Alternativen von Michael Ruff

Ein unscheinbares US-Trio von der Ostküste vollführt einen Spagat, von dem keiner geglaubt hat, daß er überhaupt machbar ist: KARATE fusionieren Musik und Understatement der frühen Go-Betweens mit der Disziplin und den kühlen Akkorden des Hardcore und stellen das Ganze auf eine Blues-orientierte Basis. „The Bed Is In The Ocean“ (Southem/EFA) ist zurückhaltend instrumentiert und frei von Knalleffekten, doch die Songs sind voller unerwarteter Wendungen und nehmen das Ohr mit ihrer unterschwelligen Spannung sofort in Dauerbeschlag. Fraglos eine der besten Platten aus dem Gitarren-Untergrund von 1998. 4,0

Mit THE LAPSE steht ein weiteres US Trio auf der Matte, daß seinen ganz eigenen Weg gehen will. Hier ist der Hardcore-Bezug zwar deutlicher vernehmbar, doch liegt über „Betrayal“ (Gern Blandsten/Cargo) ein Schleier mystischer Romantik, der in diesem Genre noch nicht vorgekommen ist und den im erregten Sprechgesang vorgetragenen Texttiraden entspringt, wo Frontmann Chris Leo im Stile eines Predigers der Aufklärung agiert und Gott und die Welt an den Pranger stellt. 3,5

Wie schön muß es gewesen sein, als Simeon und Danny Taylor, die beiden Originalmitglieder der Silver Apples, sich nach 30 Jahren mal wieder in den Arm nehmen konnten. Vor allem auch deshalb, weil der lange verschollene Taylor ein paar alte Tapes auspackte, die nunmehr unter dem Titel „The Garden“ (Whirlybird/Import) auf CD erschienen sind. Dabei wird klar, daß ihre Mischung aus Stammeigetrommel und prähistorischer Elektronik kaum als Vorläufer für heutigen Techno-Sound taugt: Ihre besten Songs sind Pop mit anderen Mitteln, leicht und nicht ohne Humor, wie auch die häufigen Referenzen in Richtung Country-Pop und klassischem Rock’n Roll. Mit dem harten Sound von Kraftwerk bis heute haben sie nichts gemein. 3,0

An GODSPEED YOU BLACK EMPEROR scheiden sich die Gesiter. Verweise auf Ennio Morricone, Kammermusik, Postrock etc. wecken Erwartungen, die auf dem Longplayer „f#a#oo“ (Cargo/Hausmusik) kaum einmal erfüllt werden. Das neunköpfige Emsemble will Songstrukturen vergessen machen und bevorzugt freie Improvisation, dies aber auf die ganz bequeme Art: Im zweiten Stück einen einzigen Akkord 17 Minuten lang mal laut, mal leise anzuschlagen und das Ganze mit pseudo-symphonischen Orchesterschlägen ausklingen zu lassen, grenzt knapp an Effekthascherei. 2,0

Bittere Ironie: Nach dem gescheiterten Pop-Projekt „Camoufleur“ und der prompt folgenden Auflösung von Gastr Del Sol macht David Grubbs sein bestes Album seit Jahren, aber leider ist „The Thicket“ (Drag City) nur als Import zu haben. Nach der Trennung von Jim O’Rourke hat Grubbs zu seinem eigenen Stil zurückgefunden, der bei allen intellektuellen Ansprüchen weit weniger akademisch ist und von einer gewissen Zärtlichkeit im Umgang mit musikalischem Material geprägt wird. Hier dominieren Folk- und Country-Einflüsse, die Grubbs zu einem fast traditionell anmutenden Songwriter-Album verarbeitet hat, ohne dabei die Moderne aus den Augen zu verlieren. Banjo mit Zeitgeist! 4,0

Eine achtköpfige Jazzband trifft auf Soundtüftler des elektronischen Zeitalters? Klingt interessant, aber leider nur auf dem Papier. Nach gutem Beginn irren THE BILL WELLS OCTET Vs. Future Pilot AKA auf dem gleichnamigen Album (Domino/RTD) orientierungslos von einer Stilanleihe zur anderen und musizieren dabei fleißig aneinander vorbei Mit „No Funerals This Morning“ genügt jedoch ein einziger Geniestreich, um die nicht mal halbstündige Spielzeit des Albums positiv in Erinnerung zu behalten. 3,0

Das neue Werk der THIRD EYE FOUNDATION ist bereits seit November draußen, nur hat sich niemand an „You Guys Kill Me“ (Domino/RTD) rangetraut. Kein Wunder, denn diese schroffe Mischung aus elektronisch verhärteten Latino-Beats, nebulösen Soundschwaden und geisterhaften Stimmen funktioniert als Soundtrack nur, wenn es schneit und das Flackerlicht vom Weihnachtsmarkt zuckt. 3,0

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