Aimee Mann

Mental Illness

Eine Art Comeback. Aimee Mann kehrt zu ihrer Kernkompetenz zurück: den scharfen Beobachtungen in wohligen Arrangements

Dieses Album ist kein Comeback, aber es fühlt sich trotzdem wie eines an. Aimee Mann hat ihre letzte Platte, eine Zusammenarbeit mit dem Songwriter Ted Leo unter dem Namen The Both, vor drei Jahren veröffentlicht. Das ist also noch nicht so lange her. Erinnern werden sich viele an dieses Werk aber ebenso wenig wie an die Titel der Alben davor: „@#%&*! Smilers“? „Charmer“? „The Forgotten Arm“?

Auf allen fanden sich ein paar gute Songs, aber wenn man sich nach der typischen Aimee-Mann-Stimmung sehnt, nach melancholischen Liedern, die klingen, als hätten Harry Nilsson und ­­George Harrison sie sich gemeinsam im Brandy-Alexander-Rausch ausgedacht und ­eine leicht verschnupfte und angesäuerte Sängerin gebeten, sie vorzutragen, legt man andere Platten auf als diesen zickigen, oft etwas anämischen Indierock: das Solo­debüt, „Whatever“ von 1993, etwa, den Soundtrack zu Paul Thomas Andersons Film „Magnolia“ von 1999, das ein Jahr später erschienene „Bachelor No. 2“ oder „Lost In Space“ von 2002. So gesehen ist „Mental Illness“ doch ein Comeback, denn hier kehrt die klassische Aimee Mann zurück, die ihre scharf und präzise beobachteten traurigen Geschichten in getragene Melodien kleidet und auf wohlige Arrangements aus akustischen Gitarren, Klavieren und Streichern bettet.

Die Lügen des Sommers

Die Bescherung beginnt angemessen weihnachtlich mit Schlittenschellen und Schneegestöber. „Goose Snow ­Cone“ heißt der Song, in dem jede Zeile wie ein „Peanuts“-Cartoon auf kürzestem Weg in die Verlorenheit führt: „Thought I saw at my feet an origami crow/ But it was only the street hidden under the snow.“ Oder: „Even birds of a feather find it hard to fly.“ Oder: „I just wanted a place, but I ended up gone.“ Und die Aussichten werden im weiteren Verlauf des Albums nicht heiterer, das lässt sich schon an den Songtiteln ablesen: „Stuck In The Past“, „You Never Loved Me“, „Lies Of Summer“ oder „Poor Judge“ – und ein Lied, das trügerisch „Good For Me“ heißt, handelt von all den Lügen, die man sich selbst erzählt, von Dingen und Menschen, die angeblich gut für einen sind: „Under cover of your rifle fire I slipped the traces and I ­tripped the wire – isn’t that good for me?“

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Und in „Patient Zero“, dem prachtvollen Schüsselsong dieses Albums, heißt es in Anspielung auf die von der betörenden Martha Vickers gespielte Femme fatale aus Howard Hawks’ Film-noir-Klassiker „Tote schlafen fest“: „Carmen Sternwood probably pulled that trigger for fun.“

Aimee Mann hat zu unser aller Vergnügen auf „Mental Illness“ gleich elfmal den Abzug gedrückt.
(SuperEgo/Membran)