45 RPM von Wolfgang Doebeling
Hätten die Byrds 1965 nicht den Folk Rock erfunden und wären im Fahrwasser der Beatles und Searchers geblieben, wären THE BLUETONES heute nur eine Revival-Band. So aber prallen die Retro-Schmährufe an ihnen ab, und hip wollten sie eh nie sein. „Marblehead Johnson“ (Superior Quality) ist ein weiterer Wonne-Trip ins Rickenbacker-Universum, hochmelodisch trotz lamentierender Lyrik. „Everything you say is a call to arms“, klagt Mark Morriss, und dazu klingeln dialektisch die Gitarren-Glocken. Classy. 4,0
SMAIXER sind, if you excuse the pun, kleinere Lichter, doch hat ihr von Onkel Noel abgesegneter sub-Oasis-Pop durchaus Charme und in „Wasted“ (Better Records) ein robustes Vehikel für ihren noch sehr pickligen Liverpool-Laddismus. 3,0
Mehr dem Donnerhall der Spotnicks verpflichtet als dem eleganten, flüssigen Stil der Shadows sind THE GALAXY TRIO mit „Sheriff Boy-R-Dee“ (Estrus). „Doublebarrelled blasts of reverb rampage“ verspricht das hübsche Comic-Picture-Sleeve großspurig, und auf der Reverb-Seite gibt es nichts zu bemängeln. Nur in Sachen „rampage“ fehlt es an Energie und Wahnwitz. Tapferer Trash, aber etwas zu zahm. 3,0
Ein gravierendes Manko, das THE DICTATORS nie hatten. Nach 18 Jahren Studioabstinenz sind die Punk-Rocker der ersten Stunde jetzt zurück, vom Drummer abgesehen in Orginal-Besetzung, und mit demselben wüsten Glanz-und-Gloria wie vor zwei Dekaden, ohne Rücksicht auf Verluste. „I Am Right“ (Norton) steht in der No-Nonsense-Tradition von ehedem mit gewohnter und lange entbehrter Rock ’n‘ Rotz-Intonation von Handsome Dick Manitoba, während die von Adny Shernoff gesungene B-Seite „Loyola“ daran erinnert, daß die Dictators stets auch Powerpop zu zelebrieren wußten. Welcome back. 4,0
Der Endsiebziger-Punk-Spirit hat auch in THE HATE BOMBS aus Florida überlebt, doch musikalisch sind die vier Cuts ihrer neuen EP „What A Woman Wants“ (Screaming Apple) mehr Sixties-orientiert. Die Songs sind passabel, der Sound ist Garage-orthodox, die Produktion leider lausig. 2,5
Produktionstechnisch upmarket und big in Japan sind SHAMPOO: Jacqui und Carrie aus Plumstead sind ungefähr so gescheit wie Beavis und Butthead, doch wenn sie „I Know What Boys Like“ (Food) singen, dürfen wir ihnen das getrost abnehmen, auch wenn ihr Lolita-Bubblegum hier noch ausgelutschter schmeckt als sonst Babes oder Bimbos? Eine eher rhetorische Frage. 1,5
Bobbie Gentrys sublim-myteriöses „Ode To Billie Joe“ dient zumindest als spirituelles und melodisches Blueprint für „She Cries Your Name“ (Heavenly) von BETH ORTON, die auf den anderen Tracks dieser schönen lOinch-EP auch Carole King belehnt und Laura Nyro. Dazu spooky strings, hier und da subtiles TripHop-Ambiente und eine scheinbar verlorene, stillverzweifelte Stimme. Wie eine Janis Ian“ gefahrlich nah am Abgrund. Superb. 4,0
Besser noch, eigenständiger, extremer, aufwühlender und beunruhigender sind die wundersamen Songs von EDITH FROST aus Austin, Texas, auf ihrer ersten Platte, einer nach ihr selbst benannten Doppel-Single mit Fold Out-Cover (Drag City). „The emptiness we crave“ wird in „Waiting Room“ besungen, monoton, paralysierend, schleppend, von Todessehnsucht erfüllt. Auch „My God Insane“, unwirklich verhallt, geht an die Schmerzgrenze, während „Evangeline“ und „Blame You“ bloß todtraurig sind, aber nicht resignativ: „I’m tired of fighting for air“, deklariert sie in ironischer Selbsterkenntnis: „I rather blame you.“ Da ist es wieder, that sinking feeling. 4,5