Ali, Regie: Michael Mann :: (Start 15.8.)
Man kennt diese Bilder, die in Jahrzehnten einen modernen Mythos dokumentiert und reproduziert haben. Die Kämpfe. Die Posen. Die Pressekonferenzen. Er hatte im Ring getanzt, in jedes Mikrofon gesungen. Noch heute, von der Parkinsonschen Krankheit geschüttelt und nahzu gelähmt, hebt er vorjeder Fernsehkamera wie ein Affchen seine Arme zum Schattenboxen. Und immer noch hört man, wie ihm in Zaire die Leute auf der Straße zuriefen: „Ali, bombale.“
Muhammad Ali, the champ formerly known as Cassisus Clay, ist mindestens so berühmt wie Elvis Presley. Eine leibhaftige, aber nicht unbedingt amerikanische Legende. Ein schillernder Gigant, ein tragischer Triumphator, ein stolzer und sturer Mensch. Und obwohl zahllose Dokumentarfilme sein Leben studiert, seine Boxkämpfe und jedes seiner Worte seziert haben, konnte ihm letztlich das Geheimnis seines Charismas und seiner Siege nicht entrissen werden. Das macht die eigentliche Größe von Ali aus, der sich selbst als den Größten pries. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass sich zuvor niemand an eine Verfilmung seiner bewegten Biografie getraut hat – und warum auch Michael Mann an ihm scheitern musste.
Will Smith verkörpert Ali, und ihm gelang zumindest, was von dem leichtgewichtigen Comedy-Star niemand erwartet hatte: die schauspielerische Symbiose mit dem Vorbild. Auch auf den zweiten Blick ist er oft nicht von Ah‘ zu unterscheiden. In der geschmeidigen Gestik, erhabenen Mimik und melodischen Rhetorik kommt Smith ihm so perfekt nahe wie überhaupt möglich. Das Charisma jedoch, das von Ali ausging, ist nicht imitierbar. Smith buchstabiert Ali nur nach, so wie Mann all die bekannten Bilder und Ereignisse. „Ali“ ist kein analytisches Porträt, sondern eine Huldigung, ja Meditation, der man das ewige Staunen über die Faszination Ali ansieht.
Mann schildert nur die entscheidenden, ereignisreichsten Jahre zwischen 1964 bis 1974, seinem ersten und letzten von drei Titeln als Box-Weltmeister, der Annahme des islamischen Glaubens und neuen Namens, seiner Verweigerung des Kriegsdienstes während des Vietnamkonflikts („I ain’t got no quarrel with the Vietcong“) und seiner wundersamen Wiederauferstehung beim „Rumble in the Jungle“ mit George Foreman. In einem mehrere Minuten langen Prolog, der bis zu seinem ersten Titelkampf gegen Sonny Liston einen Auftritt von Sam Cooke kunstvoll, ryhthmisch und nahtlos mit Alis Training verknüpft, zeigt Mann einige inspirierende Erfahrungen aus dessen Jugend. Dennoch setzt der Film einiges an Wissen voraus, da Mann die Eckpunkte trotz einer Länge von 156 Minuten recht schnell und eher nüchtern abhakt. Zwar interpretiert er die Nation of Islam sowie den starken Einfluss von Malcolm X (Mario Van Peebles) auf Ali nicht gerade schmeichelhaft und werden auch die Probleme mit seinen ersten beiden Ehefrauen (eine spielt Smith‘ Frau Jada Pinkett-Smith) angeschnitten. Aber die Widersprüche in seinem Charakter, die Auswirkungen der despotischen Religionsregeln und sein gewiss heftiges Leiden nach dem Entzug der Box-Lizenz frieren an der Oberfläche von Manns exzellenter Optik ein.
„Ali“ ist eigentlich ein nonverbales Werk, das suggestiv mit Zoom und Zeitlupe arbeitet, Emotionen visualisiert und in seinen besten Momenten geradezu spirituell groovt Vor allem in den Box-Kämpfen stilisiert Mann nicht mehr und weniger als vibrierende Magie. Auch hier erreicht das erstaunliche Schauspiel aber nicht die Anspannung, selbst nach mehrmaligem Sehen immer noch überraschende Genialität von Alis Schlägen und tänzelnden Körpertäuschungen in den originalen Fernsehaufhahmen.
Michael Mann und Will Smith müssen sich aber nicht grämen. Wie George Foreman sind sie nur einem enigmatischen Wesen unterlegen.