Alternativen von Michael Ruff

Alternativen? So was gibt s nur im Traum, wächst man in einem nordfinnischen Nest knapp südlich des Polarkreises auf. Allein die drei Jungs von 22 PISTEPIRKKO („Marienkäfer“) wollten der Hölle aus Dauerfrost und Selbstgebranntem entrinnen, packten ihre Instrumente und flüchteten nach Helsinki. „Rumble City, La-La-Land“ (Strangeways/Indigo) ist ihr drittes Album in englischer Sprache und sollte dem Trio hierzulande endlich mehr Gehör verschaffen. Obwohl die Songs von einsamster Blues-Stimmung gezeichnet sind, strahlt die Musik eine fast kindlich anmutende Leichtherzigkeit aus. „Willy Billy’* eröffnet mit schöner Swamp-Gitarre, doch woher kommen plötzlich Afro-Percussion mitsamt sumpfiger Synthi-Unterlage? Von Crossover oder gar Culture-Clash kann trotzdem keine Rede sein: die Finnen sind Meister der leisen Töne. Wo andere dickes Sound-Fett auftragen müssen, werden hier Saiten und Trommel(-fell) mit dem Federkiel gekitzelt 4,0 Stilistisch und auch in punkto leise gedrehter Amps vergleichbar, nur längst nicht so freigeistig distanziert, klingt das zweite Album von RED RED MEAT, einer bislang wenig beachteten SubPop-Band. ,ßunny Gets Paid“ (WEA) startet, als wären die Musiker gerade aus tiefster Ohnmacht erwacht. Nach einem gut fünfminütigen Country-Delirium bewegt sich die Musik vorsichtig in Richtung rockiger Strukturen, doch sobald der typische Seattle-Sound am Horizont auftaucht, treten die Musiker augenblicklich auf die Bremse. Wer Palace Music und die letzte Uncle Tupelo liebt, darf sich hier in ebenso hemmungslosen Stimmungen suhlen. 4m0 Beim dem Longplay-Debüt von BAREFOOT CONTESSA (Semaphore) fühlt man sich sofort an Mazzy Star oder Cowboy Junkies erinnert. Auch hier sind die Arrangements atmosphärisch sparsam und animieren zu schmuckvollsten Phantasien, wobei die Sängerin Helene die hauchige Weiblichkeit manchmal eine Spur zu geschmackvoll betont – glamourös, einladend und auf typische Weise englisch inszeniert, von Zufälligkeit keine Spur, 3,0 Eine gewisse Überdosis an Altenative-Rock scheint dazu geführt zu haben, daß die hehren Werte englischer Pop-Kunst in den Staaten neuerdings wieder hofiert werden. „There’s Nothing Wrong With Lok“ (City Slang/EFA), das Debüt von BUILT TO SPILL, trifft genau in diese Rille. Band-Chef und Songwriter Doug Mansch kennt alle klassischen Sixties-Werke von Beades bis Pink Floyd, doch lassen seine Begleiter keinen Zweifel daran, daß es sich hier um eine amerikanische Garagen-Band handelt, und solchen bedeuten Freiheiten ja bekanntlich soviel wie Fettflecke auf den Jeans. Störender wirkt sich allerdings aus, daß die Drums trotz sehr mäßiger Klang-Qualität zu weit in den Vordergrund gemixt worden sind – als ginge es darum, den US-Radio-Mainstream zu erobern. Oder gar zu karikieren? Noch beißen sich die Elemente, wobei die feinsinnigen Melodien mitunter zu leiden haben. Trotzdem: gute Alternative. 3,5 Als historischer Wegweiser in Sachen Englandisierung des US-Undergrounds sei an dieser Stelle noch die posthum erschienene CD-Compilation der Gruppe UNREST erwähnt. „BJ>M. (1991-1994)“ (RTD) versammelt B-Seiten und Sampler-Beiträge der amerikanischen Brit-Pop-Kenner, gecovert werden u. a. Cath Carroll, James und Family Fodden3,0 Cover-Versionen? Höchst interessant, was die New Yorker Trash-Ganoven von SPEEDBALL BA-BY mit „Blitzkrieg Bop“ anstellen. Auf ihrer Mini-CD „Get Straight For The Last Supper“ (RTD) erklingt der Ramones-Klassiker im Gewände einer verschlafenen Tijuana-Ballade. Doch ganz ohne Respekt sind sie nicht: „T. B. Sheets“ bleibt ehrfürchtig nah an Van Morrison, und ihre eigenen Songs stehen fest in guter, alter (und leicht verrückter) Trash-Blues-Büly-Tradition. 3,5

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