Aimee Mann – Bachelor No. 2
Wie unsensibel und ignorant die Plattenbosse dieser Welt mit dem Werk Aimee Manns nebst Gatten Michael Penn umgehen, dazu ist in dieser Zeitschrift schon einiges gesagt worden. Bis der Soundtrack von Paul Thomas Andersons Superfilm „Magnolia“ zu breiter Öffentlichkeit gelang und Mann die Nominierung für einen Golden Globe einbrachte, mochte man die ehemalige ‚Til Tuesday-Vorsteherin in den A&R-Etagen nicht. Die Hits fehlten, hieß es, der Zeitgeist wohl auch, ach, es ist schon deprimierend, wie ungeniert vollmundig die entsprechenden Entscheidungsträger manchmal ihre schlimmsten Klischees bestätigen.
Für Besinnung ist es jetzt zu spät; Mann veröffentlicht „Bachelor No. 2“ nach viel hässüchem Hickhack mit ihrer alten Firma Interscope auf dem eigens gegründeten Label SuperEgoO), bestellt vom Artwork bis zum Mastering alles höchstselbst und wird sich also bloß noch aus berufenem Munde ins Werk reden lassen. Zur eigenen Entlastung kriegen die nun verhassten ehemaligen Vorgesetzten auf „Bachelor No. 2″recht erbarmungslos ihr Fett weg. Just one question before I pack/ When you fuck it up later do I get my money back“, grollt sie sogleich im Opener „How Am I Different“ und zeigt auch sonst kaum Gnade mit dem Feind.
Dabei kann man den Frust der Musikverkäufer mit „Bachelor No. 2“ ja fast verstehen – noch der hinterhältig süße Pop von Songs wie „That’s Just What You Are“ vom Album J’m With Stupid“ 095) hatte die Imbruglias und Brooks‘ diese Welt mit lapidarer Geste tonträger
vorweggenommen, Mann einen Platz auf dem „Melrose Place“-Soundtrack beschert und plötzlich Perspektiven auf eine ganz andere Karriere eröffnet. Kaum verwunderlich, dass den besagten A&R-Managern da wohl die Augen leuchteten. Doch der kurze Brückenschlag zum massenfähigen Girlie-Pop war ein Missverständnis: Mann hat am schnöden Tagesgeschäft soviel Interesse wie ihre Plattenfirma an Kleinkunst – und präsentiert sich jenseits der Zwänge nun entsprechend als ausgereifte, erwachsene Songwriterin: „Bachelor No. 2“ verpackt die gewohnt gekonnten Kompositionen Manns in ein klassisches Produktionsdesign aus verliebt gestrig klingenden Trommeln und allerlei Vintage-Gitarren, die Dauerproduzent Brion und Gatte Penn geschmackvoll und engagiert bedienen.
Überhaupt geben sich alle Mühe: Elvis Costelio, zum ersten Mal seit ‚TU Tuesday-Zeiten als Co-Writer an Manns Seite, hilft bei dem ironischen „The Fall Of The World’s Own Optimist“, Ex-Grunger Brendan O’Brien produziert ungewohnt breitwandig das amerikanistisch schunkelnde, ,Drivin‘ Sideways“, Heartbreaker Benmont Tench drückt sensibel in die Tasten und Master-Mogul Bob Clearmountain mixt so beseelt wie lange nicht mehr.
Musikalische Höhepunkte gibt’s also viele. Mann scheut die magere Melodie wie der Teufel das Weihwasser, bemisst die Klänge und berechnet die Kadenzen, bis die endlich mehr sind als die Summe ihrer Einzelteile. Heraus kommen fulminant arrangierte Pop-Gestelle von perfekter Statik und kühler Schönheit, in denen es Mann freilich eher um Architektur geht als um Intuition – Letztere unterschlägt die Chanteuse in all den reserviert-bitteren Analysen gescheiterter Zweisamkeiten nämlich nicht eben selten und konzentriert sich lieber auf die korrekte Umsetzung ihrer sorgsam entworfenen musikalischen Baupläne.
Die Verweigerung, mit der sich Mann den Männern und Managern entzieht, ist auf Bachelor No. 2″ eben auch das künstlerische Mittel. Mann bleibt als Lyrikerin und Sängerin immer unnahbar, macht sich und ihre Wunden nie availabk und wahrt in abgeklärt herbem Realismus stets die ihr so liebe Distanz. Wie sinnlich diese Distanz nichtsdestotrotz sein kann, hört man am besten bei dem zeitlupenhaften „Calling It Quits“, bei dem Mann dem Quintenzirkel, dem ewigen Gegner, spektakuläre Siege abringt, oder dem emphatischen, schon vom „Magnolia“-Soundtrack bekannten „Deathly“, das sich nach den ersten zynischen Worten auf schweren Rügein ins hoch Erhabene aufschwingt. Es ist viel Platz auf diesen Flügeln – nur nicht für stupide A&R-Manager. Andererseits: Jetzt ist es wahrlich egal. Gerade die Scharmützel um dieses Meisterwerk haben Mann nachhaltig in Erinnerung gerufen. Wenn es jetzt nicht klappt, ist sie eben zu gut. Obacht: Veröffentlichung Ende Februar.