Anna Ternheim

For The Young

Die schwedische Romantikerin zeigt mit einem Dutzend seelenvoller Folkjazz-Songs wieder ihre Weltklasse.

Witz entsteht, wenn zusammenkommt, was nicht zusammengehört; manchmal soll’s aber gar kein Witz sein, dann wird es tragisch: 1983 während der Oscarfeier eierte auch Joe Cocker über die Bühne und sang die Ballade „Up Where We Belong“ aus dem Soldatenfilm „Ein Offizier und Gentleman“, seine Duettpartnerin, Jennifer Warnes, ist nicht weiter aufgefallen, aber der Romantiker Joe Cocker unter all den Erfolgs­leuten und Plastiktypen – so was Erschütterndes hat Hollywood während seiner Jahresparty nie wieder vorgeführt.

Die Schwedin Anna Ternheim ging am 10. Dezember 2015 nach Stockholm und sang dort für das Nobelpreiskomitee und die Gesellschaftsstützen und Naturwissenschaftler, obwohl Ternheim dort verloren war, denn sie ist ganz und gar Romantikerin: Die Zuschauer haben ihr applaudiert, jedoch den Folkjazz mit Bluesanteilen überhaupt nicht verstanden, aber Ternheim sollte dabei sein, denn sie hat Weltklasse, ihr sechstes Album heißt „For The Young“, zwölf Stücke über Zeit und Liebe, Freunde und Düsternis.

Als Teenie lebte Ternheim ein Jahr lang in Atlanta und ließ sich amerikanisieren, ohne das Skandinavische aufzugeben. Sie spielt Gitarre und kann’s eigentlich kaum (sagt sie selbst); Ternheim fühlt sich auserwählt, Lieder zu schreiben. Sie hatte versucht, ihre Scheu abzu­trainieren, und bald gemerkt, dass die Scheu zu ihr und ihrer Musik gehört: „Show Me The Meaning Of Being Lonely“ singt sie, der Song stammt von der Tanzgruppe Backstreet Boys, sie entschlagert das Stück, es hat plötzlich Soul; niemand kann sagen, wie Ternheim das hinkriegt. Angenommen, ich wäre ein Backstreet Boy und würde hören, was Anna Ternheim jetzt mit meinem Lied angestellt hat – ich müsste sofort zu ihr rennen und einen Diener vor ihr machen.

Anna Ternheim (37) hat nicht die ganz große Stimme einer k.d. lang, erreicht aber eine ähnliche Intensität. Die 70er-Jahre haben mich zweifach traumatisiert: Seit einem Gemüseunfall wird mir übel beim Anblick von Rosenkohl, und wegen ABBA und ihrem Kram konnte ich keine Musik aus Schweden mehr hören; Anna Ternheim hat mich von dem zweiten Trauma geheilt.