ALTERNATIVEN :: VON MICHAEL RUFF
Amerika, Land der unerkannten Möglichkeiten. Da darf eine Band namens MONROE MUSTANG vier Jahre lang fest unter Ausschluß der Öffentlichkeit musizieren und Songs schreiben, und wenn dann endlich das Debüt-Album erscheint, überschlagen sich alle vor Begeisterung. Heute heißt es, „Piain Sweeping Tkemes For The Unprepared“ (Trance/EFA) sei eine geniale Mischung aus Byrds, Bowie und frühen Pink Floyd – große Namen und leicht überzogene Vergleiche, was allerdings nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß kaum eine US-Band in letzter Zeit ein derart überzeugendes Erstlingswerk hingelegt hat. 4,0
Auch in England, dem Land der grenzenlosen Medien-Hypes, gibt es noch Bands, die lässig und locker drauflos spielen, ohne gleich an die Charts und Titelseiten zu denken. QUICKSPACE zum Beispiel. Gegründet von Ex-Faidi Healer Tom Cullinan, hat die Band seit 1995 sämtliche Major-Angebote ausgeschlagen, um sich ganz ihrer eigenen Philosophie zu widmen. Auf dem zweiten Longplayer „Precious Falling“ (Domino/RTD) ist dabei eine Musik herausgekommen, die im Dreieck zwischen Delgados, Stereolab und The Fall angesiedelt ist, wobei die Produktionsweise nicht selten an Lee „Scratch“ Perry erinnert – soll heißen, daß die Songs, so stimmungsvoll sie sein mögen, von Überraschungseffekten durchsetzt sind. Damit hat sich das Album das Prädikat „einzigartig“ verdient. 3,0
Britische Individualisten, Teil 2: Seit vielen, mit etlichen CDs gespickten Jahren verwöhnen die BEATNIK FILMSTARS ihren kleinen, treuen Fankteis mit unbeugsamem Lo-Fi-Brhpop. Auch ein hochtrabender Album-Titel wie „Boss Disque“ (EFA) hat für ihr neues Werk lediglich ironische Bedeutung: Das sympathische Geschrammel geht weiter, Veränderung ist nicht in Sicht. Entweder stimmt man begeistert zu oder man läuft schreiend davon. 3,0
Eigentlich bürgen Namen wie Bundy K. Brown (Directions In Music), Doug McCombs (Tortoise), Chris Brokaw (Come) und Curtis Harvey (Rex) für fortschrittliche Dub-Rock-Varianten. Unter dem Namen PULLMAN gehen sie auf „Turnstyles And Junkpiles“ (Thrül Jockey/EFA) weit in der Geschichte zurück, um einem Künstler zu frönen, der weder elektronisches noch elektrisches Equipment jemals verwendet hat. Ihre rein akustischen, live auf zwei Tonspuren aufgenommenen Saiten-Meditationen weisen die Protagonisten der Chicago-Schule als Fans und Kenner der Gitarren-Legende John Fahey aus. Hier muß man wirklich tief eintauchen, um die Nuancen der Musik würdigen zu können, denn für den unbedarften Hörer klingen die einzelnen Stücke wirklich alle gleich. 3,0
Zwischen den modernen Adaptionen, die so verschiedene Bands wie G. Love & Special Sauce und Jon Spencer Blues Exlosion ins Spiel gebracht haben, hat ein traditionell orientiertes R&B-Songwriting derzeit wenig Chancen. P. W. LONG WITH REELFOOT kümmert dieses allerdings wenig, und so sind auf „Push Me Again“ (Touch & Go/EFA) diverse Kracher im alten Stil zu hören, welche die Herzen der konservativen Leserschaft höher schlagen lassen dürften. Ein kompaktes Werk mit fetter Orgel, strammer Gitarre (keine Soli!) und kratzigem Gesang, so authentisch wie (Südstaaten-)provinziell. 3,0
Bar jeder Vergleichsmöglichkeit sind die verwundenen, bis ins kleinste durchkomponierten Post-Rock-Epen, die A MINOR FOREST mit Steve Albini als Produzent auf „Flemish Altruism“ (Thrill Jockey/EFA) zelebrieren. Extreme Wechsel zwischen laut/leise und langsam/schnell machen es den Zuhörenden nicht eben leicht, den Aufbau der Stücke nachzuvollziehen. Aber dafür ist auch das zehnte Hören noch für Überraschungen gut. 3,0
Zum Schluß ein echtes Kuriosum: „Im Dienste des Sozialismus“ (so der Plattentitel) treten IFA WARTBURG, die Vorzüge der einstigen DDR zu besingen, natürlich im parteitaggeeigneten Humpta-Humpta-Stil. Ob das nun als Party-Spaß, Ostalgie oder reines Medienspektakel gemeint ist, kann hier nicht entschieden werden. Vermutlich ist es alles zusammen und höherer Schwachsinn noch dazu, aber allemal lustiger als DieterThomas Kuhn und Guildo Hörn. Erstaunlich nur, daß die beiden Musiker angeblich in Stockholm ansässig sind im wirklichen Leben kaum ein Wort deutsch können (Plattenmeister/Indigo). 3,0