ABC – Skyscraping

Im Jahr 1982 wurde die Popmusik neu erfunden. Der Mann, der dafür verantwortlich war, stolzierte mit dem Herz in der Hand durch seine Märchen-Hotelsuite voller Geigen und ließ die goldverzierte Badewanne mit Champagner füllen. „The Look Of Love“ eroberte den Globus, und Amors Pfeil saß – unwiderruflich. Daniel Düsentrieb trug nur gülden glitzernde Smokings und nannte sich Eff-Arr-Why – Martin Fry.

Das Leben war nicht mehr dasselbe nach „The Lexicon OfLove“ weder für uns noch für Martin Frys ABC. Fortan wurden sie von der Welt mit skeptischen Blicken beäugt Martin Fry fand sich als Verwandlungskünstler wieder: Auf „Beauty Stab“ (Eine Protestplatte!“ beschloß er und kleidete sich schlecht) jaulten die Gitarren, lange bevor es wieder schick wurde, Rock-Alben zu machen – und lange bevor Bowie Tin Machine gründete. Für „How Tb Be A ZlHonaire“ heuerte man einen glatzköpfigen Gnom und eine „The Face“-Schreiberin an, die nichts taten, außer anwesend zu sein, und bescherte uns dann ulkigen Zeichentrick-Dancefloor. Mit der Alphabet City“ schließlich näherten ABC sich wieder dem „Lexicon Of Love“ irgendwie schien sich ein Kreis geschlossen zu haben.

In der Tat – danach hinkten Fry und sein verbliebener Mitstreiter Mark White der Zeit, der sie bisher immer voraus gewesen waren, hinterher. Der Housetrack „One Man“ von Chanelle diente als Vorlage für eine ganze Platte. That was then but this is now: Fry – ohne White, der es vorzog, sich ganz anderen Dingen zu widmen – meldet sich auf dem Label Deconstruction zurück. Eine bisher verläßliche Adresse für innovative Dancefloor-Klänge – zumindest, bis der fiese Transvision Vamp-Fake Repubüca auf die Tagesordnung trat Statt White bedient nun ein junger Bursche namens Keith Lowndes die Gitarre – es hätte aber genauso gut der Sigue Sigue Sputnik-Schurke Neal X sein können. Und so weit ist das nun auch nicht von Republica entfernt! Heaven 17-Stimme Glenn Gregory half beim Programmieren und Songschreiben.

„Das Feuer ist wieder da“, konstatiert Fry. Die Lage seines Hamburger Hotels, in dem er zu Promotion-Zwecken weilt, sieht er als positives Zeichen: „Da, die Neue ABC-Straße!“ Mit Inbrunst beruft er sich auf seine „Wurzeln“- so wie es jeder alternde Popstar der 80er Jahre tut. Hier sind die Roots, die Pistols, Roxy Music (ewig überschätzt), Bowie, die Temptations. Die Songs sind nicht unbedingt das Problem von „Skyscraping“. Aber Martins einzigartige Stimme, die sich bisher über alles erhob, klingt schlapp, die Instrumentierung wirkt taillig. Ist dies gar die ABC-Revival-Band? „Stranger Things“ verhält sich zu „Be Near Me“ wie „Td Like To Teach The World To Sing“ von No Way Sis zu „Shakermaker“ von Oasis. Die Produktion könnte auch die eines Werkes von Breathe, Go West oder, wie beim Titelstück, sogar von Roxette sein.

„Light lears“ geistert umher wie ein Duran Duran-Outtake der „Rio“-Zeit, für „Love Is It’s Own Reward“ klaute Lowndes frech das Riff von „Holidays In The Sun“ von den Sex Pistols. Das sind schon allerlei Sünden, zuviel auch für Fry.

ABC waren – bis zu ihrer House-Inkarnation – immer larger than life. Heute sind sie nur noch banal wie das Leben selbst Da helfen dann auch keine „tranquiliser from your limousine driver“ mehr.

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