45 RPM von Wolfgang Doebeling
Mie alle Singles von CARBAGE ist auch „Queer“ (Mushroom) absolut brillant Langsam und lasziv sind sie diesmal, wie Neneh Cherry ohne Hip-Hop, wie eine erotische Siouxsie (imagine!). Fragt sich nur, wie lange die kesse Shirley Manson und ihre US-Boys die extravaganten Packaging-Ideen ihrer Singles durchhalten können. „Queer“ kommt in einer Plexiglas-Box, kostet aber kaum mehr als andere 7-inchers. Irgend jemand glaubt offenbar, die Investition in solche Luxus-Editionen sei eine in die Zukunft. 4,5
Als Support Act für Bowie war MORRISSEY indisponiert, doch seine Vinyl-Offerten schlagen die des Thin White Duke um Längen. „Sunny“ (Parlophone/EMI) ist nicht der Bobby-Hebb-Evergreen, sondern eines dieser Mozzer-eigenen Statements, zwar immer understated und unaufgeregt, aber unwiderstehlich. Exzellent ist auch „Black-Eyed Susan“ auf der Rückseite mit perkussiv-experimentellen Interplays und einer sehr schönen Gratulation: „You’re a bornagain atheist“ Amen. 4,0
Mordballaden scheinen nicht nur en vogue zu sein, sondern auch besonders intensive Bemühungen zu zeitigen. Siehe Nick Cave. Und siehe „Back With The Killer“ (Hut), eine EP, die fraglos zum besten gehört, was man von den AUTEURS kennt Nicht alle vier Cuts überzeugen gleichermaßen, aber „Kenneth Anger’s Bad Dreams“ und das mit Steve Albini aufgenommene „Unsolved Child Murder“ sind hübsch marode und makaber. 4,0
Für eine 7-inch-EP haben auch TEENAGE FANCLUB optiert. „Teenage Fanclub Have Lost It“ (Creation) heißt die leichtgewichtige Scheibe selbstironisch, wohl weil man sie nicht „Unplugged“ nennen wollte. Ebendas ist sie jedoch und auch wenn keine Ausfälle zu beklagen sind, ist keiner der vier Tracks weltbewegend. Aber pretty. 3,0
Der „Melody Maker“ hat unlängst den Britpop zu Grabe getragen und trendgeil das Zeitalter des Romo ausgerufen. Romo ist, dem „MM“ zufolge, der hoffnungsfrohe Nachwuchs von Papa Ziggy Glitter und Mama Spandau Duran, eine Kreuzung mithin der Gattungen Glampop und New Romantics. Nimmt man „Plastic Bag“ (Sugar) von MINTY zum Maßstab, ist Romo freilich eine Totgeburt. „My mind is like a plastic bag“, jauchzt Minty-Sängerin Nicola, und die Gary Numan-on-Acid-Disco-Ramsch-Musik beweist: Sie hat ja soooo recht. 1,0
Nicht minder abgedreht, aber auf ungleich geistreichere Art sind die US-College-Lieblinge THINKING FELLERS UNION LO-CAL 282, deren sattsanguinisches „Everyday“ (Amarillo) mit einem rasenden Mix aus Gitarren und Bläsern aufwartet. Die B-Seite ist leider eher Wegwerf-Ware und mit ihrer tiefen Verbeugung vor Ennio Morricone jedenfalls erheblich konventioneller ab „Everyday“. Great band. 4,0
Geradezu brav klingen dagegen THE DIABOLIKS aus London, obwohl ihr Cover mit einigem Recht „Finest Girl Garage Punk!“ verspricht. „Yes I Do“ (Screaming Apple) bewegt sich stilsicher in Lo-Ft-Sound-Gewölben, und die Mädchen krähen adäquat aggressiv, doch ist der Song leider a little less than exciting. 3,0
Nicht prägnanter, aber generell energischer ist „Guilty“ (Screaming Apple) von den EVIL EYES um den „Ugly Things“-Herausgeber Mike Stax, der seine Sixties-Sucht hier zügelt und stattdessen spätsiebziger Punk-Ästhetik huldigt. Vulgär, aber mit Melodie. 3,5
Mod-Pop, weiß Paul Weller, ist weder retro noch progressiv, sondern mittlerweile klassisch und fester Bestandteil des British way of life. Davon zehren Detour Records, deren aktueller Satz Singles das Pop-Art-Ideal hochhält Am überzeugendsten: THE MOURNING AF-TER mit „You’re Lying“ und; nicht zuletzt des Hammond-Swings wegen. 4,0