Anna Ternheim Separation Road
Es gehe um Trennung auf ihrer neuen Platte, sagt Anna Ternheim, um die Wahl — und darum, dass man beim Wählen einer Option andere verwerfen muss. In der ersten Single, dem Spuk-Tango „Girl Laying Down“, trennt sich Ternheim von sich selbst, jedenfalls von dem Teil, der Entscheidungen nicht liebt und nur schlecht von der Stelle kommt.
Was auch immer Anna Ternheim zurück lässt, ihr musikalischer Grundton ist es nicht. Auf „Separation Road“ treibt die verschwiegene Gotländerin ihrem Songwriter-Folk die letzten Naivitäten aus und macht so das Geheimnis, das „Somebody Outside“ zu einer außergewöhnlichen Platte werden ließ, noch geheimnisvoller.
Alles wieder da: das skandinavisch Menschenleere, Inwendige, die großen Hallräume, der eigenwillige Strich beim musikalischen Malen. Dazu stellt Ternheim große Streichersätze und überhaupt viele Instrumente, die von der Sängerin an der Akustikgitarre erfolgreich ablenken. Nicht nur beim genannten Opener werden die Arrangements darob etwas schwarzweiß cineastisch, und tatsächlich soll Ternheim die Soundtracks alter Gruselfilme zum Vorbild für ihre zweite Produktion genommen haben.
Was in all den kunstvollen, immer halbdunklen Klanggebilden übrigens glücklicherweise nicht auf der Strecke bleibt, ist die Liebe zur klaren Melodie. Auch auf „Separation Road“ leben viele Lieder von gedämpft strahlenden Refrains, die wolkenverhangene Strophen ablösen wie die Morgendämmerung die Nacht.
Neben „Girl Laying Down“ herausragend sind: die Stummfilmvertonung „Lover’s Dream“, eine schaurig flackernde Reise ins Ungewisse mit singenden Sägen und Agentengitarren; das fast fröhliche „Today Is A Good Day“; schließlich das britisch eingefärbte „Feels Like Sand“, bei dem Ternheim vorführt, was Coldplay zuletzt alles falsch gemacht haben, jedenfalls künstlerisch. Besonders toll ist hier die ganz speziell klingende E-Gitarre von Staffan Anderson, die auf dem Album mehrfach zum Einsatz kommt.
Übrigens ist nicht alles auf „Separation Road“ groß und breitwandig. Bei drei, vier Songs ist Ternheim bis auf einige genau platzierte Zugaben allein am Klavier bzw. der Gitarre. Besonders beim Schlusspunkt, dem bedingt zuversichtlichen „Halfway To Fivepoints“, hat man so freie Sicht: auf eine wunderbare Künstlerin, die die notwendigen Entscheidungen offenbar richtig getroffen hat.