Anna B Savage: „In | Flux“ – Schwarze Romantik (Kritik & Stream) - Rolling Stone






Anna B Savage „In | Flux“ – Schwarze Romantik


City Slang (VÖ: 17.2.)


von

Man kann aus Liebesleid, Zurückweisung und ­Verlust eine eigene Kunst machen. Man kann es mystisch verbrämen oder poetisch, man kann in Metaphern sprechen und in Zungen. Anna B Savage singt einfach: „I hope I never fall in love again/I want to live on my own ,but I can’t afford the rent.“Sie lese jetzt mehr Bücher denn je.

Immer an der Grenze zur schmerzhaften Intensität

Man sieht ihren schlichten Auftritt bei dem Heimvideoformat „Tiny Desk Concerts“ im letzten Jahr: Savage ist an die Westküste von Irland gezogen. Sie steht in schwarzem Kostüm mit ihrer Gitarre zwischen Felsen und Gras, im Hintergrund sieht man die See. Zwischen den Songs hört man das Meeresrauschen.

Anna B Savages Debütalbum, „A Common Turn“, erschien 2021 in einem ungünstigen Moment. Die Platte ist voll expressiver Songs von einer Wucht, wie man sie von PJ Harvey und Anna Calvi kennt (und früher von Sinéad O’Connor), immer an der Grenze zur schmerzhaften Intensität. Der Exorzismus kann jederzeit in Exhibitionismus umschlagen. „One“ ist darauf, eines ihrer frühen Stücke, und „Chelsea Hotel #3“, eine Masturbations-­Variation von Leonard Cohens „Chelsea Hotel#2“.

Die Lieder von Anna B Savage wurzeln in tiefen Schichten der Romantik und der Folklore

Es gab im letzten Jahr keine Tournee. Es gibt jetzt „In | Flux“. Schon im letzten Jahr erschien der Song „The Ghost“, eine fast gotische Beschwörung des früheren Liebhabers: „Stop haunting me, please.“ Die Erzählerin hat sich ein Grab geschaufelt, sie schreit seit sechs Jahren aus der Grube. Der Mann, der nicht verschwinden sollte, verschwindet nicht. Dieser Song ist so unabweisbar wie ein Stück von Joni Mitchell.

Aber die Lieder von Anna B Savage wurzeln in tiefen Schichten der Romantik und der Folklore, des Ritus und des Gospels. Man denkt an Sandy Denny und die flehentlich gesprochenen Gedichte von Anne Clark, an Kate Bush sowieso. Savage ist eine versierte Gitarristin und eine noch viel bessere Sängerin (ihre Mutter ist Opernsängerin), sie kann die Songs allein tragen.

Auf „In | Flux“ kommen tief tö­nende Streicher und Bläserhinzu und ein wenig Elektronik; die Songs sind atemnehmend, unheimlich und manchmal etwas überkandidelt. Eine Geisterbeschwö­rung, eine Gespensterplatte, erhebend auf die Weise, in der Nick Caves Musik erhebend ist. Oder erhaben.


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