ALT :: Progrock für Fortgeschrittene: Neues von Hammill und VDGG
Für uns, die ihre jugendliche Versicherung, überhaupt am Leben zu sein, nicht qua Fußballtor erlangen konnten, sondern ständig zwischen Schmerz und Prunk taumeln mussten, ist Peter Hammill der Lebens-Soundtrack-Schreiber. Doch man wird älter und erschrickt bei dem Gedanken, dass der Brite doch auch nicht viel mehr als ein Hermann Hesse ist, der seine Schuldigkeit schon lange getan hat. 31 Alben, über den Daumen gepeilt abnehmende Qualität. Oder Ermüdungserscheinungen beiderseits? „Consequences“ ist dann doch das beste und interessanteste seit vielen, vielen Jahren. Wie mittlerweile üblich, spielt der frühere Van-Der-Graaf-Chef alles ohne Ausnahme selbst: Gitarre, Klavier und natürlich Hammill. Denn das Vielstimmige ist zurück und die flirrende Lässigkeit, die getupften, manchmal bluesigen, meist schlagzeuglosen Melodien der großen Alben nach „Nadir’s Big Chance“, dem Hammill-Coup von 1975, der Punk vorwegnahm. Das Gerücht kursiert, „Consequences“ könnte das letzte Album des dünnen Mannes werden. (Fie!)
Auch Van Der Graaf Generator forschen in der eigenen Vorzeit. „ALT“ aber ist ein durch und durch enigmatisches Album, vielleicht eine Provokation wie Lou Reeds „Metal Machine Music“, ein Angebot an Menschen, die glauben, Genesis‘ Pop-Phase begann mit „The Waiting Room“ – oder einfach ein musikalisches Rätsel. Die 14 Segmente sind Improvisationen ohne erkennbare Struktur, die allerdings durch ihre sehr klassische Progressive-Rock-Instrumentierung für Millisekunden seit Jahrzehnten im Kopf gespeicherte VDG-Generator-Fetzen und -Fetzchen abrufen. Das Ganze: unproduziert, wie in die Ecke eines Raumes gestellt und natürlich rein instrumental. Kein Hammill-Gesang, der als Anker dienen könnte. Dabei bleibt das Album auf obskure Weise tatsächlich hörbar. Als Mutprobe taugt es nicht, bewertbar aber ist es auf keinen Fall. (Esoteric/Red Cherry) Peter Huth