Alternativen von Michael Ruff
Die Chicago-Connection blüht: Szene-Stars wie Liz Phair oder Urge Overkill stehen bereits unter mächtigem Erfolgsdruck, während die Nachrücker schon Schlange stehen. Gute Chancen dürfen sich dabei THE COCKTAILS ausrechnen: „Peel“ (Moll/EFA) ist längst nicht so easy listening wie der Band-Name vermuten ließe, dafür eine ausgewogen-poppige Mischung aus allem, was den städtischen Underground zuletzt in Mittelpunkt des Interesses gerückt hatte: Archer Prewitt von The Sea & Cake mischt gar persönlich mit, Spuren von Tortoise und Souled American sind ebenfalls herauszuhören. Wer bei diesen Namen hellhörig wird, bekommt zwar kaum Sensationelles geboten, doch enttäuschend ist die Anschaffung nicht – schon wegen der herzzerreißenden singenden Säge in dem Song „Cottonbelt“.3,5 Im Falle von JUNEOF >44 könnte man fälschlicherweise auf Chicago tippen – der geheimnisvoll monologisierende Sprechgesang erinnert stark an Dave Grubbs von Gastr Del Sol. An anderer Stelle aber explodiert die Musik in Richtung noisig-komplexer Rock-Abstraktionen, die eindeutig auf die New Yorker Herkunft des Quartetts hinweisen. Zwischen stiller Betrachtung und exessiver Lautstärke lädt „Engine Takes To The Water“ (Quarterstick/EFA) zu einem Hörerlebnis voller Kontraste – ungeteilte Aufmerksamkeit ist dabei allerdings vonnöten.3,5 Nachdem SST-Boß Greg Ginn zuletzt vor allem Bands unter Vertrag nahm, die allein seinem Geschmack zu entsprechen schienen, ist ihm nun ein Griff gelungen, der die marode Finanzlage seines Labels erheblich aufbessern könnte. Das Debüt des kalifornischen Trios THE MUDDLE erinnert an jene guten Zeiten, als spätere Stars wie Dinosaur Jr. oder Hüsker Du noch auf SST erschienen. Von dem scheidenden, fast atonalen Instrumental-Opener „In Narnia“ sollte man sich dabei nicht täuschen lassen: die übrigen zwölf Songs bringen alles auf den Punkt, was juvenile Garagen-Romantik schon immer ausgemacht hat: herziges Rabaukentum, nicht zu billige Melodien, und selbst in softeren Momenten nie ohne Hinweis auf den hormonellen Hintergrund der Songs bzw. der Band-Gründung überhaupt. Vielleicht die Stars von morgen (RTD). 4,0 Als Reifezeugnis ist die neue ALICE DONUT zu bewerten: Die Zeiten, als das US-Sextett mit zwei Sängern, rasanter Bühnenshow und im Stile eines Hardcore-Musicals angelegter Songabfolge Furore machte, scheinen mit der letztjährigen Live-CD ihren Abschluß gefunden zu haben. Das neue Studio-Werk „Pure Acid Park“ (Alternative Tentacles/EFA) klingt ungewohnt gemächlich. Allein die Version von Roky Eriksons „I Walked With A Zombie“ (gesungen von einer gewissen Sissi Schulmeister) sorgt in dieser Sommer-Revue für einen gewissen Kitzel.3,5 Ganz auf Nummer Sicher gehen Pothead: das mittlerweile in Berlin ansässige Trio um Sänger/Gitarro Brad, Exil-Grunger aus Seattle, zeigt auf ,J)esiccated Soup“ (Orange/EFA), daß etwas Distanz zur fämilären Umgebung durchaus befreiend wirken kann: Ein derart unverfroren aus Melvins, PearlJam, Soundgarden und anderen Gefälligkeiten schöpfendes Album hätten sie daheim wahrscheinlich nicht zu produzieren gewagt. Etwas viel gebrauchtes Pathos zwar, aber gekonnt gespielt. 2,5 SIXTEEN DELUXE behaupten, die derzeit lauteste Band von Texas zu sein. Das mag ja angehen, trifft aber nicht den Kern. Vielmehr ist dem Quartett um die beiden Frontleute Chris Smith und Carri Clark ein ebenso abwechslungsreiches wie stimmungsvolles Debüt gelungen. „Backfeed Magnet babe“ (Trance/EFA) erfreut mit zeitgemäßer Rock-Psychedelia, ist frei von überflüssiger Nostalgie oder unangemessenen Modernismen und schlägt locker die Brücke von Sonic Youth zu den frühen Pink Floyd. 3,5