Ani DiFranco – Dilate

Auch das gibt es noch in Zeiten wie diesen: eine Sängerin, Songschreiberin und Multi-Instrumentalistin, die gerade mal Mitte 20 ist und trotzdem schon auf sieben Alben zurückblicken kann, die in Eigenregie auch noch 200000 mal verkauft wurden. Die Industrie mußte bisher vor der Tür bleiben. Wieviele wohl kürzlich schon angeklopft haben, auf der Hatz nach der nächsten Alanis Morrisette? Und wer ihr „Napoleon“ gehört hat – die Abrechnung mit einem, der den Weg des Mammons gegangen ist, um sich dann ausgerechnet bei ihr über die Stolpersteine auf eben diesem auszuheulen -, wird darauf wetten, daß die Herren mit den dicken Schecks auch weiterhin vergeblich klopfen werden. Was hätte sie auch zu gewinnen? Und vor allen Dingen: wieviel zu verlieren?

Was die Kanadierin so attraktiv macht jenseits gängiger Fraktionsbildungen, ist auch auf ihrer ersten offiziellen Europa-Veröffentlichung spürbar. Plakativ gesprochen: Keine singt ein zünftiges „Fuck you“ so wie Ani DiFranco. Darf Verachtung (fast) zärtlich klingen? Ist das die Kunst der sanften Provokation? Auf „Dilate“ singt DiFranco von emotionalen Dilemmata und Verstrickungen, von Schuld („Shameless“) und Lust („Adam And Eve“) aus der Perspektive einer wohl – soweit sich das schließen läßt – bisexuellen Frau. Aber diese Perspektive gerät ihr nicht zur Tunnel-Vision, die anders Orientierte per se ausschließt. Mit dem ersten Track „Untouchable Face“ etabliert DiFranco, die mit einem Sampling (in einer gespenstischen „Amazing Grace“-Variation) ebenso gut umzugehen weiß wie mit ihrer perkussiv-pochenden Akustik-Gitarre, gleich ihr Lieblingsthema: Verzweiflung im Unterholz des eigenen Gefühlshaushalts und an der Teilnahmslosigkeit des Gegenübers („Done Wrong“). Und es ist keine stille Verzweiflung. Vielmehr sind ihre Texte von einer stupenden Direktheit und Offenheit, ohne daß man sich davon peinlich berührt fühlen müßte. „When I say you sucked my brain out the english translation is: I am in love with you. And it is no fun.“

Ani DiFranco präsentiert sich als Frau, die den Glauben an die Schönheit („Everything I love is ugly“), an die Liebe („Words like that don’t matter“), an das Leben überhaupt (imitiert doch nur TV und Showbiz) verloren haben mag. Auch den an sich selbst: „I used to be a superhero (…), now I am just like everybody else.“ Eine Frau erwartet nicht mehr viel von dieser Welt. Und kann vielleicht gerade deshalb zu guter Letzt doch als „Joyful Girl“ dastehen, das – trotz allem – seinen Spaß haben will und wohl auch bekommt.

Warum? „Because I want to.“

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