Angel Haze Dirty Gold
Nun ist es also doch noch erschienen, das innigst erwartete HipHop-Debüt des Jahres 2013. So lange haben wir auf das erste Langspielwerk von Angel Haze warten müssen; seit 2011 hatte die damals gerade 19-jährige New Yorker Rapperin mit diversen Singles, Mixtapes und EPs für Furore gesorgt. Niemand sonst spuckte seine Silben so schnell und so scharf und zugleich so flüssig wie sie, und kein anderer Rapper, keine andere Rapperin gab dabei zuletzt so schmerzvolle Einblicke in die eigene Biografie – etwa in dem Track „Cleaning Out My Closet“, in dem Angel Haze im Sommer 2012 zu den Beats des gleichnamigen Eminem-Stücks davon erzählte, wie sie als Kind jahrelang sexuell missbraucht worden war.
Wenig später unterschrieb sie einen Vertrag bei Universal und kündigte für das Frühjahr 2013 ihr Albumdebüt an. Wieder und wieder wurde es dann verschoben, weil die Plattenfirma in den neuen Songs angeblich nicht genug kommerzielles Potenzial sehen konnte. Kurz vor Weihnachten stellte Angel Haze die ganze Platte plötzlich mit dem Kommentar „So sorry to Island/Republic records, but fuck you“ über Soundcloud ins Netz; nach einem halben Tag war sie dort zwar schon wieder verschwunden, aber Anfang Januar brachte das Label sie doch als legalen Download heraus.
Bei der amerikanischen Kritik herrscht nun Enttäuschung vor: Zu glatt und radiofreundlich wirkten die Songs auf „Dirty Gold“(Universal) im Vergleich zur vorher gepflegten Rauheit und Düsternis. Das kann man so sehen, manche von den gefällig ins Klangbild geschmierten Erwachsenenrock-Gitarren sind in der Tat schwer zu genießen. Man kann aber auch finden, dass Angel Haze sich hier ein weiteres Mal den Erwartungen widersetzt: Sie will nicht wieder die „bad ass bitch“ geben, sondern mit differenzierten Sounds jenseits des HipHop-Genres ein breiteres Publikum erreichen. Und auf der Deluxe-Edition der CD können neu hinzugekommene Hörer auch noch einmal das Frühwerk kennenlernen, etwa das grandiose „New York“, in dem sie zu einem dürren, von Gil Scott-Heron gesampelten Handclap-Rhythmus vom Schrecken und der Schönheit ihrer Heimatstadt kündet.
Bereits ihr zweites Album hat die 23-jährige Londoner Sängerin Katy B jetzt vorgelegt: „Little Red“(Sony) ist ohne Frage das erste große Elektro-Pop-Werk des Jahres, originell in seiner Verbindung von Gesang und elektronischen Sounds, voller sofort ins Ohr gehender Melodien, zugleich auf dem neuesten Stand der Beat-und Bassbastelei. Ihre ersten Meriten erwarb Katy B sich seit etwa 2010 in der Londoner Post-Dubstep-Szene; so musizierte sie mit den Genre-Pionieren Benga und Skream in der Supergroup Magnetic Man. Einem breiteren Publikum wurde sie 2012 bekannt, als sie mit Mark Ronson eine der offi ziellen Olympia-Hymnen produzierte; in „Anywhere In The World“ sang sie mit kühl-euphorischem Sopran zu Beats, die Ronson aus Knochen-, Muskel- und Atemgeräuschen olympischer Sportler gesampelt hatte.
Auch auf „Little Red“ erschafft sie nun aus den avanciertesten Clubmusiktechniken funkelnde, subjektiv gefärbte Songs. In „5 AM“ wünscht sie sich zu einem treibenden Beat mit melancholischer Stimme, dass jemand ihr endlich beim Runterkommen hilft. In dem Stück „Aaliyah“ singt sie im Duett mit Jessie Ware zu Ehren der 2001 verstorbenen R&B-Heldin; von dem aufstrebenden House-Produzenten George Fitzgerald hat sie sich den gleichermaßen niedlichen wie fordernden Tanzflurfeger „I Like You“ komponieren lassen. Auch das kann man also 2014 entdecken: eine junge Sängerin, die sich souverän ihren Raum zur Entwicklung erobert hat und mit jedem neuen Stück besser wird. Hoffen wir, dass sich dieses Modell in Zukunft wieder durchsetzen wird.