Alternativen von Michael Ruff

Grimmige Hardcore-Riffs, zackige Bläsersätze, viele Trommeln, bizarre Kostüme und ein exzentrischer Sänger, dazu die Lust, das Thema der Ski-Verfolgungsjagd aus James Bonds „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ nachzuspielen – auf der JBalderdash“-Tour (1997) stießen BOTTOM 12 mit diesem Rezept auf allgemeine Begeisterung. Seither ist dem Septett nicht nur die Trompete abhanden gekommen, sondern seltsamerweise auch der Sinn für humoristische Turbulenzen dieser Art. In Abwesenheit von Tröte und Bühnenshow klingt „Secret Mechanics“ (Nois-O-Lution/EFA) auf Dauer einförmig und so ermüdend wie eine Parodie auf Ministry. Aber die Konzerte sollte man nicht verpassen. 3,0

Papier ist bekanntlich geduldig, aber jenem Kollegen, der FLACCO RIVERA im „Melody Maker“ mit James Brown und Led Zeppelin verglich, sollte dennoch die Diensterlaubnis entzogen werden. Aufseiner Kurz-CD „Flacco Coulo“ (SwarfFinger/ Cargo) hört man kaum mehr als englische Spät-Mods, die ihre dünnblütigen R&B-Versionen mit etwas Verstärkerlärm aufzumotzen versuchen. Gallon Drunk hätten so etwas von der Bühne geblasen. 2,0

Als Co-Star zeichnete JOHN PARISH einst verantwortlich für ein PJ. Harvey-Album. Sein Soundtrack zum Film „Rosie“ (Swarf Finger/Cargo) weist ihn als feinfühligen Musiker aus, der eine melancholisch ruhige, von Gitarrenzupfern und Pianotupfern bestimmte Atmosphäre kitschfrei aufzubauen versteht Gastsängerin Alison Goldfrapp (Tricky) setzt als minimalistisch groovendes „Pretty Baby“ den Glanzpunkt, für den man das gesamte Album gern im Gedächtnis behält. 4,0

Nach dem furiosen Album „Bakesale“ (1994) gab es nicht wenige, die SEBADOH den großen Karrieresprung zutrauten. Dann aber kam mit „Harmacy“ (1996) ein schwaches Album, daß den Eindruck erweckte, Bandchef Lou Barlow würde die besten Songs für sein Zweitprojekt Folk Implosion aufsparen. Auf „The Sebadoh“(City Slang/ EFA) scheint sich dies zu bestätigen, denn erstmals stammt die Überzahl des Materials aus der Feder von Baßmann Jason Loewenstein. Zwischen dessen krachenden Rock-Riffs wirken Barlows Herzausreisser-Balladen irgendwie verloren, zumal er zu Selbstplagiaten neigt und mit „Love Is Stronger Than The Truth“ gar R.E.M. zu imitieren sucht Hier scheint auf dem langen Weg etwas verlorengegangen zu sein. 2,5

Da greift man lieber zu hoffnungslosen (zu)Spät-Grungern wie KNAP SACK.“This Conversation Is Ending Starting Right Now“(Alias/RTD) ist ihr drittes und bestes Werk – vorausgesetzt, man akzeptiert ihr Bestreben, Nirvana so nahe wie möglich zu kommen. Ein gelungener Versuch, nur leider hat die Band sich pünktlich zum VÖ-Termin aufgelöst. 3,0

Zum Schluß noch die schwierigen Importe: In aller Verschwiegenheit hat Ned Oldham, seines Zeichens Bruder von Bonnie Prince Will Oldham, unter dem Bandnamen THE ANOMOANON bereits zwei CDs (Palace Recs./Import) herausgebracht. Dort sind die gemeinsamen Roots der Brüder ebenso unschwer zu erkennen wie ihre gänzlich verschiedenen Arbeitsweisen: Wo Will auf loses Zusammenspiel, Spannung und Spontaneität setzt, muß bei Ned alles genau stimmen. Dies hat zur Folge, daß bei allen schönen Songs Zusammenspiel und Atmosphäre auf „Summer Never Ends“, dem jüngeren Werk, oft steif und bemüht wirken – was besonders Neds Stimmbänder beeinflußt zu haben scheint (3,0). Wo er sich hier mühsam von Ton zu Ion hangelt, macht er auf „Mother Goose“ eine weit bessere Figur. Hier geht es um uralte Kinderreime und Folk-Moritaten, deren majestätische Ambivalenz zwischen Frohsinn und Verderben zu vertonen ihm und seinen Begleitern hörbar Spaß gemacht hat. 4,0

Dem kleinen Runt-Label ist zu verdanken, daß ein wichtiger Zwischenschritt von Slint/11th Dream Day zu Tortoise/Gastr Del Sol (und den Folgen) wieder allgemein zugänglich ist „Promised Works“ vereint die beiden gesuchten EPs der kurzlebigen Gruppe THE FOR-CARNATION, welche den beteiligten Musikern ab Versuchsfeld für künftige Großtaten diente. Hier wird alles, was später einmal Post-Rock genannt werden sollte, vorsichtig und überaus hörbar ausgelotet Daß der Post-Rock nun auch schon wieder post ist, soll nicht stören. 5,0

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