ALTERNATIVEN :: von Michael Ruff

Schon mal von Andre Williams gehört? Nicht? Komisch eigentlich, denn immerhin ist er schon seit den 50et Jahren aktiv. Mit „Silky“ (Normal/Indigo) macht er unmißverständlich klar, daß ihm sämtliche musikalischen Entwicklungen seit der Erfindung des Rock’n Roll komplett egal geblieben sind. Hall, verzerrte Gitarrensound und billige R&B-Animation gehören zu den wenigen Modernismen, und immer bleibt alles auf das Notwendigste skelettiert – so als würde man seine Verstärker noch heute selbst zusammenlöten. Und als wären Autos und Weibern noch dasselbe wie früher. 3,0

Die sieben Songs, die A SUBTLE PLAGUE für das Mini-Album „Secret Lives“ (Trocadero/ ARIS) eingespielt haben, legen den Schluß nahe, daß sie den Abgang ihrer Sängerin als Sprungbrett zu nutzen gedenken. Nie zuvor klang die Band so poppig wie hier, und das Motto lautet: Grunge lebt! „Steps Of A Ghost“ isteindeutig Screaming Trees, „Given Take“ ganz klar Nirvana, „Head In A Garbage Can“ Neil Young mit Pearl Jam. Und da die gesamte Mannschaft wie im Rausch aufspielt, sei es auch verziehen, daß auf „Help Me“ arg tief in die Gefühlskiste gegriffen wird. Da ist die Gänsehaut programmiert. 4,0

1975, also mindestens drei Jahre nach Bowie und Roxy Music, stellte „Sounds“-Rezensent Karl Lippegaus anläßlich des Debüts von SLAPP HAPPY fest, daß das Trio sich zwischen „oberflächlicher Pseudo-Hipness, dem Umherflattern im Wolkenkuckucksheim und einer dümmlichen elitären Pop-Schickeria bewegt“. Da es heute sehr viel besser ankommt, wenn man smart, cool und ein bißchen überheblich agiert, ist die unerwartete Reunion von Dagmar Krause, Peter Blegvad und Anthony Moore nicht ohne Logik. „Ca Va“ (V2/RTD) ist allerdings eher als Alterswerk zu betrachten. Der subversive Charme der frühen Songs ist einer kontemplativen Sichtweise gewichen, die sich meist mit Erinnerungen (Kindheit, Fehltritte etc.) beschäftigt Ganz zu schweigen von den biederen Arrangements, die so manchen guten Song mit nachgerade peinlichen Mainstream-Klängen überwölken. 2,5

Wer von „Boss“ Beck protegiert wird, ist gewissen Erwartungen ausgesetzt. Seltsam also, daß SEXY DEATH SODA so unentschlossen agieren. Obwohl ihr Mentor das mutige Niederreißen aller Stilgrenzen propagiert, bleiben Sixties-Reminiszenzen, Dub-Elemente oder blanker Pop auf “ California Pofice&ote“(BongLoad/GrandHarbour) säuberlich getrennt Dazu gehen die Kalifornier so vorsichtig zu Werke wie Elektriker im Regen. So was nennt man wohl nett. 3,0

Wenn es nach der schieren Masse geht, ist ROBERT POLLARD der größte Songwriter aller Zeiten. Nicht nur, daß auf jeder LP seiner Gruppe Guided By Voices mindestens 20 drauf sein müssen – nun gibt es die zweite Solopartie mit 17 weiteren Beispielen seiner ungebrochenen Produktivität Wobei solo im Falle von „Waved Out“ (Matador/ RTD) nicht wörtlich zu nehmen ist, denn es handelt sich offenbar um diejenigen Songs und Demos, die durchs Sieb gefallen sind, als es beim letzten Guided By Voices-Album „Meg Earwig“ darum ging, Pop-Aspekte in den Vordergrund zu stellen. Für Alt-Fans somit die bessere Wahl. 3,0

Wer Schwierigkeiten bei der Entscheidung zwischen deutschem Hip-Hop und Velvet Underground hat, sollte es mit KIRMES versuchen. Das Münsteraner Duo kommt auf „Video“ (Disko Grönland/Indigo) wie die 39 Clocks des Fischmobtums daher. Wenn selbst ein namhafter Produzent wie Lotte Ohm weder am schludrigen Songmaterial noch an den zweifelhaften Raps etwas geändert haben wollte, dann muß schon etwas dran sein. Hauptsache, es macht Spaß – zumal Trash-Pop in dieser Form hierzulande noch nicht aufgeführt worden ist. Für Lotte Ohm natürlich eine leichte Fingerübung, bei der er sich den ordnenden Zugriff offenbar selbst untersagt hat – Respekt auch vor den nicht ausgereiften Kollegen. 3,5

Und noch eine Warnung: Von der an dieser Stelle in RS 6/98 besprochenen CD der DYLAN GROUP ist eine höchst überflüssige Remix-Version C/fe-Interpreted“, EFA) erschienen, die das Vibraphon zugunsten von Allerweltsklängen in den Hintergrund drängt Finger weg! 1,0

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