Alternativen von Michael Ruff

Indie-Rock gestorben? Wer dieser Meinung ist, muß darunter leiden, daß die hiesigen Lizenznehmer von lähmender Vorsicht befallen zu sein scheinen. Wie sonst ist es zu erklären, daß eine hervorragende Band wie DIESELHED bei uns völlig unbekannt geblieben ist „Tales Of A Brown Dragon “ heißt ihre zweite CD auf dem Amarillo-Label aus Santa Fe, New Mexico. Die Gitarren sind elektrischer als auf dem ebenso erstklassigen Vorgänger von ´94, gingen aber an den Ohren sämtlicher Talentsucher bislang gleichfalls vorbei. Seltsam eigentlich, wenn man bedenkt, daß hier Mitglieder von Faith No More, Mr. Bungle und Thinking Fellers vertreten sind. Referenzen wie diese sind allerdings mit Vorsicht zu genießen: Dieselhed pflegen die Kunst der diffizilen, country-beeinflußten Songwriterei und gehen mit Humor zu Werke, der alle Fans von Camper Van Beethoven oder den frühen Souled American jubeln lassen wird. Hoffentlich nimmt sie auch hier bald jemand unter Vertrag: 4,5

Auch nur als Import erhältlich, aber eine Klasse für sich ist die neue CD von MX-80. Veteranen werden sich erinnern, daß diese Band Anfang der 80er Jahre zwei zeitlos gute Longplayer auf dem Label der Residents veröffentlichte. Seither gab es höchstens alle fünf Jahre mal eine Single, aber das macht die Freude über „I´ve Seen Enough“ (Atavistic) nur größer, zumal die Band zu drei Vierteln in Originalbesetzung antritt und auch stilistisch an frühere Highlights anknüpft. Die Gitarren klingen zwar weniger kantig, dafür wagt sich die Musik erfolgreich in jazzige Bereiche vor, was besonders Rich Stims unterkühlt-gelangweilter Sprechstimme hervorragend steht 4,5

Wem diese Art intellektueller Mitternachts-Jazzerei ein wenig zu düster erscheint, dem seien die SQUIRREL NUT ZIPPERS empfohlen: „Hot“ (Mammoth/RTD) ist eine rundherum korrekt gespielte Mischung aus Dixieland, Western Swing, launiger Vereinsheim-Atmosphäre und Tanzschulen-Schmachtern, welche in dieser Form seit ca. 40 Jahren keinem jungen Publikum mehr ernsthaft vorgesetzt werden durfte. Aber heute sind die Zeiten anders: Verglichen mit dieser geballten Ladung an Easy Listening-Animation dürfen sich sogar Combustible Edison den avantgardistischen Neutönern zurechnen. 3,0

Jill Cunniff und Vivian Trimble sind bekannt von der Girl-Band Luscious Jackson. Unter dem Namen KOSTARS haben die beiden nun ein Unplugged-Album eingespielt, das ihnen angeblich bei einem Waldspaziergang (mit Gitarren) eingefallen ist „Klassics With A ‚A'“ (Grand Royal/RTD) überrascht mit flotten, leicht südamerikanisch angehauchten Rhythmen und entspannten Melodien, wie man es von ihrer Stamm-Band bisher nicht gewohnt war. 3,5

Nicht weniger als sieben Platten haben MECCA NORMAL allein mit Gitarre (David Lester) und Stimme (Jean Smith) eingespielt. Auf „The Eagle & The Poodle“ (Matador/RTD) darf nun erstmals ein Schlagzeuger mitmachen. Das gibt der Musik natürlich mehr Druck, nimmt Jean Smith‘ aggressiver Song-Poesie allerdings auch etwas von ihrer unangreifbaren Individualität Aber das hat man ja ihrer Namensvetterin Patti auch gesagt, als sie Lenny Kaye seinerzeit einen Schlagzeuger zur Seite stellte. 3,5

Auch SAMMY sind eigentlich ein Duo, klingen aber dank diverser Gast-Trommler stets wie eine stramme Gitarrenband. In Sachen Songwriting haben sich Jesse Hartman und Luke Wood freimütig aus dem reichhaltigen Fundus ihrer Hometown New York bedient – vorzugsweise bei Lou Reed und Velvet Underground in der soften Phase. „Tales Of Great Neck Glory“ (Fire/IRS) bewegt sich durchweg im Bereich mittelschneller Tempi und paßt in seiner gedämpft rebellischen Attitüde heuer übrigens ganz hervorragend zur verregneten Jahreszeit. Man könnte direkt Sommerhit dazu sagen. Ebenfalls aus dem Fire-Programm wiederveröffentlicht: die Telstar Ponies. 3,5

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