Pond“ (Little Brother), einer Doppel-Single mit vier Ausgeburten elektronischen Wahnsinns, kataklystisch, kakophonisch, katastrofürchterlich. Ein gewisser Jeff Allman spielt „electronics“, was hier bedeutet: alle Knöpfe und Regler auf Overload. Fahey selbst steuert „guitar, vocals“ bei, doch hat man Mühe, etwas davon zu vernehmen. Der Mann war so lange down and out, daß ihm ein paar Fäden gerissen sind. „You Can’t Cool Off In The Millpond, You Can Only Die“ heißt ein Track, der klingt wie der Vorhof zur Hölle. Neben diesen Feedback-Monstern mutet Neil Youngs dröhnendes Album „Arc Weld“ an wie ein schnurrendes Pussikätzchen. Handle with care. 2,0

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