Alternativen

Nimmt man die zum Jahresbeginn vorliegenden Neuerschei nungen zum Maßstab, so steht an Alternativen’98 einiges bevor. Beginnen wir sofort mit der wohl bedeutendsten interaktiv-psychedelischen Sound-Installation seit Erfindung der Heimorgel. Um das nämliche Opus der FLÄMING LIPS auf die Weise goutieren zu können, wie es die Künstler vorgesehen haben, ist Folgendes vonnöten: vier CD-Player mitsamt Lautsprecheranlage, dazu vier Hände, die imstande sein müssen, absolut synchron vier Starttasten zu drücken.

Warum nur? Nun, J^tmeeta“ (WEA) ist ein 4-CD-Set, bei dem CD eins das grundlegende Song-Material enthält, während die anderen parallel abzuspielende, zusätzliche Instrumental-Einheiten enthalten. Bei uns sind die Finger ebenso zittrig wie die Player-Plätze rar, und somit können wir das maximale Klangerlebnis nur erahnen. Doch soviel sei gesagt: Schon die erste CD könnte mit ihren ständigen Stilwechseln, den verbogenen Strukturen und fiesen Frequenzen wohl den einen oder anderen Hörer überfordern. Ohne Wertung.

Gigantomanie der anderen Art tritt bei den ROYAL TRUX zutage: Unter dem Titel „Live Singles Unreleased“ (Domino/RTD) dokumentieren zwei randvolle CDs (nebst Dreifach-Vinyl-Box) ausführlichst, was die New brker Junk-Rocker von neben und um ihr geflopptes Major-Album herum so alles produziert haben. Rückblende: Band-Chef Neil Haggerty spielte einst mit Jon Spencer (Blues Explosion) in der legendären Noise-Combo Pussy Galore. Wo letzterer nebst allen Visionen immer Sinn für Form bewies, scheint bei den Trux das Zufallsprinzip regiert zu haben. Dies hat nicht selten Katastrophen zur Folge (vgl. die Version von Grace Slicks „Law Man“), birgt aber auch einige grandiose Momente. Vielleicht wäre weniger mehr gewesen, aber für eine devote Fan-Gemeinde kommt dieser Klotz wohl gerade richtig. Auch keine Wertung.

Gigantomanie der dritten Art: Mißlungen klingt der Versuch des Texas-Quartetts THE MUFFINS, seinem Vorbild Frank Zappa mit dem Cover-Album „Frankiecense“ (EFA) Tribut zu zollen. Auch die Anwesenheit der nimmermüden Ur-Mutter Jimmy Carl Black kann es nicht verhindern, daß sich bereits nach einem guten Drittel der 17 Zappa-Kompositionen ein gewisses Stirnrunzeln einstellt, denn nach der Intepretation der Texaner scheint der Meister ein recht dröger Prog-Rocker gewesen zu sein. Mit anderen Worten: Sein berüchtigter Humor ist hier kaum vernehmbar. 2,0

Auch FAUST haben sich übernommen: Es ist eben doch etwas anderes, in akribischer Studio-Kleinarbeit all die schönen Momente zu einem prima Album zu schnippeln LY&k Know Faust“, *97), als vor laufendem Projektor so live wie spontan einen Soundtrack zu F. W. Murzu improvisieren. Auf dem Tonträger allein ist die Spannung der bewegten Bilder nur bedingt nachzuvollziehen. Schade, daß wir gerade kein Video zur Hand hatten. Wiederum keine Wertung.

Wie ergeht es einer Heimstudioerprobten Band, wenn sie ihren experimentierfreudigen Eklektizismus erstmals in einem halbwegs professionellen Studio praktiziert? Nach drei Lo-Fi-Alben hat die nordenglische Formation HOOD diesen Schritt gewagt, jedoch ohne ihre musikalische Herangehensweise dieser Veränderung anzupassen. Das Ergebnis: Fehlt das so heimelige Grundrauschen, dann stehen die Kompositionen abstrakt und verloren im leeren Raum. Und diesen vermag „RusticHotises, Forlorn Valleys“ ‚(Domino/RTD) nicht so recht auszufüllen. 2,0

Schneller Übergang zu GASTR DEL SOL, bei denen Abstraktion und Reduktion schon immer die entscheidenden Stilmerkmale waren. Die ironische Ankündigung David Grubbs & Co. seien mit „Camoßeur“ (Domino/RTD) zum Pop übergewechselt, geht dabei doppelt nach hinten los. Weder sind Annäherungsversuche an (handgespielten) Drum 8t Bass und Elton John poppig zu nennen, noch ist die Zeit für David Grubbs 8t Co. stehengeblieben. 3,0

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