45 RPM von Wolfgang Doebeling

Keine Band der Welt hat mit ihren ersten vier Singles trefflichere und tödlichere Geschosse abgefeuert als die SEX PISTOLS. Die Beatles? Lachhaft. Die Stones? Kein Gedanke. Die Smiths? Schon eher. Aber nicht einmal deren formidables Start-Quartett kann dem der Pistols das Wasser reichen: „Anarchy In The UK“, „God Save The Queen„, „Pretty Vacant“ und „Holidays In The Sun“ waren Supernovas unter lauter Sternchen, bevor ihre Schöpfer in einem schwarzen Loch verschwanden. Dort wären sie besser geblieben. Mit Bosheit, Bravado und Brillanz schlugen sie vor 20 Jahren alles in ihren Bann. Heute schlagen sie uns nur noch in die Flucht, mit Posen, Pipifax, Popanz. Dabei ist „Pretty Vacant Live“ (Virgin) nicht einmal übel, vergleicht man es mit dem Geschrubbel von Green Day oder dem Wischiwaschi-Punk von Bush. Die Gitarren dröhnen zu dumpf und zu mechanisch, aber das Energie-Level ist vertretbar, und Lydon gibt einen mehr als passablen Rotten ab, wenn auch nur noch stimmlich. Es ist wie mit dem graumelierten Vinyl, das uns als silbrig glänzend angedient wird. Bollocks. 3,0

Ebenfalls wieder aus der Versenkung aufgetaucht sind THE RAINCOATS. einst weniger cute als kratzbürstig, charmant dilettierend und markant ungeschminkt. „Don’t Be Mean“ (RTD) ist dagegen schon fast polternd, laut und, leider, ziemlich langweilig. 2,0

Schon erstaunlich, daß von den Endsiebziger-Heroen kaum einer künstlerisch überlebt hat, daß keine Vision intakt blieb. Nur PAUL WELLER füllt weiterhin unbeirrt seine Rolle als Fels in der Brandung aus, freilich nur noch an den stürmischen Gestaden des Noelrock. In „Peacock Suit“ (Go! Discs) schwelgt er in Blues-Akkorden und geißelt rustikal-handwerklerisch den nichtsnutzigen Narzißmus. Ein bißchen bieder, aber gut gebrüllt. 4,0

Mit dem pathologischen Narziß Brian Jones auf dem Label werben THE REAL PEOPLE für „Rolling Stone“ (Granite), auf das sie „all alone“ reimen und, ja doch, „complete unknown“. Alles in bester Absicht, tonguefirmly in cheek. Ein melodiöses, semi-akustisches, schlitzohriges Noelpoppy. 3,5

Ihren Zorn auf Karrieristen ventilieren THE BLOCKED auf „Plastic Punks“ (Detour) auf Modbewährte Powerpop-Art. John Peel zeigte sich angetan vom Adrenalinausstoß dieses walisischen Trios, und das ist noch immer eine Empfehlung. 3,0

Ob Peelie THE BIKINI BEACH mag, ist nicht verbürgt, aber höchst wahrscheinlich. Rollende Shadows-Gitarren, darunter Wellenrauschen und darüber eine Melodie, die jeder kennt, so jedoch noch nie gehört hat: „Some Might Say“ (Stirn) hat auch ohne Text noch Klasse. Oasis auf Fender reduziert: Noeltwang! 3,5

Relaxte Reggae-Rhythmen. Toasting zum Tanz. Dub-Effekte. Rap-Einlage, wer ist das? STEVE EARLE ist das. Schockschwerenot. Steve Earle & The V-Roys auf Johnny Be Bad“ (Transatlantic), das natürlich nicht auf seinem aktuellen Album zu finden ist, weder im „Sunshine Mix“, noch im „Rough ’n‘ Tumble Mix“, noch im „Jamaican Hillbilly Mix“. Gibt’s alles nur auf lOinch (oder 12inch), zusammen mit „Straight Highway“ von den V-Roys ohne Earle. Was steckt dahinter? Der Mann feiert seine sechste Scheidung. Too bad. Aber guuut. 4,0

Nicht minder meschugge und musikalisch eher noch famoser sind WEEN, die für „You Were The Fool“ (Flying Nun/RTD) und andere „Country Greats“ Nashvilles Studio-Elite zusammengetrommelt haben, von Charlie McCoy und Hargus Robbins bis zu Buddy Spicher und denjordanaires, deren Silberkehlen einstmals den King begleiteten. Selbst der Song hat Noblesse und ist viel zu schade für einen Gag. Wenn’s dennoch einer sein soll: Schande! Wenn nicht: Respekt. Elvis only knows. 4,0

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